Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.Effi Briest Schlag mit dem Fächer, begleitete diesen Schlag abermit einem so gnädigen Blick, daß er keine Veran¬ lassung hatte, den Ton zu ändern. Es waren himm¬ lische Tage für alle drei, nicht zum wenigsten für den Vetter, der so wundervoll zu chaperonnieren und kleine Differenzen immer rasch auszugleichen verstand. An solchen Meinungsverschiedenheiten zwischen Mutter und Tochter war nun, wie das so geht, all die Zeit über kein Mangel, aber sie traten glücklicherweise nie bei den zu machenden Einkäufen hervor. Ob man von einer Sache sechs oder drei Dutzend erstand, Effi war mit allem gleichmäßig einverstanden, und wenn dann auf dem Heimwege von dem Preise der eben eingekauften Gegenstände gesprochen wurde, so verwechselte sie regelmäßig die Zahlen. Frau von Briest, sonst so kritisch, auch ihrem eigenen geliebten Kinde gegenüber, nahm dies anscheinend mangelnde Interesse nicht nur von der leichten Seite, sondern erkannte sogar einen Vorzug darin. "Alle diese Dinge," so sagte sie sich, "be¬ deuten Effi nicht viel. Effi ist anspruchslos; sie lebt in ihren Vorstellungen und Träumen, und wenn die Prinzessin Friedrich Karl vorüberfährt und sie von ihrem Wagen aus freundlich grüßt, so gilt ihr das mehr als eine ganze Truhe voll Weißzeug." Das alles war auch richtig, aber doch nur halb. Effi Brieſt Schlag mit dem Fächer, begleitete dieſen Schlag abermit einem ſo gnädigen Blick, daß er keine Veran¬ laſſung hatte, den Ton zu ändern. Es waren himm¬ liſche Tage für alle drei, nicht zum wenigſten für den Vetter, der ſo wundervoll zu chaperonnieren und kleine Differenzen immer raſch auszugleichen verſtand. An ſolchen Meinungsverſchiedenheiten zwiſchen Mutter und Tochter war nun, wie das ſo geht, all die Zeit über kein Mangel, aber ſie traten glücklicherweiſe nie bei den zu machenden Einkäufen hervor. Ob man von einer Sache ſechs oder drei Dutzend erſtand, Effi war mit allem gleichmäßig einverſtanden, und wenn dann auf dem Heimwege von dem Preiſe der eben eingekauften Gegenſtände geſprochen wurde, ſo verwechſelte ſie regelmäßig die Zahlen. Frau von Brieſt, ſonſt ſo kritiſch, auch ihrem eigenen geliebten Kinde gegenüber, nahm dies anſcheinend mangelnde Intereſſe nicht nur von der leichten Seite, ſondern erkannte ſogar einen Vorzug darin. „Alle dieſe Dinge,“ ſo ſagte ſie ſich, „be¬ deuten Effi nicht viel. Effi iſt anſpruchslos; ſie lebt in ihren Vorſtellungen und Träumen, und wenn die Prinzeſſin Friedrich Karl vorüberfährt und ſie von ihrem Wagen aus freundlich grüßt, ſo gilt ihr das mehr als eine ganze Truhe voll Weißzeug.“ Das alles war auch richtig, aber doch nur halb. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0039" n="30"/><fw place="top" type="header">Effi Brieſt<lb/></fw> Schlag mit dem Fächer, begleitete dieſen Schlag aber<lb/> mit einem ſo gnädigen Blick, daß er keine Veran¬<lb/> laſſung hatte, den Ton zu ändern. Es waren himm¬<lb/> liſche Tage für alle drei, nicht zum wenigſten für<lb/> den Vetter, der ſo wundervoll zu chaperonnieren<lb/> und kleine Differenzen immer raſch auszugleichen<lb/> verſtand. An ſolchen Meinungsverſchiedenheiten<lb/> zwiſchen Mutter und Tochter war nun, wie das ſo<lb/> geht, all die Zeit über kein Mangel, aber ſie traten<lb/> glücklicherweiſe nie bei den zu machenden Einkäufen<lb/> hervor. Ob man von einer Sache ſechs oder drei<lb/> Dutzend erſtand, Effi war mit allem gleichmäßig<lb/> einverſtanden, und wenn dann auf dem Heimwege<lb/> von dem Preiſe der eben eingekauften Gegenſtände<lb/> geſprochen wurde, ſo verwechſelte ſie regelmäßig die<lb/> Zahlen. Frau von Brieſt, ſonſt ſo kritiſch, auch<lb/> ihrem eigenen geliebten Kinde gegenüber, nahm dies<lb/> anſcheinend mangelnde Intereſſe nicht nur von der<lb/> leichten Seite, ſondern erkannte ſogar einen Vorzug<lb/> darin. „Alle dieſe Dinge,“ ſo ſagte ſie ſich, „be¬<lb/> deuten Effi nicht viel. Effi iſt anſpruchslos; ſie<lb/> lebt in ihren Vorſtellungen und Träumen, und wenn<lb/> die Prinzeſſin Friedrich Karl vorüberfährt und ſie<lb/> von ihrem Wagen aus freundlich grüßt, ſo gilt ihr<lb/> das mehr als eine ganze Truhe voll Weißzeug.“</p><lb/> <p>Das alles war auch richtig, aber doch nur halb.<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [30/0039]
Effi Brieſt
Schlag mit dem Fächer, begleitete dieſen Schlag aber
mit einem ſo gnädigen Blick, daß er keine Veran¬
laſſung hatte, den Ton zu ändern. Es waren himm¬
liſche Tage für alle drei, nicht zum wenigſten für
den Vetter, der ſo wundervoll zu chaperonnieren
und kleine Differenzen immer raſch auszugleichen
verſtand. An ſolchen Meinungsverſchiedenheiten
zwiſchen Mutter und Tochter war nun, wie das ſo
geht, all die Zeit über kein Mangel, aber ſie traten
glücklicherweiſe nie bei den zu machenden Einkäufen
hervor. Ob man von einer Sache ſechs oder drei
Dutzend erſtand, Effi war mit allem gleichmäßig
einverſtanden, und wenn dann auf dem Heimwege
von dem Preiſe der eben eingekauften Gegenſtände
geſprochen wurde, ſo verwechſelte ſie regelmäßig die
Zahlen. Frau von Brieſt, ſonſt ſo kritiſch, auch
ihrem eigenen geliebten Kinde gegenüber, nahm dies
anſcheinend mangelnde Intereſſe nicht nur von der
leichten Seite, ſondern erkannte ſogar einen Vorzug
darin. „Alle dieſe Dinge,“ ſo ſagte ſie ſich, „be¬
deuten Effi nicht viel. Effi iſt anſpruchslos; ſie
lebt in ihren Vorſtellungen und Träumen, und wenn
die Prinzeſſin Friedrich Karl vorüberfährt und ſie
von ihrem Wagen aus freundlich grüßt, ſo gilt ihr
das mehr als eine ganze Truhe voll Weißzeug.“
Das alles war auch richtig, aber doch nur halb.
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