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Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

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Achtzehntes Kapitel.

Effi war unzufrieden mit sich und freute sich,
daß es nunmehr feststand, diese gemeinschaftlichen
Ausflüge für die ganze Winterdauer auf sich be¬
ruhen zu lassen. Überlegte sie, was während all'
dieser Wochen und Tage gesprochen, berührt und
angedeutet war, so fand sie nichts, um dessentwillen
sie sich direkte Vorwürfe zu machen gehabt hätte.
Crampas war ein kluger Mann, welterfahren, humo¬
ristisch, frei, frei auch im guten, und es wäre klein¬
lich und kümmerlich gewesen, wenn sie sich ihm
gegenüber aufgesteift und jeden Augenblick die Regeln
strengen Anstandes befolgt hätte. Nein, sie konnte
sich nicht tadeln, auf seinen Ton eingegangen zu
sein, und doch hatte sie ganz leise das Gefühl einer
überstandenen Gefahr und beglückwünschte sich, daß
das alles nun mutmaßlich hinter ihr läge. Denn
an ein häufigeres Sichsehen en famille war nicht
wohl zu denken, das war durch die Crampas'schen

Achtzehntes Kapitel.

Effi war unzufrieden mit ſich und freute ſich,
daß es nunmehr feſtſtand, dieſe gemeinſchaftlichen
Ausflüge für die ganze Winterdauer auf ſich be¬
ruhen zu laſſen. Überlegte ſie, was während all'
dieſer Wochen und Tage geſprochen, berührt und
angedeutet war, ſo fand ſie nichts, um deſſentwillen
ſie ſich direkte Vorwürfe zu machen gehabt hätte.
Crampas war ein kluger Mann, welterfahren, humo¬
riſtiſch, frei, frei auch im guten, und es wäre klein¬
lich und kümmerlich geweſen, wenn ſie ſich ihm
gegenüber aufgeſteift und jeden Augenblick die Regeln
ſtrengen Anſtandes befolgt hätte. Nein, ſie konnte
ſich nicht tadeln, auf ſeinen Ton eingegangen zu
ſein, und doch hatte ſie ganz leiſe das Gefühl einer
überſtandenen Gefahr und beglückwünſchte ſich, daß
das alles nun mutmaßlich hinter ihr läge. Denn
an ein häufigeres Sichſehen en famille war nicht
wohl zu denken, das war durch die Crampas'ſchen

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[[246]/0255] Achtzehntes Kapitel. Effi war unzufrieden mit ſich und freute ſich, daß es nunmehr feſtſtand, dieſe gemeinſchaftlichen Ausflüge für die ganze Winterdauer auf ſich be¬ ruhen zu laſſen. Überlegte ſie, was während all' dieſer Wochen und Tage geſprochen, berührt und angedeutet war, ſo fand ſie nichts, um deſſentwillen ſie ſich direkte Vorwürfe zu machen gehabt hätte. Crampas war ein kluger Mann, welterfahren, humo¬ riſtiſch, frei, frei auch im guten, und es wäre klein¬ lich und kümmerlich geweſen, wenn ſie ſich ihm gegenüber aufgeſteift und jeden Augenblick die Regeln ſtrengen Anſtandes befolgt hätte. Nein, ſie konnte ſich nicht tadeln, auf ſeinen Ton eingegangen zu ſein, und doch hatte ſie ganz leiſe das Gefühl einer überſtandenen Gefahr und beglückwünſchte ſich, daß das alles nun mutmaßlich hinter ihr läge. Denn an ein häufigeres Sichſehen en famille war nicht wohl zu denken, das war durch die Crampas'ſchen

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. [246]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/255>, abgerufen am 28.11.2024.