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Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

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Effi Briest
wird eine Weile so gehen, ohne viel Schaden anzu¬
richten, aber zuletzt wird sie's merken, und dann
wird es sie beleidigen. Und dann weiß ich nicht,
was geschieht. Denn so weich und nachgiebig sie
ist, sie hat auch 'was Rabiates und läßt es auf alles
ankommen."

In diesem Augenblicke trat Wilke vom Saal her
ein und meldete, daß er alles nachgezählt und alles
vollzählig gefunden habe; nur von den feinen Wein¬
gläsern sei eins zerbrochen, aber schon gestern, als
das Hoch ausgebracht wurde -- Fräulein Hulda
habe mit Leutnant Nienkerken zu scharf angestoßen.

"Versteht sich, von alter Zeit her immer im
Schlaf, und unterm Holunderbaum ist es natürlich
nicht besser geworden. Eine alberne Person, und ich
begreife Nienkerken nicht."

"Ich begreife ihn vollkommen."

"Er kann sie doch nicht heiraten."

"Nein."

"Also zu was?"

"Ein weites Feld, Luise."


Dies war am Tage nach der Hochzeit. Drei
Tage später kam eine kleine gekritzelte Karte aus
München, die Namen alle nur mit zwei Buchstaben
angedeutet. "Liebe Mama! Heute Vormittag die

Effi Brieſt
wird eine Weile ſo gehen, ohne viel Schaden anzu¬
richten, aber zuletzt wird ſie's merken, und dann
wird es ſie beleidigen. Und dann weiß ich nicht,
was geſchieht. Denn ſo weich und nachgiebig ſie
iſt, ſie hat auch 'was Rabiates und läßt es auf alles
ankommen.“

In dieſem Augenblicke trat Wilke vom Saal her
ein und meldete, daß er alles nachgezählt und alles
vollzählig gefunden habe; nur von den feinen Wein¬
gläſern ſei eins zerbrochen, aber ſchon geſtern, als
das Hoch ausgebracht wurde — Fräulein Hulda
habe mit Leutnant Nienkerken zu ſcharf angeſtoßen.

„Verſteht ſich, von alter Zeit her immer im
Schlaf, und unterm Holunderbaum iſt es natürlich
nicht beſſer geworden. Eine alberne Perſon, und ich
begreife Nienkerken nicht.“

„Ich begreife ihn vollkommen.“

„Er kann ſie doch nicht heiraten.“

„Nein.“

„Alſo zu was?“

„Ein weites Feld, Luiſe.“


Dies war am Tage nach der Hochzeit. Drei
Tage ſpäter kam eine kleine gekritzelte Karte aus
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[61/0070] Effi Brieſt wird eine Weile ſo gehen, ohne viel Schaden anzu¬ richten, aber zuletzt wird ſie's merken, und dann wird es ſie beleidigen. Und dann weiß ich nicht, was geſchieht. Denn ſo weich und nachgiebig ſie iſt, ſie hat auch 'was Rabiates und läßt es auf alles ankommen.“ In dieſem Augenblicke trat Wilke vom Saal her ein und meldete, daß er alles nachgezählt und alles vollzählig gefunden habe; nur von den feinen Wein¬ gläſern ſei eins zerbrochen, aber ſchon geſtern, als das Hoch ausgebracht wurde — Fräulein Hulda habe mit Leutnant Nienkerken zu ſcharf angeſtoßen. „Verſteht ſich, von alter Zeit her immer im Schlaf, und unterm Holunderbaum iſt es natürlich nicht beſſer geworden. Eine alberne Perſon, und ich begreife Nienkerken nicht.“ „Ich begreife ihn vollkommen.“ „Er kann ſie doch nicht heiraten.“ „Nein.“ „Alſo zu was?“ „Ein weites Feld, Luiſe.“ Dies war am Tage nach der Hochzeit. Drei Tage ſpäter kam eine kleine gekritzelte Karte aus München, die Namen alle nur mit zwei Buchſtaben angedeutet. „Liebe Mama! Heute Vormittag die

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/70>, abgerufen am 23.11.2024.