Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

Bild:
<< vorherige Seite

Effi Briest
zu verfügen. Aber eh' ich die Sache kenne, verzeihen
Sie mir die naive Vorfrage: muß es sein? Wir
sind doch über die Jahre weg, Sie, um die Pistole
in die Hand zu nehmen, und ich, um dabei mit¬
zumachen. Indessen mißverstehen Sie mich nicht,
alles dies soll kein "nein" sein. Wie könnte ich Ihnen
etwas abschlagen. Aber nun sagen Sie, was ist es?"

"Es handelt sich um einen Galan meiner Frau,
der zugleich mein Freund war oder doch beinah."

Wüllersdorf sah Innstetten an. "Innstetten,
das ist nicht möglich."

"Es ist mehr als möglich, es ist gewiß. Lesen
Sie."

Wüllersdorf flog drüber hin. "Die sind an
Ihre Frau gerichtet?"

"Ja. Ich fand sie heut in ihrem Nähtisch."

"Und wer hat sie geschrieben?"

"Major Crampas."

"Also Dinge, die sich abgespielt, als Sie noch
in Kessin waren?"

Innstetten nickte.

"Liegt also sechs Jahre zurück oder noch ein
halb Jahr länger."

"Ja."

Wüllersdorf schwieg. Nach einer Weile sagte
Innstetten: "Es sieht fast so aus, Wüllersdorf, als

Effi Brieſt
zu verfügen. Aber eh' ich die Sache kenne, verzeihen
Sie mir die naive Vorfrage: muß es ſein? Wir
ſind doch über die Jahre weg, Sie, um die Piſtole
in die Hand zu nehmen, und ich, um dabei mit¬
zumachen. Indeſſen mißverſtehen Sie mich nicht,
alles dies ſoll kein „nein“ ſein. Wie könnte ich Ihnen
etwas abſchlagen. Aber nun ſagen Sie, was iſt es?“

„Es handelt ſich um einen Galan meiner Frau,
der zugleich mein Freund war oder doch beinah.“

Wüllersdorf ſah Innſtetten an. „Innſtetten,
das iſt nicht möglich.“

„Es iſt mehr als möglich, es iſt gewiß. Leſen
Sie.“

Wüllersdorf flog drüber hin. „Die ſind an
Ihre Frau gerichtet?“

„Ja. Ich fand ſie heut in ihrem Nähtiſch.“

„Und wer hat ſie geſchrieben?“

„Major Crampas.“

„Alſo Dinge, die ſich abgeſpielt, als Sie noch
in Keſſin waren?“

Innſtetten nickte.

„Liegt alſo ſechs Jahre zurück oder noch ein
halb Jahr länger.“

„Ja.“

Wüllersdorf ſchwieg. Nach einer Weile ſagte
Innſtetten: „Es ſieht faſt ſo aus, Wüllersdorf, als

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0418" n="409"/><fw place="top" type="header">Effi Brie&#x017F;t<lb/></fw> zu verfügen. Aber eh' ich die Sache kenne, verzeihen<lb/>
Sie mir die naive Vorfrage: muß es &#x017F;ein? Wir<lb/>
&#x017F;ind doch über die Jahre weg, <hi rendition="#g">Sie</hi>, um die Pi&#x017F;tole<lb/>
in die Hand zu nehmen, und <hi rendition="#g">ich</hi>, um dabei mit¬<lb/>
zumachen. Inde&#x017F;&#x017F;en mißver&#x017F;tehen Sie mich nicht,<lb/>
alles dies &#x017F;oll kein &#x201E;nein&#x201C; &#x017F;ein. Wie könnte ich Ihnen<lb/>
etwas ab&#x017F;chlagen. Aber nun &#x017F;agen Sie, was i&#x017F;t es?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Es handelt &#x017F;ich um einen Galan meiner Frau,<lb/>
der zugleich mein Freund war oder doch beinah.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Wüllersdorf &#x017F;ah Inn&#x017F;tetten an. &#x201E;Inn&#x017F;tetten,<lb/>
das i&#x017F;t nicht möglich.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Es i&#x017F;t mehr als möglich, es i&#x017F;t gewiß. Le&#x017F;en<lb/>
Sie.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Wüllersdorf flog drüber hin. &#x201E;Die &#x017F;ind an<lb/>
Ihre Frau gerichtet?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ja. Ich fand &#x017F;ie heut in ihrem Nähti&#x017F;ch.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Und wer hat &#x017F;ie ge&#x017F;chrieben?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Major Crampas.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Al&#x017F;o Dinge, die &#x017F;ich abge&#x017F;pielt, als Sie noch<lb/>
in Ke&#x017F;&#x017F;in waren?&#x201C;</p><lb/>
        <p>Inn&#x017F;tetten nickte.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Liegt al&#x017F;o &#x017F;echs Jahre zurück oder noch ein<lb/>
halb Jahr länger.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ja.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Wüllersdorf &#x017F;chwieg. Nach einer Weile &#x017F;agte<lb/>
Inn&#x017F;tetten: &#x201E;Es &#x017F;ieht fa&#x017F;t &#x017F;o aus, Wüllersdorf, als<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[409/0418] Effi Brieſt zu verfügen. Aber eh' ich die Sache kenne, verzeihen Sie mir die naive Vorfrage: muß es ſein? Wir ſind doch über die Jahre weg, Sie, um die Piſtole in die Hand zu nehmen, und ich, um dabei mit¬ zumachen. Indeſſen mißverſtehen Sie mich nicht, alles dies ſoll kein „nein“ ſein. Wie könnte ich Ihnen etwas abſchlagen. Aber nun ſagen Sie, was iſt es?“ „Es handelt ſich um einen Galan meiner Frau, der zugleich mein Freund war oder doch beinah.“ Wüllersdorf ſah Innſtetten an. „Innſtetten, das iſt nicht möglich.“ „Es iſt mehr als möglich, es iſt gewiß. Leſen Sie.“ Wüllersdorf flog drüber hin. „Die ſind an Ihre Frau gerichtet?“ „Ja. Ich fand ſie heut in ihrem Nähtiſch.“ „Und wer hat ſie geſchrieben?“ „Major Crampas.“ „Alſo Dinge, die ſich abgeſpielt, als Sie noch in Keſſin waren?“ Innſtetten nickte. „Liegt alſo ſechs Jahre zurück oder noch ein halb Jahr länger.“ „Ja.“ Wüllersdorf ſchwieg. Nach einer Weile ſagte Innſtetten: „Es ſieht faſt ſo aus, Wüllersdorf, als

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/418
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 409. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/418>, abgerufen am 22.11.2024.