Das Gespräch, das meist zurückliegende Verhält¬ nisse berührte, spann sich noch eine Weile weiter, und Effi erfuhr zuletzt aus diesem und jenem, was Innstetten mitteilte, daß sich von dem ganzen Kessiner Hausstande nur Johanna bereit erklärt habe, die Übersiedelung nach Berlin mitzumachen. Sie sei natürlich noch zurückgeblieben, werde aber in zwei, drei Tagen mit dem Rest der Sachen eintreffen; er sei froh über ihren Entschluß, denn sie sei immer die brauchbarste gewesen und von einem ausgesprochenen großstädtischen Chic. Vielleicht ein bißchen zu sehr. Kristel und Friedrich hätten sich beide für zu alt erklärt, und mit Kruse zu verhandeln, habe sich von vorn herein verboten. "Was soll uns ein Kutscher hier?" schloß Innstetten, "Pferd und Wagen, das sind tempi passati, mit diesem Luxus ist es in Berlin vorbei. Nicht einmal das schwarze Huhn hätten wir unterbringen können. Oder unterschätz' ich die Wohnung?"
Effi schüttelte den Kopf, und als eine kleine Pause eintrat, erhob sich die Mama; es sei bald elf, und sie habe noch einen weiten Weg, übrigens solle sie niemand begleiten, der Droschkenstand sei ja nah -- ein Ansinnen, das Vetter Briest natürlich ab¬ lehnte. Bald darauf trennte man sich, nachdem noch Rendez-vous für den andern Vormittag verabredet war.
Effi Brieſt
Das Geſpräch, das meiſt zurückliegende Verhält¬ niſſe berührte, ſpann ſich noch eine Weile weiter, und Effi erfuhr zuletzt aus dieſem und jenem, was Innſtetten mitteilte, daß ſich von dem ganzen Keſſiner Hausſtande nur Johanna bereit erklärt habe, die Überſiedelung nach Berlin mitzumachen. Sie ſei natürlich noch zurückgeblieben, werde aber in zwei, drei Tagen mit dem Reſt der Sachen eintreffen; er ſei froh über ihren Entſchluß, denn ſie ſei immer die brauchbarſte geweſen und von einem ausgeſprochenen großſtädtiſchen Chic. Vielleicht ein bißchen zu ſehr. Kriſtel und Friedrich hätten ſich beide für zu alt erklärt, und mit Kruſe zu verhandeln, habe ſich von vorn herein verboten. „Was ſoll uns ein Kutſcher hier?“ ſchloß Innſtetten, „Pferd und Wagen, das ſind tempi passati, mit dieſem Luxus iſt es in Berlin vorbei. Nicht einmal das ſchwarze Huhn hätten wir unterbringen können. Oder unterſchätz' ich die Wohnung?“
Effi ſchüttelte den Kopf, und als eine kleine Pauſe eintrat, erhob ſich die Mama; es ſei bald elf, und ſie habe noch einen weiten Weg, übrigens ſolle ſie niemand begleiten, der Droſchkenſtand ſei ja nah — ein Anſinnen, das Vetter Brieſt natürlich ab¬ lehnte. Bald darauf trennte man ſich, nachdem noch Rendez-vous für den andern Vormittag verabredet war.
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Effi Brieſt
Das Geſpräch, das meiſt zurückliegende Verhält¬
niſſe berührte, ſpann ſich noch eine Weile weiter,
und Effi erfuhr zuletzt aus dieſem und jenem, was
Innſtetten mitteilte, daß ſich von dem ganzen Keſſiner
Hausſtande nur Johanna bereit erklärt habe, die
Überſiedelung nach Berlin mitzumachen. Sie ſei
natürlich noch zurückgeblieben, werde aber in zwei,
drei Tagen mit dem Reſt der Sachen eintreffen; er
ſei froh über ihren Entſchluß, denn ſie ſei immer die
brauchbarſte geweſen und von einem ausgeſprochenen
großſtädtiſchen Chic. Vielleicht ein bißchen zu ſehr.
Kriſtel und Friedrich hätten ſich beide für zu alt
erklärt, und mit Kruſe zu verhandeln, habe ſich von
vorn herein verboten. „Was ſoll uns ein Kutſcher
hier?“ ſchloß Innſtetten, „Pferd und Wagen, das
ſind tempi passati, mit dieſem Luxus iſt es in
Berlin vorbei. Nicht einmal das ſchwarze Huhn
hätten wir unterbringen können. Oder unterſchätz'
ich die Wohnung?“
Effi ſchüttelte den Kopf, und als eine kleine
Pauſe eintrat, erhob ſich die Mama; es ſei bald elf,
und ſie habe noch einen weiten Weg, übrigens ſolle
ſie niemand begleiten, der Droſchkenſtand ſei ja nah
— ein Anſinnen, das Vetter Brieſt natürlich ab¬
lehnte. Bald darauf trennte man ſich, nachdem noch
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Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 357. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/366>, abgerufen am 22.11.2024.
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