nun beginnenden Reisevorbereitungen eine Be¬ friedigung gefunden, die größer war als die, die sie sich von der Kur versprach. Sie fuhr täglich in die Stadt, um Einkäufe zu machen, und wurde nicht müde zu versichern, wie sie jetzt erst das so hoch in Gunst und Geltung stehende "shopping" der englischen Damen begreifen lerne: so von Laden zu Laden zu wandern und immer hübsche Sachen und höfliche Menschen zu finden, das sei doch wirklich ein Vergnügen und lehrreich dazu, weil man so vieles sehe, was man gar nicht kenne, ja, wovon man bis dahin nicht einmal den Namen gehört hätte. Botho nahm in der Regel an diesen Gängen und Ausfahrten Theil und ehe die letzte Juniwoche heran war, war die halbe Rienäcker'sche Wohnung in eine kleine Ausstellung von Reise¬ effekten umgewandelt: ein Riesenkoffer mit Messing¬ beschlag, den Botho, nicht ganz mit Unrecht, den Sarg seines Vermögens nannte, leitete den Reigen ein, dann kamen zwei kleinere von Juchtenleder, sammt Taschen, Decken und Kissen, und über das Sopha hin ausgebreitet lag die Reisegarderobe mit einem Staubmantel obenan und einem Paar wun¬ dervoller dicksohliger Schnürstiefel, als ob es sich um irgend eine Gletscherpartie gehandelt hätte.
Den 24. Juni, Johannistag, sollte die Reise beginnen, aber am Tage vorher wollte Käthe den
nun beginnenden Reiſevorbereitungen eine Be¬ friedigung gefunden, die größer war als die, die ſie ſich von der Kur verſprach. Sie fuhr täglich in die Stadt, um Einkäufe zu machen, und wurde nicht müde zu verſichern, wie ſie jetzt erſt das ſo hoch in Gunſt und Geltung ſtehende „shopping“ der engliſchen Damen begreifen lerne: ſo von Laden zu Laden zu wandern und immer hübſche Sachen und höfliche Menſchen zu finden, das ſei doch wirklich ein Vergnügen und lehrreich dazu, weil man ſo vieles ſehe, was man gar nicht kenne, ja, wovon man bis dahin nicht einmal den Namen gehört hätte. Botho nahm in der Regel an dieſen Gängen und Ausfahrten Theil und ehe die letzte Juniwoche heran war, war die halbe Rienäcker'ſche Wohnung in eine kleine Ausſtellung von Reiſe¬ effekten umgewandelt: ein Rieſenkoffer mit Meſſing¬ beſchlag, den Botho, nicht ganz mit Unrecht, den Sarg ſeines Vermögens nannte, leitete den Reigen ein, dann kamen zwei kleinere von Juchtenleder, ſammt Taſchen, Decken und Kiſſen, und über das Sopha hin ausgebreitet lag die Reiſegarderobe mit einem Staubmantel obenan und einem Paar wun¬ dervoller dickſohliger Schnürſtiefel, als ob es ſich um irgend eine Gletſcherpartie gehandelt hätte.
Den 24. Juni, Johannistag, ſollte die Reiſe beginnen, aber am Tage vorher wollte Käthe den
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nun beginnenden Reiſevorbereitungen eine Be¬
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ſie ſich von der Kur verſprach. Sie fuhr täglich
in die Stadt, um Einkäufe zu machen, und wurde
nicht müde zu verſichern, wie ſie jetzt erſt das ſo
hoch in Gunſt und Geltung ſtehende „shopping“
der engliſchen Damen begreifen lerne: ſo von Laden
zu Laden zu wandern und immer hübſche Sachen
und höfliche Menſchen zu finden, das ſei doch
wirklich ein Vergnügen und lehrreich dazu, weil
man ſo vieles ſehe, was man gar nicht kenne, ja,
wovon man bis dahin nicht einmal den Namen
gehört hätte. Botho nahm in der Regel an dieſen
Gängen und Ausfahrten Theil und ehe die letzte
Juniwoche heran war, war die halbe Rienäcker'ſche
Wohnung in eine kleine Ausſtellung von Reiſe¬
effekten umgewandelt: ein Rieſenkoffer mit Meſſing¬
beſchlag, den Botho, nicht ganz mit Unrecht, den
Sarg ſeines Vermögens nannte, leitete den Reigen
ein, dann kamen zwei kleinere von Juchtenleder,
ſammt Taſchen, Decken und Kiſſen, und über das
Sopha hin ausgebreitet lag die Reiſegarderobe mit
einem Staubmantel obenan und einem Paar wun¬
dervoller dickſohliger Schnürſtiefel, als ob es ſich
um irgend eine Gletſcherpartie gehandelt hätte.
Den 24. Juni, Johannistag, ſollte die Reiſe
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Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888, S. 196. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_irrungen_1888/206>, abgerufen am 24.11.2024.
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