Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.Effi Briest leicht schon aus Innstettens Leutnantstagen her."Ja, darin will ich lesen; es giebt nichts Beruhigen¬ deres als solche Bücher. Das Gefährliche sind bloß immer die Karten; aber vor diesem Augenpulver, das ich hasse, werd' ich mich schon hüten." Und so schlug sie denn auf gut Glück auf, Seite 153. Nebenan hörte sie das Ticktack der Uhr und draußen Rollo, der, seit es dunkel war, seinen Platz in der Remise aufgegeben und sich, wie jeden Abend, so auch heute wieder, auf die große geflochtene Matte, die vor dem Schlafzimmer lag, ausgestreckt hatte. Das Bewußtsein seiner Nähe minderte das Gefühl ihrer Verlassenheit, ja, sie kam fast in Stimmung, und so begann sie denn auch unverzüglich zu lesen. Auf der gerade vor ihr aufgeschlagenen Seite war von der "Eremitage", dem bekannten markgräflichen Luftschloß in der Nähe von Bayreuth, die Rede; das lockte sie, Bayreuth, Richard Wagner, und so las sie denn: "Unter den Bildern in der Eremitage nennen wir noch eins, das nicht durch seine Schön¬ heit, wohl aber durch sein Alter und durch die Person, die es darstellt, ein Interesse beansprucht. Es ist dies ein stark nachgedunkeltes Frauenporträt, kleiner Kopf, mit herben, etwas unheimlichen Gesichtszügen und einer Halskrause, die den Kopf zu tragen scheint. Einige meinen, es sei eine alte Markgräfin aus dem 8 *
Effi Brieſt leicht ſchon aus Innſtettens Leutnantstagen her.„Ja, darin will ich leſen; es giebt nichts Beruhigen¬ deres als ſolche Bücher. Das Gefährliche ſind bloß immer die Karten; aber vor dieſem Augenpulver, das ich haſſe, werd' ich mich ſchon hüten.“ Und ſo ſchlug ſie denn auf gut Glück auf, Seite 153. Nebenan hörte ſie das Ticktack der Uhr und draußen Rollo, der, ſeit es dunkel war, ſeinen Platz in der Remiſe aufgegeben und ſich, wie jeden Abend, ſo auch heute wieder, auf die große geflochtene Matte, die vor dem Schlafzimmer lag, ausgeſtreckt hatte. Das Bewußtſein ſeiner Nähe minderte das Gefühl ihrer Verlaſſenheit, ja, ſie kam faſt in Stimmung, und ſo begann ſie denn auch unverzüglich zu leſen. Auf der gerade vor ihr aufgeſchlagenen Seite war von der „Eremitage“, dem bekannten markgräflichen Luftſchloß in der Nähe von Bayreuth, die Rede; das lockte ſie, Bayreuth, Richard Wagner, und ſo las ſie denn: „Unter den Bildern in der Eremitage nennen wir noch eins, das nicht durch ſeine Schön¬ heit, wohl aber durch ſein Alter und durch die Perſon, die es darſtellt, ein Intereſſe beanſprucht. Es iſt dies ein ſtark nachgedunkeltes Frauenporträt, kleiner Kopf, mit herben, etwas unheimlichen Geſichtszügen und einer Halskrauſe, die den Kopf zu tragen ſcheint. Einige meinen, es ſei eine alte Markgräfin aus dem 8 *
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Effi Brieſt
leicht ſchon aus Innſtettens Leutnantstagen her.
„Ja, darin will ich leſen; es giebt nichts Beruhigen¬
deres als ſolche Bücher. Das Gefährliche ſind bloß
immer die Karten; aber vor dieſem Augenpulver,
das ich haſſe, werd' ich mich ſchon hüten.“ Und
ſo ſchlug ſie denn auf gut Glück auf, Seite 153.
Nebenan hörte ſie das Ticktack der Uhr und draußen
Rollo, der, ſeit es dunkel war, ſeinen Platz in der
Remiſe aufgegeben und ſich, wie jeden Abend, ſo
auch heute wieder, auf die große geflochtene Matte,
die vor dem Schlafzimmer lag, ausgeſtreckt hatte.
Das Bewußtſein ſeiner Nähe minderte das Gefühl
ihrer Verlaſſenheit, ja, ſie kam faſt in Stimmung,
und ſo begann ſie denn auch unverzüglich zu leſen.
Auf der gerade vor ihr aufgeſchlagenen Seite war
von der „Eremitage“, dem bekannten markgräflichen
Luftſchloß in der Nähe von Bayreuth, die Rede;
das lockte ſie, Bayreuth, Richard Wagner, und ſo
las ſie denn: „Unter den Bildern in der Eremitage
nennen wir noch eins, das nicht durch ſeine Schön¬
heit, wohl aber durch ſein Alter und durch die Perſon,
die es darſtellt, ein Intereſſe beanſprucht. Es iſt
dies ein ſtark nachgedunkeltes Frauenporträt, kleiner
Kopf, mit herben, etwas unheimlichen Geſichtszügen
und einer Halskrauſe, die den Kopf zu tragen ſcheint.
Einige meinen, es ſei eine alte Markgräfin aus dem
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