Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888.

Bild:
<< vorherige Seite

"Wie das?"

"Ja," wiederholte der Gefragte, "so lang es
dauert. Sie sprechen von Einsamkeit, Herr Baron,
und tagelang ist es auch wirklich einsam hier. Und
es können auch Wochen werden. Aber kaum, daß
das Eis bricht und das Frühjahr kommt, so kommt
auch schon Besuch und der Berliner ist da."

"Wann kommt er?"

"Unglaublich früh. Oculi, da kommen sie.
Sehen Sie, Herr Baron, wenn ich, der ich doch
ausgewettert bin, immer noch drin in der Stube
bleibe, weil der Ostwind pustet und die Märzensonne
sticht, setzt sich der Berliner schon ins Freie, legt
seinen Sommer-Ueberzieher über den Stuhl und
bestellt eine Weiße. Denn so wie nur die Sonne
scheint, spricht der Berliner von schönem Wetter.
Ob in jedem Windzug eine Lungenentzündung oder
Diphtheritis sitzt, ist ihm egal. Er spielt dann am
liebsten mit Reifen, einige sind auch für Boccia,
und wenn sie dann abfahren, ganz gedunsen von
der Prallsonne, dann thut mir mitunter das Herz
weh, denn keiner ist darunter, dem nicht wenigstens
am andern Tage die Haut abschülbert."

Botho lachte. "Ja, die Berliner! Wobei mir
übrigens einfällt, Ihre Spree hier herum muß ja
auch die Gegend sein, wo die Ruderer und Segler
zusammenkommen und ihre Regatten haben."

„Wie das?“

„Ja,“ wiederholte der Gefragte, „ſo lang es
dauert. Sie ſprechen von Einſamkeit, Herr Baron,
und tagelang iſt es auch wirklich einſam hier. Und
es können auch Wochen werden. Aber kaum, daß
das Eis bricht und das Frühjahr kommt, ſo kommt
auch ſchon Beſuch und der Berliner iſt da.“

„Wann kommt er?“

„Unglaublich früh. Oculi, da kommen ſie.
Sehen Sie, Herr Baron, wenn ich, der ich doch
ausgewettert bin, immer noch drin in der Stube
bleibe, weil der Oſtwind puſtet und die Märzenſonne
ſticht, ſetzt ſich der Berliner ſchon ins Freie, legt
ſeinen Sommer-Ueberzieher über den Stuhl und
beſtellt eine Weiße. Denn ſo wie nur die Sonne
ſcheint, ſpricht der Berliner von ſchönem Wetter.
Ob in jedem Windzug eine Lungenentzündung oder
Diphtheritis ſitzt, iſt ihm egal. Er ſpielt dann am
liebſten mit Reifen, einige ſind auch für Boccia,
und wenn ſie dann abfahren, ganz gedunſen von
der Prallſonne, dann thut mir mitunter das Herz
weh, denn keiner iſt darunter, dem nicht wenigſtens
am andern Tage die Haut abſchülbert.“

Botho lachte. „Ja, die Berliner! Wobei mir
übrigens einfällt, Ihre Spree hier herum muß ja
auch die Gegend ſein, wo die Ruderer und Segler
zuſammenkommen und ihre Regatten haben.“

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0127" n="117"/>
        <p>&#x201E;Wie das?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ja,&#x201C; wiederholte der Gefragte, &#x201E;&#x017F;o lang es<lb/>
dauert. Sie &#x017F;prechen von Ein&#x017F;amkeit, Herr Baron,<lb/>
und tagelang i&#x017F;t es auch wirklich ein&#x017F;am hier. Und<lb/>
es können auch Wochen werden. Aber kaum, daß<lb/>
das Eis bricht und das Frühjahr kommt, &#x017F;o kommt<lb/>
auch &#x017F;chon Be&#x017F;uch und der Berliner i&#x017F;t da.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Wann kommt er?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Unglaublich früh. Oculi, da kommen &#x017F;ie.<lb/>
Sehen Sie, Herr Baron, wenn ich, der ich doch<lb/>
ausgewettert bin, immer noch drin in der Stube<lb/>
bleibe, weil der O&#x017F;twind pu&#x017F;tet und die Märzen&#x017F;onne<lb/>
&#x017F;ticht, &#x017F;etzt &#x017F;ich der Berliner &#x017F;chon ins Freie, legt<lb/>
&#x017F;einen Sommer-Ueberzieher über den Stuhl und<lb/>
be&#x017F;tellt eine Weiße. Denn &#x017F;o wie nur die Sonne<lb/>
&#x017F;cheint, &#x017F;pricht der Berliner von &#x017F;chönem Wetter.<lb/>
Ob in jedem Windzug eine Lungenentzündung oder<lb/>
Diphtheritis &#x017F;itzt, i&#x017F;t ihm egal. Er &#x017F;pielt dann am<lb/>
lieb&#x017F;ten mit Reifen, einige &#x017F;ind auch für Boccia,<lb/>
und wenn &#x017F;ie dann abfahren, ganz gedun&#x017F;en von<lb/>
der Prall&#x017F;onne, dann thut mir mitunter das Herz<lb/>
weh, denn keiner i&#x017F;t darunter, dem nicht wenig&#x017F;tens<lb/>
am andern Tage die Haut ab&#x017F;chülbert.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Botho lachte. &#x201E;Ja, die Berliner! Wobei mir<lb/>
übrigens einfällt, Ihre Spree hier herum muß ja<lb/>
auch die Gegend &#x017F;ein, wo die Ruderer und Segler<lb/>
zu&#x017F;ammenkommen und ihre Regatten haben.&#x201C;<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[117/0127] „Wie das?“ „Ja,“ wiederholte der Gefragte, „ſo lang es dauert. Sie ſprechen von Einſamkeit, Herr Baron, und tagelang iſt es auch wirklich einſam hier. Und es können auch Wochen werden. Aber kaum, daß das Eis bricht und das Frühjahr kommt, ſo kommt auch ſchon Beſuch und der Berliner iſt da.“ „Wann kommt er?“ „Unglaublich früh. Oculi, da kommen ſie. Sehen Sie, Herr Baron, wenn ich, der ich doch ausgewettert bin, immer noch drin in der Stube bleibe, weil der Oſtwind puſtet und die Märzenſonne ſticht, ſetzt ſich der Berliner ſchon ins Freie, legt ſeinen Sommer-Ueberzieher über den Stuhl und beſtellt eine Weiße. Denn ſo wie nur die Sonne ſcheint, ſpricht der Berliner von ſchönem Wetter. Ob in jedem Windzug eine Lungenentzündung oder Diphtheritis ſitzt, iſt ihm egal. Er ſpielt dann am liebſten mit Reifen, einige ſind auch für Boccia, und wenn ſie dann abfahren, ganz gedunſen von der Prallſonne, dann thut mir mitunter das Herz weh, denn keiner iſt darunter, dem nicht wenigſtens am andern Tage die Haut abſchülbert.“ Botho lachte. „Ja, die Berliner! Wobei mir übrigens einfällt, Ihre Spree hier herum muß ja auch die Gegend ſein, wo die Ruderer und Segler zuſammenkommen und ihre Regatten haben.“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_irrungen_1888
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_irrungen_1888/127
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_irrungen_1888/127>, abgerufen am 12.05.2024.