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Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

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Effi Briest
Verstand, aber Du kannst doch nicht an solche
Fragen ..."

"Eigentlich nicht."

"Und wenn denn schon überhaupt Fragen gestellt
werden sollen, da giebt es ganz andere, Briest, und
ich kann Dir sagen, es vergeht kein Tag, seit das
arme Kind da liegt, wo mir solche Fragen nicht
gekommen wären ..."

"Welche Fragen?"

"Ob wir nicht doch vielleicht schuld sind?"

"Unsinn, Luise. Wie meinst Du das?"

"Ob wir sie nicht anders in Zucht hätten
nehmen müssen. Gerade wir. Denn Niemeyer ist
doch eigentlich eine Null, weil er alles in Zweifel
läßt. Und dann, Briest, so leid es mir thut ... Deine
beständigen Zweideutigkeiten ... und zuletzt, womit
ich mich selbst anklage, denn ich will nicht schuldlos
ausgehen in dieser Sache, ob sie nicht doch vielleicht
zu jung war?"

Rollo, der bei diesen Worten aufwachte, schüttelte
den Kopf langsam hin und her, und Briest sagte
ruhig: "Ach, Luise, laß ... das ist ein zu weites
Feld."


Druck von Oskar Bonde in Altenburg.

Effi Brieſt
Verſtand, aber Du kannſt doch nicht an ſolche
Fragen …“

„Eigentlich nicht.“

„Und wenn denn ſchon überhaupt Fragen geſtellt
werden ſollen, da giebt es ganz andere, Brieſt, und
ich kann Dir ſagen, es vergeht kein Tag, ſeit das
arme Kind da liegt, wo mir ſolche Fragen nicht
gekommen wären …“

„Welche Fragen?“

„Ob wir nicht doch vielleicht ſchuld ſind?“

„Unſinn, Luiſe. Wie meinſt Du das?“

„Ob wir ſie nicht anders in Zucht hätten
nehmen müſſen. Gerade wir. Denn Niemeyer iſt
doch eigentlich eine Null, weil er alles in Zweifel
läßt. Und dann, Brieſt, ſo leid es mir thut … Deine
beſtändigen Zweideutigkeiten … und zuletzt, womit
ich mich ſelbſt anklage, denn ich will nicht ſchuldlos
ausgehen in dieſer Sache, ob ſie nicht doch vielleicht
zu jung war?“

Rollo, der bei dieſen Worten aufwachte, ſchüttelte
den Kopf langſam hin und her, und Brieſt ſagte
ruhig: „Ach, Luiſe, laß … das iſt ein zu weites
Feld.“


Druck von Oskar Bonde in Altenburg.

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[520/0529] Effi Brieſt Verſtand, aber Du kannſt doch nicht an ſolche Fragen …“ „Eigentlich nicht.“ „Und wenn denn ſchon überhaupt Fragen geſtellt werden ſollen, da giebt es ganz andere, Brieſt, und ich kann Dir ſagen, es vergeht kein Tag, ſeit das arme Kind da liegt, wo mir ſolche Fragen nicht gekommen wären …“ „Welche Fragen?“ „Ob wir nicht doch vielleicht ſchuld ſind?“ „Unſinn, Luiſe. Wie meinſt Du das?“ „Ob wir ſie nicht anders in Zucht hätten nehmen müſſen. Gerade wir. Denn Niemeyer iſt doch eigentlich eine Null, weil er alles in Zweifel läßt. Und dann, Brieſt, ſo leid es mir thut … Deine beſtändigen Zweideutigkeiten … und zuletzt, womit ich mich ſelbſt anklage, denn ich will nicht ſchuldlos ausgehen in dieſer Sache, ob ſie nicht doch vielleicht zu jung war?“ Rollo, der bei dieſen Worten aufwachte, ſchüttelte den Kopf langſam hin und her, und Brieſt ſagte ruhig: „Ach, Luiſe, laß … das iſt ein zu weites Feld.“ Druck von Oskar Bonde in Altenburg.

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 520. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/529>, abgerufen am 23.11.2024.