empört. "Was Du nur sprichst! Ich bin ja doch eine verheiratete Frau. So 'was darfst Du nicht sagen, das ist ungehörig, das paßt sich nicht."
"Ach, gnädigste Frau ..."
"Erzähle mir lieber, was aus Dir wurde. Das Kind hatten sie Dir genommen. So weit warst Du ..."
"Und dann, nach ein paar Tagen, da kam wer aus Erfurt, der fuhr bei dem Schulzen vor und fragte, ,ob da nicht eine Amme sei'. Da sagte der Schulze ,ja.' Gott lohne es ihm, und der fremde Herr nahm mich gleich mit, und von da an hab' ich bess're Tage gehabt; selbst bei der Registratorin war es doch immer noch zum Aushalten, und zuletzt bin ich zu Ihnen gekommen, gnädige Frau. Und das war das beste, das allerbeste." Und als sie das sagte, trat sie an das Sofa heran und küßte Effi die Hand.
"Roswitha, Du mußt mir nicht immer die Hand küssen, ich mag das nicht. Und nimm Dich nur in acht mit dem Kruse. Du bist doch sonst eine so gute und verständige Person ... Mit einem Ehe¬ manne ... das thut nie gut."
"Ach, gnäd'ge Frau, Gott und seine Heiligen führen uns wunderbar, und das Unglück, das uns trifft, das hat doch auch sein Glück. Und wen es nicht bessert, dem is nich' zu helfen ... Ich kann eigentlich die Mannsleute gut leiden ..."
Effi Brieſt
empört. „Was Du nur ſprichſt! Ich bin ja doch eine verheiratete Frau. So 'was darfſt Du nicht ſagen, das iſt ungehörig, das paßt ſich nicht.“
„Ach, gnädigſte Frau …“
„Erzähle mir lieber, was aus Dir wurde. Das Kind hatten ſie Dir genommen. So weit warſt Du …“
„Und dann, nach ein paar Tagen, da kam wer aus Erfurt, der fuhr bei dem Schulzen vor und fragte, ,ob da nicht eine Amme ſei‘. Da ſagte der Schulze ,ja.‘ Gott lohne es ihm, und der fremde Herr nahm mich gleich mit, und von da an hab' ich beſſ're Tage gehabt; ſelbſt bei der Regiſtratorin war es doch immer noch zum Aushalten, und zuletzt bin ich zu Ihnen gekommen, gnädige Frau. Und das war das beſte, das allerbeſte.“ Und als ſie das ſagte, trat ſie an das Sofa heran und küßte Effi die Hand.
„Roswitha, Du mußt mir nicht immer die Hand küſſen, ich mag das nicht. Und nimm Dich nur in acht mit dem Kruſe. Du biſt doch ſonſt eine ſo gute und verſtändige Perſon … Mit einem Ehe¬ manne … das thut nie gut.“
„Ach, gnäd'ge Frau, Gott und ſeine Heiligen führen uns wunderbar, und das Unglück, das uns trifft, das hat doch auch ſein Glück. Und wen es nicht beſſert, dem is nich' zu helfen … Ich kann eigentlich die Mannsleute gut leiden …“
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Effi Brieſt
empört. „Was Du nur ſprichſt! Ich bin ja doch
eine verheiratete Frau. So 'was darfſt Du nicht
ſagen, das iſt ungehörig, das paßt ſich nicht.“
„Ach, gnädigſte Frau …“
„Erzähle mir lieber, was aus Dir wurde. Das
Kind hatten ſie Dir genommen. So weit warſt Du …“
„Und dann, nach ein paar Tagen, da kam wer
aus Erfurt, der fuhr bei dem Schulzen vor und
fragte, ,ob da nicht eine Amme ſei‘. Da ſagte der
Schulze ,ja.‘ Gott lohne es ihm, und der fremde
Herr nahm mich gleich mit, und von da an hab' ich
beſſ're Tage gehabt; ſelbſt bei der Regiſtratorin war
es doch immer noch zum Aushalten, und zuletzt bin ich
zu Ihnen gekommen, gnädige Frau. Und das war das
beſte, das allerbeſte.“ Und als ſie das ſagte, trat
ſie an das Sofa heran und küßte Effi die Hand.
„Roswitha, Du mußt mir nicht immer die Hand
küſſen, ich mag das nicht. Und nimm Dich nur in
acht mit dem Kruſe. Du biſt doch ſonſt eine ſo
gute und verſtändige Perſon … Mit einem Ehe¬
manne … das thut nie gut.“
„Ach, gnäd'ge Frau, Gott und ſeine Heiligen
führen uns wunderbar, und das Unglück, das uns
trifft, das hat doch auch ſein Glück. Und wen es
nicht beſſert, dem is nich' zu helfen … Ich kann
eigentlich die Mannsleute gut leiden …“
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Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 309. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/318>, abgerufen am 26.11.2024.
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