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Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

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Effi Briest
sich fester in ihren Mantel und schwieg noch immer
und mit Absicht. Sie wußte recht gut, daß das mit
der "stickigen Kutsche" bloß Vorwand gewesen und
daß sich Sidonie nur zu ihr gesetzt hatte, um ihr
etwas Unangenehmes zu sagen. Und das kam immer
noch früh genug. Zudem war sie wirklich müde,
vielleicht von dem Spaziergang im Walde, vielleicht
auch von dem oberförsterlichen Punsch, dem sie, auf
Zureden der neben ihr sitzenden Frau v. Flemming,
tapfer zugesprochen hatte. Sie that denn auch, als
ob sie schliefe, schloß die Augen und neigte den Kopf
immer mehr nach links.

"Sie sollten sich nicht so sehr nach links beugen,
meine gnädigste Frau. Fährt der Schlitten auf
einen Stein, so fliegen Sie hinaus. Ihr Schlitten
hat ohnehin kein Schutzleder und, wie ich sehe, auch
nicht einmal die Haken dazu."

"Ich kann die Schutzleder nicht leiden; sie haben
so 'was Prosaisches. Und dann, wenn ich hinaus
flöge, mir wär' es recht, am liebsten gleich in die
Brandung. Freilich ein etwas kaltes Bad, aber was
thut's ... Übrigens hören Sie nichts?"

"Nein."

"Hören Sie nicht etwas wie Musik?"

"Orgel?"

"Nein, nicht Orgel. Da würd' ich denken, es sei

Effi Brieſt
ſich feſter in ihren Mantel und ſchwieg noch immer
und mit Abſicht. Sie wußte recht gut, daß das mit
der „ſtickigen Kutſche“ bloß Vorwand geweſen und
daß ſich Sidonie nur zu ihr geſetzt hatte, um ihr
etwas Unangenehmes zu ſagen. Und das kam immer
noch früh genug. Zudem war ſie wirklich müde,
vielleicht von dem Spaziergang im Walde, vielleicht
auch von dem oberförſterlichen Punſch, dem ſie, auf
Zureden der neben ihr ſitzenden Frau v. Flemming,
tapfer zugeſprochen hatte. Sie that denn auch, als
ob ſie ſchliefe, ſchloß die Augen und neigte den Kopf
immer mehr nach links.

„Sie ſollten ſich nicht ſo ſehr nach links beugen,
meine gnädigſte Frau. Fährt der Schlitten auf
einen Stein, ſo fliegen Sie hinaus. Ihr Schlitten
hat ohnehin kein Schutzleder und, wie ich ſehe, auch
nicht einmal die Haken dazu.“

„Ich kann die Schutzleder nicht leiden; ſie haben
ſo 'was Proſaiſches. Und dann, wenn ich hinaus
flöge, mir wär' es recht, am liebſten gleich in die
Brandung. Freilich ein etwas kaltes Bad, aber was
thut's … Übrigens hören Sie nichts?“

„Nein.“

„Hören Sie nicht etwas wie Muſik?“

„Orgel?“

„Nein, nicht Orgel. Da würd' ich denken, es ſei

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[272/0281] Effi Brieſt ſich feſter in ihren Mantel und ſchwieg noch immer und mit Abſicht. Sie wußte recht gut, daß das mit der „ſtickigen Kutſche“ bloß Vorwand geweſen und daß ſich Sidonie nur zu ihr geſetzt hatte, um ihr etwas Unangenehmes zu ſagen. Und das kam immer noch früh genug. Zudem war ſie wirklich müde, vielleicht von dem Spaziergang im Walde, vielleicht auch von dem oberförſterlichen Punſch, dem ſie, auf Zureden der neben ihr ſitzenden Frau v. Flemming, tapfer zugeſprochen hatte. Sie that denn auch, als ob ſie ſchliefe, ſchloß die Augen und neigte den Kopf immer mehr nach links. „Sie ſollten ſich nicht ſo ſehr nach links beugen, meine gnädigſte Frau. Fährt der Schlitten auf einen Stein, ſo fliegen Sie hinaus. Ihr Schlitten hat ohnehin kein Schutzleder und, wie ich ſehe, auch nicht einmal die Haken dazu.“ „Ich kann die Schutzleder nicht leiden; ſie haben ſo 'was Proſaiſches. Und dann, wenn ich hinaus flöge, mir wär' es recht, am liebſten gleich in die Brandung. Freilich ein etwas kaltes Bad, aber was thut's … Übrigens hören Sie nichts?“ „Nein.“ „Hören Sie nicht etwas wie Muſik?“ „Orgel?“ „Nein, nicht Orgel. Da würd' ich denken, es ſei

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 272. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/281>, abgerufen am 22.11.2024.