Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

Bild:
<< vorherige Seite
Effi Briest

"Ja, ganz recht, gnädige Frau, das ist ein
kattolscher Name. Und das kommt auch noch dazu,
daß ich eine Kattolsche bin. Aus'n Eichsfeld. Und
das Kattolsche, das macht es einem immer noch
schwerer und saurer. Viele wollen keine Kattolsche,
weil sie so viel in die Kirche rennen. ,Immer in
die Beichte; und die Hauptsache sagen sie doch nich'
-- Gott, wie oft hab' ich das hören müssen, erst
als ich in Giebichenstein im Dienst war und dann
in Berlin. Ich bin aber eine schlechte Katholikin
und bin ganz davon abgekommen, und vielleicht geht
es mir deshalb so schlecht; ja, man darf nich von
seinem Glauben lassen und muß alles ordentlich
mitmachen."

"Roswitha," wiederholte Effi den Namen und
setzte sich zu ihr auf die Bank. "Was haben Sie
nun vor?"

"Ach, gnäd'ge Frau, was soll ich vor haben.
Ich habe gar nichts vor. Wahr und wahrhaftig,
ich möchte hier sitzen bleiben und warten, bis ich tot
umfalle. Das wär' mir das liebste. Und dann
würden die Leute noch denken, ich hätte die Alte so
geliebt wie ein treuer Hund, und hätte von ihrem
Grabe nicht weg gewollt und wäre da gestorben.
Aber das ist falsch, für solche Alte stirbt man nicht;
ich will bloß sterben, weil ich nicht leben kann."

Effi Brieſt

„Ja, ganz recht, gnädige Frau, das iſt ein
kattolſcher Name. Und das kommt auch noch dazu,
daß ich eine Kattolſche bin. Aus'n Eichsfeld. Und
das Kattolſche, das macht es einem immer noch
ſchwerer und ſaurer. Viele wollen keine Kattolſche,
weil ſie ſo viel in die Kirche rennen. ,Immer in
die Beichte; und die Hauptſache ſagen ſie doch nich'
— Gott, wie oft hab' ich das hören müſſen, erſt
als ich in Giebichenſtein im Dienſt war und dann
in Berlin. Ich bin aber eine ſchlechte Katholikin
und bin ganz davon abgekommen, und vielleicht geht
es mir deshalb ſo ſchlecht; ja, man darf nich von
ſeinem Glauben laſſen und muß alles ordentlich
mitmachen.“

„Roswitha,“ wiederholte Effi den Namen und
ſetzte ſich zu ihr auf die Bank. „Was haben Sie
nun vor?“

„Ach, gnäd'ge Frau, was ſoll ich vor haben.
Ich habe gar nichts vor. Wahr und wahrhaftig,
ich möchte hier ſitzen bleiben und warten, bis ich tot
umfalle. Das wär' mir das liebſte. Und dann
würden die Leute noch denken, ich hätte die Alte ſo
geliebt wie ein treuer Hund, und hätte von ihrem
Grabe nicht weg gewollt und wäre da geſtorben.
Aber das iſt falſch, für ſolche Alte ſtirbt man nicht;
ich will bloß ſterben, weil ich nicht leben kann.“

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0200" n="191"/>
        <fw place="top" type="header">Effi Brie&#x017F;t<lb/></fw>
        <p>&#x201E;Ja, ganz recht, gnädige Frau, das i&#x017F;t ein<lb/>
kattol&#x017F;cher Name. Und das kommt auch noch dazu,<lb/>
daß ich eine Kattol&#x017F;che bin. Aus'n Eichsfeld. Und<lb/>
das Kattol&#x017F;che, das macht es einem immer noch<lb/>
&#x017F;chwerer und &#x017F;aurer. Viele wollen keine Kattol&#x017F;che,<lb/>
weil &#x017F;ie &#x017F;o viel in die Kirche rennen. ,Immer in<lb/>
die Beichte; und die Haupt&#x017F;ache &#x017F;agen &#x017F;ie doch nich'<lb/>
&#x2014; Gott, wie oft hab' ich das hören mü&#x017F;&#x017F;en, er&#x017F;t<lb/>
als ich in Giebichen&#x017F;tein im Dien&#x017F;t war und dann<lb/>
in Berlin. Ich bin aber eine &#x017F;chlechte Katholikin<lb/>
und bin ganz davon abgekommen, und vielleicht geht<lb/>
es mir deshalb &#x017F;o &#x017F;chlecht; ja, man darf nich von<lb/>
&#x017F;einem Glauben la&#x017F;&#x017F;en und muß alles ordentlich<lb/>
mitmachen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Roswitha,&#x201C; wiederholte Effi den Namen und<lb/>
&#x017F;etzte &#x017F;ich zu ihr auf die Bank. &#x201E;Was haben Sie<lb/>
nun vor?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ach, gnäd'ge Frau, was &#x017F;oll ich vor haben.<lb/>
Ich habe gar nichts vor. Wahr und wahrhaftig,<lb/>
ich möchte hier &#x017F;itzen bleiben und warten, bis ich tot<lb/>
umfalle. Das wär' mir das lieb&#x017F;te. Und dann<lb/>
würden die Leute noch denken, ich hätte die Alte &#x017F;o<lb/>
geliebt wie ein treuer Hund, und hätte von ihrem<lb/>
Grabe nicht weg gewollt und wäre da ge&#x017F;torben.<lb/>
Aber das i&#x017F;t fal&#x017F;ch, für &#x017F;olche Alte &#x017F;tirbt man nicht;<lb/>
ich will bloß &#x017F;terben, weil ich nicht leben kann.&#x201C;</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[191/0200] Effi Brieſt „Ja, ganz recht, gnädige Frau, das iſt ein kattolſcher Name. Und das kommt auch noch dazu, daß ich eine Kattolſche bin. Aus'n Eichsfeld. Und das Kattolſche, das macht es einem immer noch ſchwerer und ſaurer. Viele wollen keine Kattolſche, weil ſie ſo viel in die Kirche rennen. ,Immer in die Beichte; und die Hauptſache ſagen ſie doch nich' — Gott, wie oft hab' ich das hören müſſen, erſt als ich in Giebichenſtein im Dienſt war und dann in Berlin. Ich bin aber eine ſchlechte Katholikin und bin ganz davon abgekommen, und vielleicht geht es mir deshalb ſo ſchlecht; ja, man darf nich von ſeinem Glauben laſſen und muß alles ordentlich mitmachen.“ „Roswitha,“ wiederholte Effi den Namen und ſetzte ſich zu ihr auf die Bank. „Was haben Sie nun vor?“ „Ach, gnäd'ge Frau, was ſoll ich vor haben. Ich habe gar nichts vor. Wahr und wahrhaftig, ich möchte hier ſitzen bleiben und warten, bis ich tot umfalle. Das wär' mir das liebſte. Und dann würden die Leute noch denken, ich hätte die Alte ſo geliebt wie ein treuer Hund, und hätte von ihrem Grabe nicht weg gewollt und wäre da geſtorben. Aber das iſt falſch, für ſolche Alte ſtirbt man nicht; ich will bloß ſterben, weil ich nicht leben kann.“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/200
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 191. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/200>, abgerufen am 24.11.2024.