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Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

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Effi Briest
Gieshübler," sagte er einlenkend, "immer Kavalier
und dabei doch Grundsätze."

Der Major hatte sich mittlerweile wieder zurecht¬
gefunden und sagte in seinem alten Ton: "Ja, Gieshübler;
der beste Kerl von der Welt und, wenn möglich, noch
bessere Grundsätze. Aber am Ende woher? warum?
Weil er einen "Verdruß" hat. Wer gerade gewachsen
ist, ist für Leichtsinn. Überhaupt ohne Leichtsinn
ist das ganze Leben keinen Schuß Pulver wert."

"Nun hören Sie, Crampas, gerade soviel kommt
mitunter dabei heraus." Und dabei sah er auf des
Majors linken, etwas verkürzten Arm.

Effi hatte von diesem Gespräche wenig gehört.
Sie war dicht an die Stelle getreten, wo die Robbe
gelegen, und Rollo stand neben ihr. Dann sahen
beide, von dem Stein weg, auf das Meer und warteten,
ob die ,Seejungfrau' noch einmal sichtbar werden würde.


Ende Oktober begann die Wahlkampagne, was
Innstetten hinderte, sich ferner an den Ausflügen
zu beteiligen, und auch Crampas und Effi hätten
jetzt um der lieben Kessiner willen wohl verzichten
müssen, wenn nicht Knut und Kruse als eine Art
Ehrengarde gewesen wären. So kam es, daß sich
die Spazierritte bis in den November hinein fortsetzten.

Ein Wetterumschlag war freilich eingetreten, ein

Effi Brieſt
Gieshübler,“ ſagte er einlenkend, „immer Kavalier
und dabei doch Grundſätze.“

Der Major hatte ſich mittlerweile wieder zurecht¬
gefunden und ſagte in ſeinem alten Ton: „Ja, Gieshübler;
der beſte Kerl von der Welt und, wenn möglich, noch
beſſere Grundſätze. Aber am Ende woher? warum?
Weil er einen „Verdruß“ hat. Wer gerade gewachſen
iſt, iſt für Leichtſinn. Überhaupt ohne Leichtſinn
iſt das ganze Leben keinen Schuß Pulver wert.“

„Nun hören Sie, Crampas, gerade ſoviel kommt
mitunter dabei heraus.“ Und dabei ſah er auf des
Majors linken, etwas verkürzten Arm.

Effi hatte von dieſem Geſpräche wenig gehört.
Sie war dicht an die Stelle getreten, wo die Robbe
gelegen, und Rollo ſtand neben ihr. Dann ſahen
beide, von dem Stein weg, auf das Meer und warteten,
ob die ‚Seejungfrau‘ noch einmal ſichtbar werden würde.


Ende Oktober begann die Wahlkampagne, was
Innſtetten hinderte, ſich ferner an den Ausflügen
zu beteiligen, und auch Crampas und Effi hätten
jetzt um der lieben Keſſiner willen wohl verzichten
müſſen, wenn nicht Knut und Kruſe als eine Art
Ehrengarde geweſen wären. So kam es, daß ſich
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[223/0232] Effi Brieſt Gieshübler,“ ſagte er einlenkend, „immer Kavalier und dabei doch Grundſätze.“ Der Major hatte ſich mittlerweile wieder zurecht¬ gefunden und ſagte in ſeinem alten Ton: „Ja, Gieshübler; der beſte Kerl von der Welt und, wenn möglich, noch beſſere Grundſätze. Aber am Ende woher? warum? Weil er einen „Verdruß“ hat. Wer gerade gewachſen iſt, iſt für Leichtſinn. Überhaupt ohne Leichtſinn iſt das ganze Leben keinen Schuß Pulver wert.“ „Nun hören Sie, Crampas, gerade ſoviel kommt mitunter dabei heraus.“ Und dabei ſah er auf des Majors linken, etwas verkürzten Arm. Effi hatte von dieſem Geſpräche wenig gehört. Sie war dicht an die Stelle getreten, wo die Robbe gelegen, und Rollo ſtand neben ihr. Dann ſahen beide, von dem Stein weg, auf das Meer und warteten, ob die ‚Seejungfrau‘ noch einmal ſichtbar werden würde. Ende Oktober begann die Wahlkampagne, was Innſtetten hinderte, ſich ferner an den Ausflügen zu beteiligen, und auch Crampas und Effi hätten jetzt um der lieben Keſſiner willen wohl verzichten müſſen, wenn nicht Knut und Kruſe als eine Art Ehrengarde geweſen wären. So kam es, daß ſich die Spazierritte bis in den November hinein fortſetzten. Ein Wetterumſchlag war freilich eingetreten, ein

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 223. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/232>, abgerufen am 24.11.2024.