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Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

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Effi Briest
was dann meistens Veranlassung wurde, kleinstädtische
Geschichten in Hülle und Fülle folgen zu lassen.
Auch Kessin mit Gieshübler und der Trippelli, mit
Oberförster Ring und Sidonie Grasenabb -- kam
dann wohl an die Reihe, wobei sich Innstetten, wenn
er guter Laune war, nicht leicht genug thun konnte.
"Ja," so hieß es dann wohl, "unser gutes Kessin!
Das muß ich zugeben, es war eigentlich reich an
Figuren, obenan Crampas, Major Crampas, ganz
Beau und halber Barbarossa, den meine Frau, ich
weiß nicht, soll ich sagen unbegreiflicher oder be¬
greiflicher Weise, stark in Affektion genommen hatte ..."
-- "Sagen wir begreiflicher Weise," warf Wüllers¬
dorf ein, "denn ich nehme an, daß er Ressourcen¬
vorstand war und Komödie spielte, Liebhaber oder
Bonvivants. Und vielleicht noch mehr, vielleicht war
er auch ein Tenor." Innstetten bestätigte das eine
wie das andere, und Effi suchte lachend darauf ein¬
zugehen, aber es gelang ihr nur mit Anstrengung,
und wenn dann die Gäste gingen und Innstetten
sich in sein Zimmer zurückzog, um noch einen Stoß
Akten abzuarbeiten, so fühlte sie sich immer aufs
neue von den alten Vorstellungen gequält, und es
war ihr zu Sinn, als ob ihr ein Schatten nachginge.

Solche Beängstigungen blieben ihr auch. Aber
sie kamen doch seltener und schwächer, was bei der

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Effi Brieſt
was dann meiſtens Veranlaſſung wurde, kleinſtädtiſche
Geſchichten in Hülle und Fülle folgen zu laſſen.
Auch Keſſin mit Gieshübler und der Trippelli, mit
Oberförſter Ring und Sidonie Graſenabb — kam
dann wohl an die Reihe, wobei ſich Innſtetten, wenn
er guter Laune war, nicht leicht genug thun konnte.
„Ja,“ ſo hieß es dann wohl, „unſer gutes Keſſin!
Das muß ich zugeben, es war eigentlich reich an
Figuren, obenan Crampas, Major Crampas, ganz
Beau und halber Barbaroſſa, den meine Frau, ich
weiß nicht, ſoll ich ſagen unbegreiflicher oder be¬
greiflicher Weiſe, ſtark in Affektion genommen hatte …“
— „Sagen wir begreiflicher Weiſe,“ warf Wüllers¬
dorf ein, „denn ich nehme an, daß er Reſſourcen¬
vorſtand war und Komödie ſpielte, Liebhaber oder
Bonvivants. Und vielleicht noch mehr, vielleicht war
er auch ein Tenor.“ Innſtetten beſtätigte das eine
wie das andere, und Effi ſuchte lachend darauf ein¬
zugehen, aber es gelang ihr nur mit Anſtrengung,
und wenn dann die Gäſte gingen und Innſtetten
ſich in ſein Zimmer zurückzog, um noch einen Stoß
Akten abzuarbeiten, ſo fühlte ſie ſich immer aufs
neue von den alten Vorſtellungen gequält, und es
war ihr zu Sinn, als ob ihr ein Schatten nachginge.

Solche Beängſtigungen blieben ihr auch. Aber
ſie kamen doch ſeltener und ſchwächer, was bei der

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[387/0396] Effi Brieſt was dann meiſtens Veranlaſſung wurde, kleinſtädtiſche Geſchichten in Hülle und Fülle folgen zu laſſen. Auch Keſſin mit Gieshübler und der Trippelli, mit Oberförſter Ring und Sidonie Graſenabb — kam dann wohl an die Reihe, wobei ſich Innſtetten, wenn er guter Laune war, nicht leicht genug thun konnte. „Ja,“ ſo hieß es dann wohl, „unſer gutes Keſſin! Das muß ich zugeben, es war eigentlich reich an Figuren, obenan Crampas, Major Crampas, ganz Beau und halber Barbaroſſa, den meine Frau, ich weiß nicht, ſoll ich ſagen unbegreiflicher oder be¬ greiflicher Weiſe, ſtark in Affektion genommen hatte …“ — „Sagen wir begreiflicher Weiſe,“ warf Wüllers¬ dorf ein, „denn ich nehme an, daß er Reſſourcen¬ vorſtand war und Komödie ſpielte, Liebhaber oder Bonvivants. Und vielleicht noch mehr, vielleicht war er auch ein Tenor.“ Innſtetten beſtätigte das eine wie das andere, und Effi ſuchte lachend darauf ein¬ zugehen, aber es gelang ihr nur mit Anſtrengung, und wenn dann die Gäſte gingen und Innſtetten ſich in ſein Zimmer zurückzog, um noch einen Stoß Akten abzuarbeiten, ſo fühlte ſie ſich immer aufs neue von den alten Vorſtellungen gequält, und es war ihr zu Sinn, als ob ihr ein Schatten nachginge. Solche Beängſtigungen blieben ihr auch. Aber ſie kamen doch ſeltener und ſchwächer, was bei der 25 *

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 387. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/396>, abgerufen am 02.06.2024.