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Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

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Effi Briest
freundlich in die Augen und verabschiedete sich unter
Empfehlungen an die Mama.

Kaum daß er fort war, so setzte sich Effi an
den Schreibtisch und schrieb: "Lieber Innstetten!
Eben war Rummschüttel hier und hat mich aus der
Kur entlassen. Ich könnte nun reisen, morgen etwa;
aber heut' ist schon der 24., und am 28. willst Du
hier eintreffen. Angegriffen bin ich ohnehin noch.
Ich denke, Du wirst einverstanden sein, wenn ich
die Reise ganz aufgebe. Die Sachen sind ja ohnehin
schon unterwegs, und wir würden, wenn ich käme,
in Hoppensack's Hotel wie Fremde leben müssen.
Auch der Kostenpunkt ist in Betracht zu ziehen, die
Ausgaben werden sich ohnehin häufen; unter anderem
ist Rummschüttel zu honorieren, wenn er uns auch
als Arzt verbleibt. Übrigens ein sehr liebenswürdiger
alter Herr. Er gilt ärztlich nicht für ersten Ranges,
,Damendoktor' sagen seine Gegner und Neider. Aber
dies Wort umschließt doch auch ein Lob; es kann
eben nicht jeder mit uns umgehen. Daß ich von
den Kessinern nicht persönlich Abschied nehme, hat
nicht viel auf sich. Bei Gieshübler war ich. Die
Frau Majorin hat sich immer ablehnend gegen mich
verhalten, ablehnend bis zur Unart; bleibt nur noch
der Pastor und Dr. Hannemann und Crampas.
Empfiehl mich letzterem. An die Familien auf dem

Effi Brieſt
freundlich in die Augen und verabſchiedete ſich unter
Empfehlungen an die Mama.

Kaum daß er fort war, ſo ſetzte ſich Effi an
den Schreibtiſch und ſchrieb: „Lieber Innſtetten!
Eben war Rummſchüttel hier und hat mich aus der
Kur entlaſſen. Ich könnte nun reiſen, morgen etwa;
aber heut' iſt ſchon der 24., und am 28. willſt Du
hier eintreffen. Angegriffen bin ich ohnehin noch.
Ich denke, Du wirſt einverſtanden ſein, wenn ich
die Reiſe ganz aufgebe. Die Sachen ſind ja ohnehin
ſchon unterwegs, und wir würden, wenn ich käme,
in Hoppenſack's Hotel wie Fremde leben müſſen.
Auch der Koſtenpunkt iſt in Betracht zu ziehen, die
Ausgaben werden ſich ohnehin häufen; unter anderem
iſt Rummſchüttel zu honorieren, wenn er uns auch
als Arzt verbleibt. Übrigens ein ſehr liebenswürdiger
alter Herr. Er gilt ärztlich nicht für erſten Ranges,
‚Damendoktor‘ ſagen ſeine Gegner und Neider. Aber
dies Wort umſchließt doch auch ein Lob; es kann
eben nicht jeder mit uns umgehen. Daß ich von
den Keſſinern nicht perſönlich Abſchied nehme, hat
nicht viel auf ſich. Bei Gieshübler war ich. Die
Frau Majorin hat ſich immer ablehnend gegen mich
verhalten, ablehnend bis zur Unart; bleibt nur noch
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Empfiehl mich letzterem. An die Familien auf dem

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[351/0360] Effi Brieſt freundlich in die Augen und verabſchiedete ſich unter Empfehlungen an die Mama. Kaum daß er fort war, ſo ſetzte ſich Effi an den Schreibtiſch und ſchrieb: „Lieber Innſtetten! Eben war Rummſchüttel hier und hat mich aus der Kur entlaſſen. Ich könnte nun reiſen, morgen etwa; aber heut' iſt ſchon der 24., und am 28. willſt Du hier eintreffen. Angegriffen bin ich ohnehin noch. Ich denke, Du wirſt einverſtanden ſein, wenn ich die Reiſe ganz aufgebe. Die Sachen ſind ja ohnehin ſchon unterwegs, und wir würden, wenn ich käme, in Hoppenſack's Hotel wie Fremde leben müſſen. Auch der Koſtenpunkt iſt in Betracht zu ziehen, die Ausgaben werden ſich ohnehin häufen; unter anderem iſt Rummſchüttel zu honorieren, wenn er uns auch als Arzt verbleibt. Übrigens ein ſehr liebenswürdiger alter Herr. Er gilt ärztlich nicht für erſten Ranges, ‚Damendoktor‘ ſagen ſeine Gegner und Neider. Aber dies Wort umſchließt doch auch ein Lob; es kann eben nicht jeder mit uns umgehen. Daß ich von den Keſſinern nicht perſönlich Abſchied nehme, hat nicht viel auf ſich. Bei Gieshübler war ich. Die Frau Majorin hat ſich immer ablehnend gegen mich verhalten, ablehnend bis zur Unart; bleibt nur noch der Paſtor und Dr. Hannemann und Crampas. Empfiehl mich letzterem. An die Familien auf dem

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 351. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/360>, abgerufen am 25.11.2024.