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Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

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Effi Briest

Noch einmal also: Beide Mädchen waren gleich¬
wertig in Annie's Augen. In diesen Tagen aber,
wo man sich auf die Rückkehr Effi's vorbereitete,
war Roswitha der Rivalin 'mal wieder um einen
Pas voraus, weil ihr, und zwar als etwas ihr Zu¬
ständiges, die ganze Begrüßungsangelegenheit zu¬
gefallen war. Diese Begrüßung zerfiel in zwei
Hauptteile: Guirlande mit Kranz und dann, ab¬
schließend, Gedichtvortrag. Kranz und Guirlande, --
nachdem man über "W." oder "E. J." eine
zeitlang geschwankt, -- hatte zuletzt keine sonder¬
lichen Schwierigkeiten gemacht ("W.", in Vergi߬
meinnicht geflochten, war bevorzugt worden), aber
desto größere Verlegenheit schien die Gedichtfrage
heraufbeschwören zu sollen und wäre vielleicht
ganz unbeglichen geblieben, wenn Roswitha nicht
den Mut gehabt hätte, den von einer Gerichts¬
sitzung heimkehrenden Landgerichtsrat auf der zweiten
Treppe zu stellen und ihm mit einem auf einen
"Vers" gerichteten Ansinnen mutig entgegenzu¬
treten. Gizicki, ein sehr gütiger Herr, hatte
sofort alles versprochen, und noch am selben
Spätnachmittage war seitens seiner Köchin der
gewünschte Vers und zwar folgenden Inhalts
abgegeben worden:

Effi Brieſt

Noch einmal alſo: Beide Mädchen waren gleich¬
wertig in Annie's Augen. In dieſen Tagen aber,
wo man ſich auf die Rückkehr Effi's vorbereitete,
war Roswitha der Rivalin 'mal wieder um einen
Pas voraus, weil ihr, und zwar als etwas ihr Zu¬
ſtändiges, die ganze Begrüßungsangelegenheit zu¬
gefallen war. Dieſe Begrüßung zerfiel in zwei
Hauptteile: Guirlande mit Kranz und dann, ab¬
ſchließend, Gedichtvortrag. Kranz und Guirlande, —
nachdem man über „W.“ oder „E. J.“ eine
zeitlang geſchwankt, — hatte zuletzt keine ſonder¬
lichen Schwierigkeiten gemacht („W.“, in Vergi߬
meinnicht geflochten, war bevorzugt worden), aber
deſto größere Verlegenheit ſchien die Gedichtfrage
heraufbeſchwören zu ſollen und wäre vielleicht
ganz unbeglichen geblieben, wenn Roswitha nicht
den Mut gehabt hätte, den von einer Gerichts¬
ſitzung heimkehrenden Landgerichtsrat auf der zweiten
Treppe zu ſtellen und ihm mit einem auf einen
„Vers“ gerichteten Anſinnen mutig entgegenzu¬
treten. Gizicki, ein ſehr gütiger Herr, hatte
ſofort alles verſprochen, und noch am ſelben
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[397/0406] Effi Brieſt Noch einmal alſo: Beide Mädchen waren gleich¬ wertig in Annie's Augen. In dieſen Tagen aber, wo man ſich auf die Rückkehr Effi's vorbereitete, war Roswitha der Rivalin 'mal wieder um einen Pas voraus, weil ihr, und zwar als etwas ihr Zu¬ ſtändiges, die ganze Begrüßungsangelegenheit zu¬ gefallen war. Dieſe Begrüßung zerfiel in zwei Hauptteile: Guirlande mit Kranz und dann, ab¬ ſchließend, Gedichtvortrag. Kranz und Guirlande, — nachdem man über „W.“ oder „E. J.“ eine zeitlang geſchwankt, — hatte zuletzt keine ſonder¬ lichen Schwierigkeiten gemacht („W.“, in Vergi߬ meinnicht geflochten, war bevorzugt worden), aber deſto größere Verlegenheit ſchien die Gedichtfrage heraufbeſchwören zu ſollen und wäre vielleicht ganz unbeglichen geblieben, wenn Roswitha nicht den Mut gehabt hätte, den von einer Gerichts¬ ſitzung heimkehrenden Landgerichtsrat auf der zweiten Treppe zu ſtellen und ihm mit einem auf einen „Vers“ gerichteten Anſinnen mutig entgegenzu¬ treten. Gizicki, ein ſehr gütiger Herr, hatte ſofort alles verſprochen, und noch am ſelben Spätnachmittage war ſeitens ſeiner Köchin der gewünſchte Vers und zwar folgenden Inhalts abgegeben worden:

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 397. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/406>, abgerufen am 22.11.2024.