"Schöner Mann," sagte die Padden. "Verkehrt er in Ihrem Hause?"
"Flüchtig."
"Wirklich," wiederholte die Padden, "ein schöner Mann. Ein bißchen zu sicher. Und Hochmut kommt vor dem Fall ... Aber sehen Sie nur, da tritt er wirklich mit der Grete Stojentin an. Eigentlich ist er doch zu alt; wenigstens Mitte vierzig."
"Er wird vierundvierzig."
"Ei, ei, Sie scheinen ihn ja gut zu kennen."
Es kam Effi sehr zu paß, daß das neue Jahr, gleich in seinem Anfang, allerlei Aufregungen brachte. Seit Sylvesternacht ging ein scharfer Nordost, der sich in den nächsten Tagen fast bis zum Sturm steigerte, und am dritten Januar nachmittags hieß es, daß ein Schiff draußen mit der Einfahrt nicht zustande gekommen und hundert Schritt vor der Mole gescheitert sei; es sei ein englisches, von Sunderland her, und so weit sich erkennen lasse, sieben Mann an Bord; die Lotsen könnten beim Ausfahren, trotz aller Anstrengung, nicht um die Mole herum, und vom Strande aus ein Boot abzulassen, daran sei nun vollends nicht zu denken, die Brandung sei viel zu stark. Das klang traurig genug. Aber Johanna, die die Nachricht brachte, hatte doch auch Trost bei
Effi Brieſt
„Schöner Mann,“ ſagte die Padden. „Verkehrt er in Ihrem Hauſe?“
„Flüchtig.“
„Wirklich,“ wiederholte die Padden, „ein ſchöner Mann. Ein bißchen zu ſicher. Und Hochmut kommt vor dem Fall … Aber ſehen Sie nur, da tritt er wirklich mit der Grete Stojentin an. Eigentlich iſt er doch zu alt; wenigſtens Mitte vierzig.“
„Er wird vierundvierzig.“
„Ei, ei, Sie ſcheinen ihn ja gut zu kennen.“
Es kam Effi ſehr zu paß, daß das neue Jahr, gleich in ſeinem Anfang, allerlei Aufregungen brachte. Seit Sylveſternacht ging ein ſcharfer Nordoſt, der ſich in den nächſten Tagen faſt bis zum Sturm ſteigerte, und am dritten Januar nachmittags hieß es, daß ein Schiff draußen mit der Einfahrt nicht zuſtande gekommen und hundert Schritt vor der Mole geſcheitert ſei; es ſei ein engliſches, von Sunderland her, und ſo weit ſich erkennen laſſe, ſieben Mann an Bord; die Lotſen könnten beim Ausfahren, trotz aller Anſtrengung, nicht um die Mole herum, und vom Strande aus ein Boot abzulaſſen, daran ſei nun vollends nicht zu denken, die Brandung ſei viel zu ſtark. Das klang traurig genug. Aber Johanna, die die Nachricht brachte, hatte doch auch Troſt bei
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0299"n="290"/><fwplace="top"type="header">Effi Brieſt<lb/></fw><p>„Schöner Mann,“ſagte die Padden. „Verkehrt<lb/>
er in Ihrem Hauſe?“</p><lb/><p>„Flüchtig.“</p><lb/><p>„Wirklich,“ wiederholte die Padden, „ein ſchöner<lb/>
Mann. Ein bißchen zu ſicher. Und Hochmut kommt<lb/>
vor dem Fall … Aber ſehen Sie nur, da tritt er<lb/>
wirklich mit der Grete Stojentin an. Eigentlich iſt<lb/>
er doch zu alt; wenigſtens Mitte vierzig.“</p><lb/><p>„Er wird vierundvierzig.“</p><lb/><p>„Ei, ei, Sie ſcheinen ihn ja gut zu kennen.“</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><p>Es kam Effi ſehr zu paß, daß das neue Jahr,<lb/>
gleich in ſeinem Anfang, allerlei Aufregungen brachte.<lb/>
Seit Sylveſternacht ging ein ſcharfer Nordoſt, der<lb/>ſich in den nächſten Tagen faſt bis zum Sturm<lb/>ſteigerte, und am dritten Januar nachmittags hieß<lb/>
es, daß ein Schiff draußen mit der Einfahrt nicht<lb/>
zuſtande gekommen und hundert Schritt vor der Mole<lb/>
geſcheitert ſei; es ſei ein engliſches, von Sunderland<lb/>
her, und ſo weit ſich erkennen laſſe, ſieben Mann<lb/>
an Bord; die Lotſen könnten beim Ausfahren, trotz<lb/>
aller Anſtrengung, nicht um die Mole herum, und<lb/>
vom Strande aus ein Boot abzulaſſen, daran ſei<lb/>
nun vollends nicht zu denken, die Brandung ſei viel<lb/>
zu ſtark. Das klang traurig genug. Aber Johanna,<lb/>
die die Nachricht brachte, hatte doch auch Troſt bei<lb/></p></div></body></text></TEI>
[290/0299]
Effi Brieſt
„Schöner Mann,“ ſagte die Padden. „Verkehrt
er in Ihrem Hauſe?“
„Flüchtig.“
„Wirklich,“ wiederholte die Padden, „ein ſchöner
Mann. Ein bißchen zu ſicher. Und Hochmut kommt
vor dem Fall … Aber ſehen Sie nur, da tritt er
wirklich mit der Grete Stojentin an. Eigentlich iſt
er doch zu alt; wenigſtens Mitte vierzig.“
„Er wird vierundvierzig.“
„Ei, ei, Sie ſcheinen ihn ja gut zu kennen.“
Es kam Effi ſehr zu paß, daß das neue Jahr,
gleich in ſeinem Anfang, allerlei Aufregungen brachte.
Seit Sylveſternacht ging ein ſcharfer Nordoſt, der
ſich in den nächſten Tagen faſt bis zum Sturm
ſteigerte, und am dritten Januar nachmittags hieß
es, daß ein Schiff draußen mit der Einfahrt nicht
zuſtande gekommen und hundert Schritt vor der Mole
geſcheitert ſei; es ſei ein engliſches, von Sunderland
her, und ſo weit ſich erkennen laſſe, ſieben Mann
an Bord; die Lotſen könnten beim Ausfahren, trotz
aller Anſtrengung, nicht um die Mole herum, und
vom Strande aus ein Boot abzulaſſen, daran ſei
nun vollends nicht zu denken, die Brandung ſei viel
zu ſtark. Das klang traurig genug. Aber Johanna,
die die Nachricht brachte, hatte doch auch Troſt bei
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 290. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/299>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.