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Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

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Effi Briest

"Ja, sonderbar, Geert. Aber es beglückt mich
so, daß ich vor Freude nichts sagen kann. Wird es
denn auch sein? Werden sie denn auch kommen?"

"Damit hat's freilich noch gute Wege, ja, Gies¬
hübler meinte sogar, die Väter der Stadt, seine
Kollegen, verdienten es gar nicht. Statt einfach über
die Ehre, und wenn nicht über die Ehre, so doch
wenigstens über den Vorteil einig und glücklich zu
sein, wären sie mit allerlei ,Wenns' und ,Abers'
gekommen und hätten geknausert wegen der neuen
Bauten; ja, Pfefferküchler Michelsen habe sogar
gesagt, es verderbe die Sitten der Stadt, und wer
eine Tochter habe, der möge sich vorsehen und Gitter¬
fenster anschaffen."

"Es ist nicht zu glauben. Ich habe nie
manierlichere Leute gesehen als unsere Husaren;
wirklich, Geert. Nun, Du weißt es ja selbst. Und
nun will dieser Michelsen alles vergittern. Hat er
denn Töchter?"

"Gewiß; sogar drei. Aber sie sind sämtlich
hors concours."

Effi lachte so herzlich, wie sie seit lange nicht
mehr gelacht hatte. Doch es war von keiner Dauer,
und als Innstetten ging und sie allein ließ, setzte
sie sich an die Wiege des Kindes, und ihre Thränen
fielen auf die Kissen. Es brach wieder über sie

Effi Brieſt

„Ja, ſonderbar, Geert. Aber es beglückt mich
ſo, daß ich vor Freude nichts ſagen kann. Wird es
denn auch ſein? Werden ſie denn auch kommen?“

„Damit hat's freilich noch gute Wege, ja, Gies¬
hübler meinte ſogar, die Väter der Stadt, ſeine
Kollegen, verdienten es gar nicht. Statt einfach über
die Ehre, und wenn nicht über die Ehre, ſo doch
wenigſtens über den Vorteil einig und glücklich zu
ſein, wären ſie mit allerlei ‚Wenns‘ und ,Abers‘
gekommen und hätten geknauſert wegen der neuen
Bauten; ja, Pfefferküchler Michelſen habe ſogar
geſagt, es verderbe die Sitten der Stadt, und wer
eine Tochter habe, der möge ſich vorſehen und Gitter¬
fenſter anſchaffen.“

„Es iſt nicht zu glauben. Ich habe nie
manierlichere Leute geſehen als unſere Huſaren;
wirklich, Geert. Nun, Du weißt es ja ſelbſt. Und
nun will dieſer Michelſen alles vergittern. Hat er
denn Töchter?“

„Gewiß; ſogar drei. Aber ſie ſind ſämtlich
hors concours.“

Effi lachte ſo herzlich, wie ſie ſeit lange nicht
mehr gelacht hatte. Doch es war von keiner Dauer,
und als Innſtetten ging und ſie allein ließ, ſetzte
ſie ſich an die Wiege des Kindes, und ihre Thränen
fielen auf die Kiſſen. Es brach wieder über ſie

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[293/0302] Effi Brieſt „Ja, ſonderbar, Geert. Aber es beglückt mich ſo, daß ich vor Freude nichts ſagen kann. Wird es denn auch ſein? Werden ſie denn auch kommen?“ „Damit hat's freilich noch gute Wege, ja, Gies¬ hübler meinte ſogar, die Väter der Stadt, ſeine Kollegen, verdienten es gar nicht. Statt einfach über die Ehre, und wenn nicht über die Ehre, ſo doch wenigſtens über den Vorteil einig und glücklich zu ſein, wären ſie mit allerlei ‚Wenns‘ und ,Abers‘ gekommen und hätten geknauſert wegen der neuen Bauten; ja, Pfefferküchler Michelſen habe ſogar geſagt, es verderbe die Sitten der Stadt, und wer eine Tochter habe, der möge ſich vorſehen und Gitter¬ fenſter anſchaffen.“ „Es iſt nicht zu glauben. Ich habe nie manierlichere Leute geſehen als unſere Huſaren; wirklich, Geert. Nun, Du weißt es ja ſelbſt. Und nun will dieſer Michelſen alles vergittern. Hat er denn Töchter?“ „Gewiß; ſogar drei. Aber ſie ſind ſämtlich hors concours.“ Effi lachte ſo herzlich, wie ſie ſeit lange nicht mehr gelacht hatte. Doch es war von keiner Dauer, und als Innſtetten ging und ſie allein ließ, ſetzte ſie ſich an die Wiege des Kindes, und ihre Thränen fielen auf die Kiſſen. Es brach wieder über ſie

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 293. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/302>, abgerufen am 25.11.2024.