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Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

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Effi Briest
die viel zu neidisch sind, um mich grüßen zu lassen.
Hast Du nicht auch gefunden, alle alten Tanten sind
neidisch."

"Ja, Effi, das ist wahr. Und daß Du das sagst,
das ist ganz meine alte Effi wieder. Denn Du
mußt wissen, die alte Effi, die noch aussah, wie ein
Kind, nun, die war auch nach meinem Geschmack.
Grad' so wie die jetzige gnäd'ge Frau."

"Meinst Du? Und wenn Du Dich zwischen
beiden entscheiden solltest ..."

"Das ist eine Doktorfrage, darauf lasse ich mich
nicht ein. Aber da bringt Friedrich den Thee. Wie
hat's mich nach dieser Stunde verlangt! Und hab'
es auch ausgesprochen, sogar zu Deinem Vetter Briest,
als wir bei Dressel saßen und in Champagner Dein
Wohl tranken ... Die Ohren müssen Dir geklungen
haben ... Und weißt Du, was Dein Vetter dabei sagte?"

"Gewiß etwas Albernes. Darin ist er groß"

"Das ist der schwärzeste Undank, den ich all'
mein Lebtag erlebt habe. ,Lassen wir Effi leben,'
sagte er, ,meine schöne Cousine ... Wissen Sie,
Innstetten, daß ich Sie am liebsten fordern und tot¬
schießen möchte? Denn Effi ist ein Engel, und Sie
haben mich um diesen Engel gebracht'. Und dabei
sah er so ernst und wehmütig aus, daß man's bei¬
nah hätte glauben können."

Effi Brieſt
die viel zu neidiſch ſind, um mich grüßen zu laſſen.
Haſt Du nicht auch gefunden, alle alten Tanten ſind
neidiſch.“

„Ja, Effi, das iſt wahr. Und daß Du das ſagſt,
das iſt ganz meine alte Effi wieder. Denn Du
mußt wiſſen, die alte Effi, die noch ausſah, wie ein
Kind, nun, die war auch nach meinem Geſchmack.
Grad' ſo wie die jetzige gnäd'ge Frau.“

„Meinſt Du? Und wenn Du Dich zwiſchen
beiden entſcheiden ſollteſt …“

„Das iſt eine Doktorfrage, darauf laſſe ich mich
nicht ein. Aber da bringt Friedrich den Thee. Wie
hat's mich nach dieſer Stunde verlangt! Und hab'
es auch ausgeſprochen, ſogar zu Deinem Vetter Brieſt,
als wir bei Dreſſel ſaßen und in Champagner Dein
Wohl tranken … Die Ohren müſſen Dir geklungen
haben … Und weißt Du, was Dein Vetter dabei ſagte?“

„Gewiß etwas Albernes. Darin iſt er groß“

„Das iſt der ſchwärzeſte Undank, den ich all'
mein Lebtag erlebt habe. ,Laſſen wir Effi leben,‘
ſagte er, ,meine ſchöne Couſine … Wiſſen Sie,
Innſtetten, daß ich Sie am liebſten fordern und tot¬
ſchießen möchte? Denn Effi iſt ein Engel, und Sie
haben mich um dieſen Engel gebracht'. Und dabei
ſah er ſo ernſt und wehmütig aus, daß man's bei¬
nah hätte glauben können.“

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[313/0322] Effi Brieſt die viel zu neidiſch ſind, um mich grüßen zu laſſen. Haſt Du nicht auch gefunden, alle alten Tanten ſind neidiſch.“ „Ja, Effi, das iſt wahr. Und daß Du das ſagſt, das iſt ganz meine alte Effi wieder. Denn Du mußt wiſſen, die alte Effi, die noch ausſah, wie ein Kind, nun, die war auch nach meinem Geſchmack. Grad' ſo wie die jetzige gnäd'ge Frau.“ „Meinſt Du? Und wenn Du Dich zwiſchen beiden entſcheiden ſollteſt …“ „Das iſt eine Doktorfrage, darauf laſſe ich mich nicht ein. Aber da bringt Friedrich den Thee. Wie hat's mich nach dieſer Stunde verlangt! Und hab' es auch ausgeſprochen, ſogar zu Deinem Vetter Brieſt, als wir bei Dreſſel ſaßen und in Champagner Dein Wohl tranken … Die Ohren müſſen Dir geklungen haben … Und weißt Du, was Dein Vetter dabei ſagte?“ „Gewiß etwas Albernes. Darin iſt er groß“ „Das iſt der ſchwärzeſte Undank, den ich all' mein Lebtag erlebt habe. ,Laſſen wir Effi leben,‘ ſagte er, ,meine ſchöne Couſine … Wiſſen Sie, Innſtetten, daß ich Sie am liebſten fordern und tot¬ ſchießen möchte? Denn Effi iſt ein Engel, und Sie haben mich um dieſen Engel gebracht'. Und dabei ſah er ſo ernſt und wehmütig aus, daß man's bei¬ nah hätte glauben können.“

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 313. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/322>, abgerufen am 29.11.2024.