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Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

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Effi Briest
Lande schicke ich Karten; Güldenklee's, wie Du mir
schreibst, sind in Italien (was sie da wollen, weiß
ich nicht), und so bleiben nur die drei andern.
Entschuldige mich, so gut es geht. Du bist ja der
Mann der Formen und weißt das richtige Wort zu
treffen. An Frau von Padden, die mir am Sylvester¬
abend so außerordentlich gut gefiel, schreibe ich viel¬
leicht selber noch und spreche ihr mein Bedauern
aus. Laß mich in einem Telegramm wissen, ob Du
mit allem einverstanden bist. Wie immer Deine Effi."

Effi brachte selber den Brief zur Post, als ob
sie dadurch die Antwort beschleunigen könne, und
am nächsten Vormittage traf denn auch das erbetene
Telegramm von Innstetten ein: "Einverstanden mit
allem." Ihr Herz jubelte, sie eilte hinunter und auf
den nächsten Droschkenstand zu. "Keithstraße 1 c."
Und erst die Linden und dann die Tiergartenstraße
hinunter flog die Droschke, und nun hielt sie vor
der neuen Wohnung.

Oben standen die den Tag vorher eingetroffenen
Sachen noch bunt durcheinander, aber es störte sie
nicht, und als sie auf den breiten aufgemauerten
Balkon hinaustrat, lag jenseits der Kanalbrücke der
Tiergarten vor ihr, dessen Bäume schon überall einen
grünen Schimmer zeigten. Darüber aber ein klarer
blauer Himmel und eine lachende Sonne.

Effi Brieſt
Lande ſchicke ich Karten; Güldenklee's, wie Du mir
ſchreibſt, ſind in Italien (was ſie da wollen, weiß
ich nicht), und ſo bleiben nur die drei andern.
Entſchuldige mich, ſo gut es geht. Du biſt ja der
Mann der Formen und weißt das richtige Wort zu
treffen. An Frau von Padden, die mir am Sylveſter¬
abend ſo außerordentlich gut gefiel, ſchreibe ich viel¬
leicht ſelber noch und ſpreche ihr mein Bedauern
aus. Laß mich in einem Telegramm wiſſen, ob Du
mit allem einverſtanden biſt. Wie immer Deine Effi.“

Effi brachte ſelber den Brief zur Poſt, als ob
ſie dadurch die Antwort beſchleunigen könne, und
am nächſten Vormittage traf denn auch das erbetene
Telegramm von Innſtetten ein: „Einverſtanden mit
allem.“ Ihr Herz jubelte, ſie eilte hinunter und auf
den nächſten Droſchkenſtand zu. „Keithſtraße 1 c.“
Und erſt die Linden und dann die Tiergartenſtraße
hinunter flog die Droſchke, und nun hielt ſie vor
der neuen Wohnung.

Oben ſtanden die den Tag vorher eingetroffenen
Sachen noch bunt durcheinander, aber es ſtörte ſie
nicht, und als ſie auf den breiten aufgemauerten
Balkon hinaustrat, lag jenſeits der Kanalbrücke der
Tiergarten vor ihr, deſſen Bäume ſchon überall einen
grünen Schimmer zeigten. Darüber aber ein klarer
blauer Himmel und eine lachende Sonne.

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[352/0361] Effi Brieſt Lande ſchicke ich Karten; Güldenklee's, wie Du mir ſchreibſt, ſind in Italien (was ſie da wollen, weiß ich nicht), und ſo bleiben nur die drei andern. Entſchuldige mich, ſo gut es geht. Du biſt ja der Mann der Formen und weißt das richtige Wort zu treffen. An Frau von Padden, die mir am Sylveſter¬ abend ſo außerordentlich gut gefiel, ſchreibe ich viel¬ leicht ſelber noch und ſpreche ihr mein Bedauern aus. Laß mich in einem Telegramm wiſſen, ob Du mit allem einverſtanden biſt. Wie immer Deine Effi.“ Effi brachte ſelber den Brief zur Poſt, als ob ſie dadurch die Antwort beſchleunigen könne, und am nächſten Vormittage traf denn auch das erbetene Telegramm von Innſtetten ein: „Einverſtanden mit allem.“ Ihr Herz jubelte, ſie eilte hinunter und auf den nächſten Droſchkenſtand zu. „Keithſtraße 1 c.“ Und erſt die Linden und dann die Tiergartenſtraße hinunter flog die Droſchke, und nun hielt ſie vor der neuen Wohnung. Oben ſtanden die den Tag vorher eingetroffenen Sachen noch bunt durcheinander, aber es ſtörte ſie nicht, und als ſie auf den breiten aufgemauerten Balkon hinaustrat, lag jenſeits der Kanalbrücke der Tiergarten vor ihr, deſſen Bäume ſchon überall einen grünen Schimmer zeigten. Darüber aber ein klarer blauer Himmel und eine lachende Sonne.

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 352. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/361>, abgerufen am 22.11.2024.