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Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888.

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glückstag ansehen wollen? Da bin ich artiger und
galanter."

"Nun, nun . . . Aber kannst Du denn auch
rudern, Lene?"

"Freilich kann ich. Und kann auch sogar steuern
und ein Segel stellen. Weil ich beinah ertrunken
wäre, denkst Du gering von mir und meiner Kunst.
Aber der Junge war schuld und ertrinken kann am
Ende jeder."

Und dabei ging sie von der Veranda her den
Steg entlang auf die zwei Boote zu, deren Segel
eingerefft waren, während ihre Wimpel, mit ein¬
gesticktem Namen, oben an der Mastspitze flatterten.

"Welches nehmen wir," sagte Botho, "die ,Forelle'
oder die ,Hoffnung'?"

"Natürlich die Forelle. Was sollen wir mit der
Hoffnung?"

Botho hörte wohl heraus, daß dies von Lene
mit Absicht und um zu sticheln gesagt wurde, denn
so fein sie fühlte, so verleugnete sie doch nie das
an kleinen Spitzen Gefallen findende Berliner Kind.
Er verzieh ihr aber dies Spitzige, schwieg und war
ihr beim Einsteigen behilflich. Dann sprang er
nach. Als er gleich darauf das Boot losketteln
wollte, kam der Wirth und brachte Jaquet und
Plaid, weil es bei Sonnenuntergang kalt würde.
Beide dankten und in Kürze waren sie mitten auf

glückstag anſehen wollen? Da bin ich artiger und
galanter.“

„Nun, nun . . . Aber kannſt Du denn auch
rudern, Lene?“

„Freilich kann ich. Und kann auch ſogar ſteuern
und ein Segel ſtellen. Weil ich beinah ertrunken
wäre, denkſt Du gering von mir und meiner Kunſt.
Aber der Junge war ſchuld und ertrinken kann am
Ende jeder.“

Und dabei ging ſie von der Veranda her den
Steg entlang auf die zwei Boote zu, deren Segel
eingerefft waren, während ihre Wimpel, mit ein¬
geſticktem Namen, oben an der Maſtſpitze flatterten.

„Welches nehmen wir,“ ſagte Botho, „die ‚Forelle‛
oder die ,Hoffnung‛?“

„Natürlich die Forelle. Was ſollen wir mit der
Hoffnung?“

Botho hörte wohl heraus, daß dies von Lene
mit Abſicht und um zu ſticheln geſagt wurde, denn
ſo fein ſie fühlte, ſo verleugnete ſie doch nie das
an kleinen Spitzen Gefallen findende Berliner Kind.
Er verzieh ihr aber dies Spitzige, ſchwieg und war
ihr beim Einſteigen behilflich. Dann ſprang er
nach. Als er gleich darauf das Boot losketteln
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[106/0116] glückstag anſehen wollen? Da bin ich artiger und galanter.“ „Nun, nun . . . Aber kannſt Du denn auch rudern, Lene?“ „Freilich kann ich. Und kann auch ſogar ſteuern und ein Segel ſtellen. Weil ich beinah ertrunken wäre, denkſt Du gering von mir und meiner Kunſt. Aber der Junge war ſchuld und ertrinken kann am Ende jeder.“ Und dabei ging ſie von der Veranda her den Steg entlang auf die zwei Boote zu, deren Segel eingerefft waren, während ihre Wimpel, mit ein¬ geſticktem Namen, oben an der Maſtſpitze flatterten. „Welches nehmen wir,“ ſagte Botho, „die ‚Forelle‛ oder die ,Hoffnung‛?“ „Natürlich die Forelle. Was ſollen wir mit der Hoffnung?“ Botho hörte wohl heraus, daß dies von Lene mit Abſicht und um zu ſticheln geſagt wurde, denn ſo fein ſie fühlte, ſo verleugnete ſie doch nie das an kleinen Spitzen Gefallen findende Berliner Kind. Er verzieh ihr aber dies Spitzige, ſchwieg und war ihr beim Einſteigen behilflich. Dann ſprang er nach. Als er gleich darauf das Boot losketteln wollte, kam der Wirth und brachte Jaquet und Plaid, weil es bei Sonnenuntergang kalt würde. Beide dankten und in Kürze waren ſie mitten auf

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_irrungen_1888/116>, abgerufen am 13.05.2024.