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Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

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Effi Briest
Stock hohes Gebäude, von dessen Giebeldach eine
gelbe Flagge, mit Kreuz und Krone darin, schlaff
in der stillen, etwas nebeligen Luft hernieder hing.
Effi sah eine Weile nach der Flagge hinauf, ließ
dann aber ihr Auge wieder abwärts gleiten und
verweilte zuletzt auf einer Anzahl von Personen, die
neugierig am Bollwerk umher standen. In diesem
Augenblicke wurde geläutet. Effi war ganz eigen zu
Mut, das Schiff setzte sich langsam in Bewegung,
und als sie die Landungsbrücke noch einmal musterte,
sah sie, daß Crampas in vorderster Reihe stand. Sie
erschrak bei seinem Anblick und freute sich doch auch.
Er seinerseits, in seiner ganzen Haltung verändert,
war sichtlich bewegt und grüßte ernst zu ihr hinüber,
ein Gruß, den sie ebenso, aber doch zugleich in
großer Freundlichkeit, erwiderte; dabei lag etwas
Bittendes in ihrem Auge. Dann ging sie rasch auf
die Kajüte zu, wo sich Roswitha mit Annie schon
eingerichtet hatte. Hier, in dem etwas stickigen Raume
blieb sie, bis man aus dem Fluß in die weite
Bucht des Breitling eingefahren war; da kam Inn¬
stetten und rief sie nach oben, daß sie sich an dem
herrlichen Anblick erfreue, den die Landschaft gerade
an dieser Stelle bot. Sie ging dann auch hinauf.
Über dem Wasserspiegel hingen graue Wolken, und
nur dann und wann schoß ein halb umschleierter

Effi Brieſt
Stock hohes Gebäude, von deſſen Giebeldach eine
gelbe Flagge, mit Kreuz und Krone darin, ſchlaff
in der ſtillen, etwas nebeligen Luft hernieder hing.
Effi ſah eine Weile nach der Flagge hinauf, ließ
dann aber ihr Auge wieder abwärts gleiten und
verweilte zuletzt auf einer Anzahl von Perſonen, die
neugierig am Bollwerk umher ſtanden. In dieſem
Augenblicke wurde geläutet. Effi war ganz eigen zu
Mut, das Schiff ſetzte ſich langſam in Bewegung,
und als ſie die Landungsbrücke noch einmal muſterte,
ſah ſie, daß Crampas in vorderſter Reihe ſtand. Sie
erſchrak bei ſeinem Anblick und freute ſich doch auch.
Er ſeinerſeits, in ſeiner ganzen Haltung verändert,
war ſichtlich bewegt und grüßte ernſt zu ihr hinüber,
ein Gruß, den ſie ebenſo, aber doch zugleich in
großer Freundlichkeit, erwiderte; dabei lag etwas
Bittendes in ihrem Auge. Dann ging ſie raſch auf
die Kajüte zu, wo ſich Roswitha mit Annie ſchon
eingerichtet hatte. Hier, in dem etwas ſtickigen Raume
blieb ſie, bis man aus dem Fluß in die weite
Bucht des Breitling eingefahren war; da kam Inn¬
ſtetten und rief ſie nach oben, daß ſie ſich an dem
herrlichen Anblick erfreue, den die Landſchaft gerade
an dieſer Stelle bot. Sie ging dann auch hinauf.
Über dem Waſſerſpiegel hingen graue Wolken, und
nur dann und wann ſchoß ein halb umſchleierter

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[332/0341] Effi Brieſt Stock hohes Gebäude, von deſſen Giebeldach eine gelbe Flagge, mit Kreuz und Krone darin, ſchlaff in der ſtillen, etwas nebeligen Luft hernieder hing. Effi ſah eine Weile nach der Flagge hinauf, ließ dann aber ihr Auge wieder abwärts gleiten und verweilte zuletzt auf einer Anzahl von Perſonen, die neugierig am Bollwerk umher ſtanden. In dieſem Augenblicke wurde geläutet. Effi war ganz eigen zu Mut, das Schiff ſetzte ſich langſam in Bewegung, und als ſie die Landungsbrücke noch einmal muſterte, ſah ſie, daß Crampas in vorderſter Reihe ſtand. Sie erſchrak bei ſeinem Anblick und freute ſich doch auch. Er ſeinerſeits, in ſeiner ganzen Haltung verändert, war ſichtlich bewegt und grüßte ernſt zu ihr hinüber, ein Gruß, den ſie ebenſo, aber doch zugleich in großer Freundlichkeit, erwiderte; dabei lag etwas Bittendes in ihrem Auge. Dann ging ſie raſch auf die Kajüte zu, wo ſich Roswitha mit Annie ſchon eingerichtet hatte. Hier, in dem etwas ſtickigen Raume blieb ſie, bis man aus dem Fluß in die weite Bucht des Breitling eingefahren war; da kam Inn¬ ſtetten und rief ſie nach oben, daß ſie ſich an dem herrlichen Anblick erfreue, den die Landſchaft gerade an dieſer Stelle bot. Sie ging dann auch hinauf. Über dem Waſſerſpiegel hingen graue Wolken, und nur dann und wann ſchoß ein halb umſchleierter

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 332. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/341>, abgerufen am 24.11.2024.