Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882.

Bild:
<< vorherige Seite

ihm oder unter ihm, sie blieben wie die Vögel, die Nester
bauen.

Und in diesem Berührtwerden von etwas Unwandelbarem, in
der Wahrnehmung von dem ewigen Eingereihtsein des Menschen
in den Haushalt der Natur, liegt der Zauber dieser Einsamkeits-
dörfer.

Schon vor 6 Uhr war die "Sphinx" unter Segel. Aber
der Wind ließ bald nach, so daß wir froh waren, inmitten einer
eben zu passirenden Schmalung die großen Stoßruder benutzen zu
können. Wir schoben uns nur noch von der Stelle. Dies dauerte
Stunden. Erst bei Prierosbrück machte sich der Wind wieder auf
und trieb uns nun in die "Schmölte" hinein, einen buchtenreichen,
durch Schiebungen und Waldcoulissen ausgezeichneten See, der,
zugleich mit dem ihm anliegenden Duberow-Forst (gemeinhin
kurz "die Duberow" geheißen) den inneren Zirkel der Wuster-
hausener Herrschaft
, dieses großen, an die 13 Quadratmeilen
umfassenden, und namentlich während der Regierungszeit Friedrich
Wilhelms I. aus adligen Gütern der Schlieben, Oppen und Schenken
v. Teupitz zusammengekauften Jagdrevieres bildet.

Mit der Einfahrt in die "Schmölte" waren wir, um es zu
wiederholen, in den "inneren Zirkel" dieses Revieres eingetreten.
Eine ausgestellte Schildwacht, wie sie nicht charakteristischer sein
konnte, ließ uns keinen Zweifel darüber. Inmitten des Sees, auf
einer wenig überspülten Sandbank, stand ein großer, ziemlich
fremdartig dreinschauender Grauvogel, und salutirte auf seine Weise,
durch eingezogenen Hals und Fuß. Wir erwiderten seinen Gruß,
das Geringste, was wir thun konnten; denn wir waren im selben
Augenblicke, wo wir ihn in seiner Schildwachtstellung passirten,
zu einem fremden Volke gekommen, zu dem Volke der Reiher,
das in der "Schmölte" seinen Fang und in der "Duberow" seine
Nester hat. Der ganze innere Zirkel der Wusterhausener Herrschaft,
eine große Reiherherrschaft! Diese kennen zu lernen, war seit
lange mein Wunsch. In einer Bucht, die von zwei bastions-
artig vorspringenden Waldstücken gebildet wird, gingen wir vor
Anker.

Ein Besuch des nahegelegenen Reiherhorstes entsprach unserem
Programm. Nur der einzuschlagende Weg, den Lieutenant Apitz

ihm oder unter ihm, ſie blieben wie die Vögel, die Neſter
bauen.

Und in dieſem Berührtwerden von etwas Unwandelbarem, in
der Wahrnehmung von dem ewigen Eingereihtſein des Menſchen
in den Haushalt der Natur, liegt der Zauber dieſer Einſamkeits-
dörfer.

Schon vor 6 Uhr war die „Sphinx“ unter Segel. Aber
der Wind ließ bald nach, ſo daß wir froh waren, inmitten einer
eben zu paſſirenden Schmalung die großen Stoßruder benutzen zu
können. Wir ſchoben uns nur noch von der Stelle. Dies dauerte
Stunden. Erſt bei Prierosbrück machte ſich der Wind wieder auf
und trieb uns nun in die „Schmölte“ hinein, einen buchtenreichen,
durch Schiebungen und Waldcouliſſen ausgezeichneten See, der,
zugleich mit dem ihm anliegenden Duberow-Forſt (gemeinhin
kurz „die Duberow“ geheißen) den inneren Zirkel der Wuſter-
hauſener Herrſchaft
, dieſes großen, an die 13 Quadratmeilen
umfaſſenden, und namentlich während der Regierungszeit Friedrich
Wilhelms I. aus adligen Gütern der Schlieben, Oppen und Schenken
v. Teupitz zuſammengekauften Jagdrevieres bildet.

Mit der Einfahrt in die „Schmölte“ waren wir, um es zu
wiederholen, in den „inneren Zirkel“ dieſes Revieres eingetreten.
Eine ausgeſtellte Schildwacht, wie ſie nicht charakteriſtiſcher ſein
konnte, ließ uns keinen Zweifel darüber. Inmitten des Sees, auf
einer wenig überſpülten Sandbank, ſtand ein großer, ziemlich
fremdartig dreinſchauender Grauvogel, und ſalutirte auf ſeine Weiſe,
durch eingezogenen Hals und Fuß. Wir erwiderten ſeinen Gruß,
das Geringſte, was wir thun konnten; denn wir waren im ſelben
Augenblicke, wo wir ihn in ſeiner Schildwachtſtellung paſſirten,
zu einem fremden Volke gekommen, zu dem Volke der Reiher,
das in der „Schmölte“ ſeinen Fang und in der „Duberow“ ſeine
Neſter hat. Der ganze innere Zirkel der Wuſterhauſener Herrſchaft,
eine große Reiherherrſchaft! Dieſe kennen zu lernen, war ſeit
lange mein Wunſch. In einer Bucht, die von zwei baſtions-
artig vorſpringenden Waldſtücken gebildet wird, gingen wir vor
Anker.

Ein Beſuch des nahegelegenen Reiherhorſtes entſprach unſerem
Programm. Nur der einzuſchlagende Weg, den Lieutenant Apitz

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0094" n="78"/>
ihm oder <hi rendition="#g">unter</hi> ihm, &#x017F;ie blieben wie die Vögel, die Ne&#x017F;ter<lb/>
bauen.</p><lb/>
            <p>Und in die&#x017F;em Berührtwerden von etwas Unwandelbarem, in<lb/>
der Wahrnehmung von dem ewigen Eingereiht&#x017F;ein des Men&#x017F;chen<lb/>
in den Haushalt der Natur, liegt der Zauber die&#x017F;er Ein&#x017F;amkeits-<lb/>
dörfer.</p><lb/>
            <p>Schon vor 6 Uhr war die &#x201E;Sphinx&#x201C; unter Segel. Aber<lb/>
der Wind ließ bald nach, &#x017F;o daß wir froh waren, inmitten einer<lb/>
eben zu pa&#x017F;&#x017F;irenden Schmalung die großen Stoßruder benutzen zu<lb/>
können. Wir &#x017F;choben uns nur noch von der Stelle. Dies dauerte<lb/>
Stunden. Er&#x017F;t bei Prierosbrück machte &#x017F;ich der Wind wieder auf<lb/>
und trieb uns nun in die &#x201E;Schmölte&#x201C; hinein, einen buchtenreichen,<lb/>
durch Schiebungen und Waldcouli&#x017F;&#x017F;en ausgezeichneten See, der,<lb/>
zugleich mit dem ihm anliegenden <hi rendition="#g">Duberow</hi>-For&#x017F;t (gemeinhin<lb/>
kurz &#x201E;die Duberow&#x201C; geheißen) den inneren Zirkel der <hi rendition="#g">Wu&#x017F;ter-<lb/>
hau&#x017F;ener Herr&#x017F;chaft</hi>, die&#x017F;es großen, an die 13 Quadratmeilen<lb/>
umfa&#x017F;&#x017F;enden, und namentlich während der Regierungszeit Friedrich<lb/>
Wilhelms <hi rendition="#aq">I.</hi> aus adligen Gütern der Schlieben, Oppen und Schenken<lb/>
v. Teupitz zu&#x017F;ammengekauften Jagdrevieres bildet.</p><lb/>
            <p>Mit der Einfahrt in die &#x201E;Schmölte&#x201C; waren wir, um es zu<lb/>
wiederholen, in den &#x201E;inneren Zirkel&#x201C; die&#x017F;es Revieres eingetreten.<lb/>
Eine ausge&#x017F;tellte Schildwacht, wie &#x017F;ie nicht charakteri&#x017F;ti&#x017F;cher &#x017F;ein<lb/>
konnte, ließ uns keinen Zweifel darüber. Inmitten des Sees, auf<lb/>
einer wenig über&#x017F;pülten Sandbank, &#x017F;tand ein großer, ziemlich<lb/>
fremdartig drein&#x017F;chauender Grauvogel, und &#x017F;alutirte auf &#x017F;eine Wei&#x017F;e,<lb/>
durch eingezogenen Hals und Fuß. Wir erwiderten &#x017F;einen Gruß,<lb/>
das Gering&#x017F;te, was wir thun konnten; denn wir waren im &#x017F;elben<lb/>
Augenblicke, wo wir ihn in &#x017F;einer Schildwacht&#x017F;tellung pa&#x017F;&#x017F;irten,<lb/>
zu einem fremden Volke gekommen, zu dem Volke der <hi rendition="#g">Reiher</hi>,<lb/>
das in der &#x201E;Schmölte&#x201C; &#x017F;einen Fang und in der &#x201E;Duberow&#x201C; &#x017F;eine<lb/>
Ne&#x017F;ter hat. Der ganze innere Zirkel der Wu&#x017F;terhau&#x017F;ener Herr&#x017F;chaft,<lb/>
eine große <hi rendition="#g">Reiherherr&#x017F;chaft</hi>! Die&#x017F;e kennen zu lernen, war &#x017F;eit<lb/>
lange mein Wun&#x017F;ch. In einer Bucht, die von zwei ba&#x017F;tions-<lb/>
artig vor&#x017F;pringenden Wald&#x017F;tücken gebildet wird, gingen wir vor<lb/>
Anker.</p><lb/>
            <p>Ein Be&#x017F;uch des nahegelegenen Reiherhor&#x017F;tes ent&#x017F;prach un&#x017F;erem<lb/>
Programm. Nur der einzu&#x017F;chlagende Weg, den Lieutenant Apitz<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[78/0094] ihm oder unter ihm, ſie blieben wie die Vögel, die Neſter bauen. Und in dieſem Berührtwerden von etwas Unwandelbarem, in der Wahrnehmung von dem ewigen Eingereihtſein des Menſchen in den Haushalt der Natur, liegt der Zauber dieſer Einſamkeits- dörfer. Schon vor 6 Uhr war die „Sphinx“ unter Segel. Aber der Wind ließ bald nach, ſo daß wir froh waren, inmitten einer eben zu paſſirenden Schmalung die großen Stoßruder benutzen zu können. Wir ſchoben uns nur noch von der Stelle. Dies dauerte Stunden. Erſt bei Prierosbrück machte ſich der Wind wieder auf und trieb uns nun in die „Schmölte“ hinein, einen buchtenreichen, durch Schiebungen und Waldcouliſſen ausgezeichneten See, der, zugleich mit dem ihm anliegenden Duberow-Forſt (gemeinhin kurz „die Duberow“ geheißen) den inneren Zirkel der Wuſter- hauſener Herrſchaft, dieſes großen, an die 13 Quadratmeilen umfaſſenden, und namentlich während der Regierungszeit Friedrich Wilhelms I. aus adligen Gütern der Schlieben, Oppen und Schenken v. Teupitz zuſammengekauften Jagdrevieres bildet. Mit der Einfahrt in die „Schmölte“ waren wir, um es zu wiederholen, in den „inneren Zirkel“ dieſes Revieres eingetreten. Eine ausgeſtellte Schildwacht, wie ſie nicht charakteriſtiſcher ſein konnte, ließ uns keinen Zweifel darüber. Inmitten des Sees, auf einer wenig überſpülten Sandbank, ſtand ein großer, ziemlich fremdartig dreinſchauender Grauvogel, und ſalutirte auf ſeine Weiſe, durch eingezogenen Hals und Fuß. Wir erwiderten ſeinen Gruß, das Geringſte, was wir thun konnten; denn wir waren im ſelben Augenblicke, wo wir ihn in ſeiner Schildwachtſtellung paſſirten, zu einem fremden Volke gekommen, zu dem Volke der Reiher, das in der „Schmölte“ ſeinen Fang und in der „Duberow“ ſeine Neſter hat. Der ganze innere Zirkel der Wuſterhauſener Herrſchaft, eine große Reiherherrſchaft! Dieſe kennen zu lernen, war ſeit lange mein Wunſch. In einer Bucht, die von zwei baſtions- artig vorſpringenden Waldſtücken gebildet wird, gingen wir vor Anker. Ein Beſuch des nahegelegenen Reiherhorſtes entſprach unſerem Programm. Nur der einzuſchlagende Weg, den Lieutenant Apitz

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/94
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/94>, abgerufen am 24.11.2024.