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Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

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Effi Briest
Dann nahm sie die Lampe. "Befehlen gnäd'ge Frau
noch etwas?"

"Nein, Johanna. Die Läden sind doch fest¬
geschlossen?"

"Bloß angelegt, gnäd'ge Frau. Es ist sonst so
dunkel und so stickig."

"Gut. gut."

Und nun entfernte sich Johanna; Effi aber
ging auf ihr Bett zu und wickelte sich in ihre
Decken.

Sie ließ das Licht brennen, weil sie gewillt
war, nicht gleich einzuschlafen, vielmehr vorhatte,
wie vorhin ihren Polterabend, so jetzt ihre Hochzeits¬
reise zu rekapitulieren und alles an sich vorüber¬
ziehen zu lassen. Aber es kam anders, wie sie ge¬
dacht, und als sie bis Verona war und nach dem
Hause der Julia Capulet suchte, fielen ihr schon die
Augen zu. Das Stümpfchen Licht in dem kleinen
Silberleuchter brannte allmählich nieder, und nun
flackerte es noch einmal auf und erlosch.

Effi schlief eine Weile ganz fest. Aber mit
einemmale fuhr sie mit einem lauten Schrei aus
ihrem Schlafe auf, ja, sie hörte selber noch den
Aufschrei und auch wie Rollo draußen anschlug; --
"wau, wau" klang es den Flur entlang, dumpf und
selber beinah ängstlich. Ihr war, als ob ihr das

Effi Brieſt
Dann nahm ſie die Lampe. „Befehlen gnäd'ge Frau
noch etwas?“

„Nein, Johanna. Die Läden ſind doch feſt¬
geſchloſſen?“

„Bloß angelegt, gnäd'ge Frau. Es iſt ſonſt ſo
dunkel und ſo ſtickig.“

„Gut. gut.“

Und nun entfernte ſich Johanna; Effi aber
ging auf ihr Bett zu und wickelte ſich in ihre
Decken.

Sie ließ das Licht brennen, weil ſie gewillt
war, nicht gleich einzuſchlafen, vielmehr vorhatte,
wie vorhin ihren Polterabend, ſo jetzt ihre Hochzeits¬
reiſe zu rekapitulieren und alles an ſich vorüber¬
ziehen zu laſſen. Aber es kam anders, wie ſie ge¬
dacht, und als ſie bis Verona war und nach dem
Hauſe der Julia Capulet ſuchte, fielen ihr ſchon die
Augen zu. Das Stümpfchen Licht in dem kleinen
Silberleuchter brannte allmählich nieder, und nun
flackerte es noch einmal auf und erloſch.

Effi ſchlief eine Weile ganz feſt. Aber mit
einemmale fuhr ſie mit einem lauten Schrei aus
ihrem Schlafe auf, ja, ſie hörte ſelber noch den
Aufſchrei und auch wie Rollo draußen anſchlug; —
„wau, wau“ klang es den Flur entlang, dumpf und
ſelber beinah ängſtlich. Ihr war, als ob ihr das

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[123/0132] Effi Brieſt Dann nahm ſie die Lampe. „Befehlen gnäd'ge Frau noch etwas?“ „Nein, Johanna. Die Läden ſind doch feſt¬ geſchloſſen?“ „Bloß angelegt, gnäd'ge Frau. Es iſt ſonſt ſo dunkel und ſo ſtickig.“ „Gut. gut.“ Und nun entfernte ſich Johanna; Effi aber ging auf ihr Bett zu und wickelte ſich in ihre Decken. Sie ließ das Licht brennen, weil ſie gewillt war, nicht gleich einzuſchlafen, vielmehr vorhatte, wie vorhin ihren Polterabend, ſo jetzt ihre Hochzeits¬ reiſe zu rekapitulieren und alles an ſich vorüber¬ ziehen zu laſſen. Aber es kam anders, wie ſie ge¬ dacht, und als ſie bis Verona war und nach dem Hauſe der Julia Capulet ſuchte, fielen ihr ſchon die Augen zu. Das Stümpfchen Licht in dem kleinen Silberleuchter brannte allmählich nieder, und nun flackerte es noch einmal auf und erloſch. Effi ſchlief eine Weile ganz feſt. Aber mit einemmale fuhr ſie mit einem lauten Schrei aus ihrem Schlafe auf, ja, ſie hörte ſelber noch den Aufſchrei und auch wie Rollo draußen anſchlug; — „wau, wau“ klang es den Flur entlang, dumpf und ſelber beinah ängſtlich. Ihr war, als ob ihr das

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/132>, abgerufen am 26.11.2024.