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Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888.

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"Ja, Lene. Kannst Du mir verzeihn?"

"Wie Du nur immer frägst. Was soll ich Dir
verzeihn?"

"Daß ich Deinem Herzen wehe thue."

"Ja, weh thut es. Das ist wahr."

Und nun schwieg sie wieder und sah hinauf auf
die blaß am Himmel heraufziehenden Sterne.

"Woran denkst Du, Lene?"

"Wie schön es wäre, dort oben zu sein."

"Sprich nicht so. Du darfst Dir das Leben
nicht wegwünschen; von solchem Wunsch ist nur
noch ein Schritt . . ."

Sie lächelte. "Nein, das nicht. Ich bin nicht
wie das Mädchen, das an den Ziehbrunnen lief
und sich hineinstürzte, weil ihr Liebhaber mit einer
andern tanzte. Weißt Du noch, wie Du mir davon
erzähltest?"

"Aber was soll es dann? Du bist doch nicht
so, daß Du so was sagst, blos um etwas zu sagen."

"Nein, ich hab' es auch ernsthaft gemeint. Und
wirklich (und sie wies hinauf), ich wäre gerne da.
Da hätt' ich Ruh. Aber ich kann es abwarten . . .
Und nun komm und laß uns ins Feld gehn. Ich
habe kein Tuch mit herausgenommen und find' es
kalt hier im Stillsitzen."

Und so gingen sie denn denselben Feldweg hin¬
auf, der sie damals bis an die vorderste Häuserreihe

Fontane, Irrungen. 11

„Ja, Lene. Kannſt Du mir verzeihn?“

„Wie Du nur immer frägſt. Was ſoll ich Dir
verzeihn?“

„Daß ich Deinem Herzen wehe thue.“

„Ja, weh thut es. Das iſt wahr.“

Und nun ſchwieg ſie wieder und ſah hinauf auf
die blaß am Himmel heraufziehenden Sterne.

„Woran denkſt Du, Lene?“

„Wie ſchön es wäre, dort oben zu ſein.“

„Sprich nicht ſo. Du darfſt Dir das Leben
nicht wegwünſchen; von ſolchem Wunſch iſt nur
noch ein Schritt . . .“

Sie lächelte. „Nein, das nicht. Ich bin nicht
wie das Mädchen, das an den Ziehbrunnen lief
und ſich hineinſtürzte, weil ihr Liebhaber mit einer
andern tanzte. Weißt Du noch, wie Du mir davon
erzählteſt?“

„Aber was ſoll es dann? Du biſt doch nicht
ſo, daß Du ſo was ſagſt, blos um etwas zu ſagen.“

„Nein, ich hab' es auch ernſthaft gemeint. Und
wirklich (und ſie wies hinauf), ich wäre gerne da.
Da hätt' ich Ruh. Aber ich kann es abwarten . . .
Und nun komm und laß uns ins Feld gehn. Ich
habe kein Tuch mit herausgenommen und find' es
kalt hier im Stillſitzen.“

Und ſo gingen ſie denn denſelben Feldweg hin¬
auf, der ſie damals bis an die vorderſte Häuſerreihe

Fontane, Irrungen. 11
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[161/0171] „Ja, Lene. Kannſt Du mir verzeihn?“ „Wie Du nur immer frägſt. Was ſoll ich Dir verzeihn?“ „Daß ich Deinem Herzen wehe thue.“ „Ja, weh thut es. Das iſt wahr.“ Und nun ſchwieg ſie wieder und ſah hinauf auf die blaß am Himmel heraufziehenden Sterne. „Woran denkſt Du, Lene?“ „Wie ſchön es wäre, dort oben zu ſein.“ „Sprich nicht ſo. Du darfſt Dir das Leben nicht wegwünſchen; von ſolchem Wunſch iſt nur noch ein Schritt . . .“ Sie lächelte. „Nein, das nicht. Ich bin nicht wie das Mädchen, das an den Ziehbrunnen lief und ſich hineinſtürzte, weil ihr Liebhaber mit einer andern tanzte. Weißt Du noch, wie Du mir davon erzählteſt?“ „Aber was ſoll es dann? Du biſt doch nicht ſo, daß Du ſo was ſagſt, blos um etwas zu ſagen.“ „Nein, ich hab' es auch ernſthaft gemeint. Und wirklich (und ſie wies hinauf), ich wäre gerne da. Da hätt' ich Ruh. Aber ich kann es abwarten . . . Und nun komm und laß uns ins Feld gehn. Ich habe kein Tuch mit herausgenommen und find' es kalt hier im Stillſitzen.“ Und ſo gingen ſie denn denſelben Feldweg hin¬ auf, der ſie damals bis an die vorderſte Häuſerreihe Fontane, Irrungen. 11

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_irrungen_1888/171>, abgerufen am 24.11.2024.