Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

Bild:
<< vorherige Seite
Effi Briest

"Siehst Du, Roswitha, siehst Du."

"Aber wenn es 'mal wieder so über mich käme,
mit dem Kruse, das is ja nichts, und ich könnte
nicht mehr anders, da lief ich gleich ins Wasser.
Es war zu schrecklich. Alles. Und was nur aus
dem armen Wurm geworden is? Ich glaube nicht,
daß es noch lebt; sie haben es umkommen lassen,
aber ich bin doch schuld." Und sie warf sich vor
Annie's Wiege nieder und wiegte das Kind hin und
her und sang in einem fort ihr ,Buhküken von
Halberstadt'.

"Laß," sagte Effi. "Singe nicht mehr; ich habe
Kopfweh. Aber bringe mir die Zeitungen. Oder
hat Gieshübler vielleicht die Journale geschickt?"

"Das hat er. Und die Modezeitung lag oben
auf. Da haben wir drin geblättert, ich und Johanna
eh' sie 'rüber ging. Johanna ärgert sich immer,
daß sie so 'was nicht haben kann. Soll ich die
Modezeitung bringen?"

"Ja, die bringe und bring' auch die Lampe."

Roswitha ging, und Effi, als sie allein war,
sagte: "Womit man sich nicht alles hilft? Eine
hübsche Dame mit einem Muff und eine mit einem
Halbschleier; Modepuppen. Aber es ist das beste,
mich auf andre Gedanken zu bringen."


Effi Brieſt

„Siehſt Du, Roswitha, ſiehſt Du.“

„Aber wenn es 'mal wieder ſo über mich käme,
mit dem Kruſe, das is ja nichts, und ich könnte
nicht mehr anders, da lief ich gleich ins Waſſer.
Es war zu ſchrecklich. Alles. Und was nur aus
dem armen Wurm geworden is? Ich glaube nicht,
daß es noch lebt; ſie haben es umkommen laſſen,
aber ich bin doch ſchuld.“ Und ſie warf ſich vor
Annie's Wiege nieder und wiegte das Kind hin und
her und ſang in einem fort ihr ,Buhküken von
Halberſtadt'.

„Laß,“ ſagte Effi. „Singe nicht mehr; ich habe
Kopfweh. Aber bringe mir die Zeitungen. Oder
hat Gieshübler vielleicht die Journale geſchickt?“

„Das hat er. Und die Modezeitung lag oben
auf. Da haben wir drin geblättert, ich und Johanna
eh' ſie 'rüber ging. Johanna ärgert ſich immer,
daß ſie ſo 'was nicht haben kann. Soll ich die
Modezeitung bringen?“

„Ja, die bringe und bring' auch die Lampe.“

Roswitha ging, und Effi, als ſie allein war,
ſagte: „Womit man ſich nicht alles hilft? Eine
hübſche Dame mit einem Muff und eine mit einem
Halbſchleier; Modepuppen. Aber es iſt das beſte,
mich auf andre Gedanken zu bringen.“


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0319" n="310"/>
        <fw place="top" type="header">Effi Brie&#x017F;t<lb/></fw>
        <p>&#x201E;Sieh&#x017F;t Du, Roswitha, &#x017F;ieh&#x017F;t Du.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Aber wenn es 'mal wieder &#x017F;o über mich käme,<lb/>
mit dem Kru&#x017F;e, das is ja nichts, und ich könnte<lb/>
nicht mehr anders, da lief ich gleich ins Wa&#x017F;&#x017F;er.<lb/>
Es war zu &#x017F;chrecklich. Alles. Und was nur aus<lb/>
dem armen Wurm geworden is? Ich glaube nicht,<lb/>
daß es noch lebt; &#x017F;ie haben es umkommen la&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
aber ich bin doch &#x017F;chuld.&#x201C; Und &#x017F;ie warf &#x017F;ich vor<lb/>
Annie's Wiege nieder und wiegte das Kind hin und<lb/>
her und &#x017F;ang in einem fort ihr ,Buhküken von<lb/>
Halber&#x017F;tadt'.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Laß,&#x201C; &#x017F;agte Effi. &#x201E;Singe nicht mehr; ich habe<lb/>
Kopfweh. Aber bringe mir die Zeitungen. Oder<lb/>
hat Gieshübler vielleicht die Journale ge&#x017F;chickt?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Das hat er. Und die Modezeitung lag oben<lb/>
auf. Da haben wir drin geblättert, ich und Johanna<lb/>
eh' &#x017F;ie 'rüber ging. Johanna ärgert &#x017F;ich immer,<lb/>
daß &#x017F;ie &#x017F;o 'was nicht haben kann. Soll ich die<lb/>
Modezeitung bringen?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ja, die bringe und bring' auch die Lampe.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Roswitha ging, und Effi, als &#x017F;ie allein war,<lb/>
&#x017F;agte: &#x201E;Womit man &#x017F;ich nicht alles hilft? Eine<lb/>
hüb&#x017F;che Dame mit einem Muff und eine mit einem<lb/>
Halb&#x017F;chleier; Modepuppen. Aber es i&#x017F;t das be&#x017F;te,<lb/>
mich auf andre Gedanken zu bringen.&#x201C;</p><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[310/0319] Effi Brieſt „Siehſt Du, Roswitha, ſiehſt Du.“ „Aber wenn es 'mal wieder ſo über mich käme, mit dem Kruſe, das is ja nichts, und ich könnte nicht mehr anders, da lief ich gleich ins Waſſer. Es war zu ſchrecklich. Alles. Und was nur aus dem armen Wurm geworden is? Ich glaube nicht, daß es noch lebt; ſie haben es umkommen laſſen, aber ich bin doch ſchuld.“ Und ſie warf ſich vor Annie's Wiege nieder und wiegte das Kind hin und her und ſang in einem fort ihr ,Buhküken von Halberſtadt'. „Laß,“ ſagte Effi. „Singe nicht mehr; ich habe Kopfweh. Aber bringe mir die Zeitungen. Oder hat Gieshübler vielleicht die Journale geſchickt?“ „Das hat er. Und die Modezeitung lag oben auf. Da haben wir drin geblättert, ich und Johanna eh' ſie 'rüber ging. Johanna ärgert ſich immer, daß ſie ſo 'was nicht haben kann. Soll ich die Modezeitung bringen?“ „Ja, die bringe und bring' auch die Lampe.“ Roswitha ging, und Effi, als ſie allein war, ſagte: „Womit man ſich nicht alles hilft? Eine hübſche Dame mit einem Muff und eine mit einem Halbſchleier; Modepuppen. Aber es iſt das beſte, mich auf andre Gedanken zu bringen.“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/319
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 310. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/319>, abgerufen am 26.11.2024.