Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888.

Bild:
<< vorherige Seite

von Wilmersdorf geführt hatte. Der Thurm war
deutlich sichtbar unter dem sternklaren Himmel und
nur über den Wiesengrund zog ein dünner Nebel¬
schleier.

"Weißt Du noch," sagte Botho, "wie wir mit
Frau Dörr hier gingen?"

Sie nickte. "Deshalb hab' ich Dir's vor¬
geschlagen, mich fror gar nicht oder doch kaum.
Ach, es war ein so schöner Tag damals und so
heiter und glücklich bin ich nie gewesen, nicht vor¬
her und nicht nachher. Noch in diesem Augenblicke
lacht mir das Herz, wenn ich daran zurückdenke wie
wir gingen und sangen: "Denkst Du daran". Ja,
Erinnerung ist viel, ist alles. Und die hab' ich
nun und bleibt mir und kann mir nicht mehr ge¬
nommen werden. Und ich fühle ordentlich, wie mir
dabei leicht zu Muthe wird."

Er umarmte sie. "Du bist so gut."

Lene aber fuhr in ihrem ruhigen Tone fort:
"Und daß mir so leicht ums Herz ist, das will ich
nicht vorübergehn lassen und will Dir alles sagen.
Eigentlich ist es das Alte, was ich Dir immer
schon gesagt habe, noch vorgestern, als wir draußen
auf der halb gescheiterten Partie waren und dann
nachher, als wir uns trennten. Ich hab' es so
kommen sehn, von Anfang an, und es geschieht nur,
was muß. Wenn man schön geträumt hat, so muß

von Wilmersdorf geführt hatte. Der Thurm war
deutlich ſichtbar unter dem ſternklaren Himmel und
nur über den Wieſengrund zog ein dünner Nebel¬
ſchleier.

„Weißt Du noch,“ ſagte Botho, „wie wir mit
Frau Dörr hier gingen?“

Sie nickte. „Deshalb hab' ich Dir's vor¬
geſchlagen, mich fror gar nicht oder doch kaum.
Ach, es war ein ſo ſchöner Tag damals und ſo
heiter und glücklich bin ich nie geweſen, nicht vor¬
her und nicht nachher. Noch in dieſem Augenblicke
lacht mir das Herz, wenn ich daran zurückdenke wie
wir gingen und ſangen: „Denkst Du daran“. Ja,
Erinnerung iſt viel, iſt alles. Und die hab' ich
nun und bleibt mir und kann mir nicht mehr ge¬
nommen werden. Und ich fühle ordentlich, wie mir
dabei leicht zu Muthe wird.“

Er umarmte ſie. „Du biſt ſo gut.“

Lene aber fuhr in ihrem ruhigen Tone fort:
„Und daß mir ſo leicht ums Herz iſt, das will ich
nicht vorübergehn laſſen und will Dir alles ſagen.
Eigentlich iſt es das Alte, was ich Dir immer
ſchon geſagt habe, noch vorgeſtern, als wir draußen
auf der halb geſcheiterten Partie waren und dann
nachher, als wir uns trennten. Ich hab' es ſo
kommen ſehn, von Anfang an, und es geſchieht nur,
was muß. Wenn man ſchön geträumt hat, ſo muß

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0172" n="162"/>
von Wilmersdorf geführt hatte. Der Thurm war<lb/>
deutlich &#x017F;ichtbar unter dem &#x017F;ternklaren Himmel und<lb/>
nur über den Wie&#x017F;engrund zog ein dünner Nebel¬<lb/>
&#x017F;chleier.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Weißt Du noch,&#x201C; &#x017F;agte Botho, &#x201E;wie wir mit<lb/>
Frau Dörr hier gingen?&#x201C;</p><lb/>
        <p>Sie nickte. &#x201E;Deshalb hab' ich Dir's vor¬<lb/>
ge&#x017F;chlagen, mich fror gar nicht oder doch kaum.<lb/>
Ach, es war ein &#x017F;o &#x017F;chöner Tag damals und &#x017F;o<lb/>
heiter und glücklich bin ich nie gewe&#x017F;en, nicht vor¬<lb/>
her und nicht nachher. Noch in die&#x017F;em Augenblicke<lb/>
lacht mir das Herz, wenn ich daran zurückdenke wie<lb/>
wir gingen und &#x017F;angen: &#x201E;Denkst Du daran&#x201C;. Ja,<lb/>
Erinnerung i&#x017F;t viel, i&#x017F;t alles. Und die hab' ich<lb/>
nun und bleibt mir und kann mir nicht mehr ge¬<lb/>
nommen werden. Und ich fühle ordentlich, wie mir<lb/>
dabei leicht zu Muthe wird.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Er umarmte &#x017F;ie. &#x201E;Du bi&#x017F;t &#x017F;o gut.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Lene aber fuhr in ihrem ruhigen Tone fort:<lb/>
&#x201E;Und daß mir &#x017F;o leicht ums Herz i&#x017F;t, das will ich<lb/>
nicht vorübergehn la&#x017F;&#x017F;en und will Dir alles &#x017F;agen.<lb/>
Eigentlich i&#x017F;t es das Alte, was ich Dir immer<lb/>
&#x017F;chon ge&#x017F;agt habe, noch vorge&#x017F;tern, als wir draußen<lb/>
auf der halb ge&#x017F;cheiterten Partie waren und dann<lb/>
nachher, als wir uns trennten. Ich hab' es &#x017F;o<lb/>
kommen &#x017F;ehn, von Anfang an, und es ge&#x017F;chieht nur,<lb/>
was muß. Wenn man &#x017F;chön geträumt hat, &#x017F;o muß<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[162/0172] von Wilmersdorf geführt hatte. Der Thurm war deutlich ſichtbar unter dem ſternklaren Himmel und nur über den Wieſengrund zog ein dünner Nebel¬ ſchleier. „Weißt Du noch,“ ſagte Botho, „wie wir mit Frau Dörr hier gingen?“ Sie nickte. „Deshalb hab' ich Dir's vor¬ geſchlagen, mich fror gar nicht oder doch kaum. Ach, es war ein ſo ſchöner Tag damals und ſo heiter und glücklich bin ich nie geweſen, nicht vor¬ her und nicht nachher. Noch in dieſem Augenblicke lacht mir das Herz, wenn ich daran zurückdenke wie wir gingen und ſangen: „Denkst Du daran“. Ja, Erinnerung iſt viel, iſt alles. Und die hab' ich nun und bleibt mir und kann mir nicht mehr ge¬ nommen werden. Und ich fühle ordentlich, wie mir dabei leicht zu Muthe wird.“ Er umarmte ſie. „Du biſt ſo gut.“ Lene aber fuhr in ihrem ruhigen Tone fort: „Und daß mir ſo leicht ums Herz iſt, das will ich nicht vorübergehn laſſen und will Dir alles ſagen. Eigentlich iſt es das Alte, was ich Dir immer ſchon geſagt habe, noch vorgeſtern, als wir draußen auf der halb geſcheiterten Partie waren und dann nachher, als wir uns trennten. Ich hab' es ſo kommen ſehn, von Anfang an, und es geſchieht nur, was muß. Wenn man ſchön geträumt hat, ſo muß

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_irrungen_1888
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_irrungen_1888/172
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_irrungen_1888/172>, abgerufen am 24.11.2024.