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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882.

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frommen Christen oft empfohlen hatte, sprach über das Schriftwort
"ei Du frommer und getreuer Knecht, Du bist über Wenigem
getreu gewesen, ich will Dich über Viel setzen; gehe ein zu Deines
Herren Freude." Und denselben Spruch hat auch der Schmöckwitzer
Tischler auf das Grabkreuz unseres Freundes geschrieben."


"Dies Grab müssen wir besuchen," rief jetzt Capitain Back-
husen mit Emphase; "das ist mein Mann; allein sein, Nichts von
der Welt wollen!" Und Lieutenant Apitz und unser Supercargo,
trotzdem sie als Typen ausgesprochenster Gesellschafts-Neigung
gelten konnten, stimmten begeistert bei. Denn mit Nachdruck aus-
gesprochene Sätze sind ihres Einflusses immer sicher.

Wir waren inzwischen bis in unmittelbare Nähe der Schmöck-
witzer Brücke gekommen. Capitain Backhusen gab ein Zeichen mit
Horn und Sprachrohr, und gleich darauf, während die halbe Dorf-
jugend herzudrängte, hob sich eine der Brückenklappen und gestattete
uns, unter Salut und Zoll, die Einfahrt aus dem Seddin-See
in den Zeuthener-See zu machen. Unsere erste Station war er-
reicht: Schmöckwitz. Die "Sphinx" legte an; wir stiegen an's
Ufer, um auf eine halbe Stunde wieder terra firma unter den
Füßen zu haben.

Schmöckwitz, eine Art Capitale dieser Gegenden, wirkt doch
ganz nur wie ein Dünendorf an der Ostseeküste. Oed und ärmlich.
Hinter Sandhügeln versteckt, in tiefen Löchern und Einschnitten
liegen einzelne Häusergruppen, während sich alte und junge Kiefern,
oft mehr wagerecht als aufrecht stehend, an den sandigen mit
Strandhafer überwachsenen Abhängen entlang ziehen. Inmitten
des Ganzen die Kirche, ein trister Bau, aus dem Anfang dieses
oder vielleicht auch des vorigen Jahrhunderts.

So wenig einladend nun das Aeußere derselben war, so
drang ich doch, nach vielfacher auch auf diesem Gebiete gemachter
Erfahrung, die jedes Vorweg-Urtheil verpönt, auf Besuch des
Inneren. Denn die trivialste märkische Dorfkirche kann immer
noch das Rührendste und die häßlichste immer noch das Schönste
verbergen. Hier freilich war ein solcher Ausnahmefall nicht ge-
geben. An weißgestrichenen Wänden hingen die üblichen Gedächt-
nißtafeln; unter der Kanzel stand ein bestaubter Altar, beiden

frommen Chriſten oft empfohlen hatte, ſprach über das Schriftwort
„ei Du frommer und getreuer Knecht, Du biſt über Wenigem
getreu geweſen, ich will Dich über Viel ſetzen; gehe ein zu Deines
Herren Freude.“ Und denſelben Spruch hat auch der Schmöckwitzer
Tiſchler auf das Grabkreuz unſeres Freundes geſchrieben.“


„Dies Grab müſſen wir beſuchen,“ rief jetzt Capitain Back-
huſen mit Emphaſe; „das iſt mein Mann; allein ſein, Nichts von
der Welt wollen!“ Und Lieutenant Apitz und unſer Supercargo,
trotzdem ſie als Typen ausgeſprochenſter Geſellſchafts-Neigung
gelten konnten, ſtimmten begeiſtert bei. Denn mit Nachdruck aus-
geſprochene Sätze ſind ihres Einfluſſes immer ſicher.

Wir waren inzwiſchen bis in unmittelbare Nähe der Schmöck-
witzer Brücke gekommen. Capitain Backhuſen gab ein Zeichen mit
Horn und Sprachrohr, und gleich darauf, während die halbe Dorf-
jugend herzudrängte, hob ſich eine der Brückenklappen und geſtattete
uns, unter Salut und Zoll, die Einfahrt aus dem Seddin-See
in den Zeuthener-See zu machen. Unſere erſte Station war er-
reicht: Schmöckwitz. Die „Sphinx“ legte an; wir ſtiegen an’s
Ufer, um auf eine halbe Stunde wieder terra firma unter den
Füßen zu haben.

Schmöckwitz, eine Art Capitale dieſer Gegenden, wirkt doch
ganz nur wie ein Dünendorf an der Oſtſeeküſte. Oed und ärmlich.
Hinter Sandhügeln verſteckt, in tiefen Löchern und Einſchnitten
liegen einzelne Häuſergruppen, während ſich alte und junge Kiefern,
oft mehr wagerecht als aufrecht ſtehend, an den ſandigen mit
Strandhafer überwachſenen Abhängen entlang ziehen. Inmitten
des Ganzen die Kirche, ein triſter Bau, aus dem Anfang dieſes
oder vielleicht auch des vorigen Jahrhunderts.

So wenig einladend nun das Aeußere derſelben war, ſo
drang ich doch, nach vielfacher auch auf dieſem Gebiete gemachter
Erfahrung, die jedes Vorweg-Urtheil verpönt, auf Beſuch des
Inneren. Denn die trivialſte märkiſche Dorfkirche kann immer
noch das Rührendſte und die häßlichſte immer noch das Schönſte
verbergen. Hier freilich war ein ſolcher Ausnahmefall nicht ge-
geben. An weißgeſtrichenen Wänden hingen die üblichen Gedächt-
nißtafeln; unter der Kanzel ſtand ein beſtaubter Altar, beiden

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[73/0089] frommen Chriſten oft empfohlen hatte, ſprach über das Schriftwort „ei Du frommer und getreuer Knecht, Du biſt über Wenigem getreu geweſen, ich will Dich über Viel ſetzen; gehe ein zu Deines Herren Freude.“ Und denſelben Spruch hat auch der Schmöckwitzer Tiſchler auf das Grabkreuz unſeres Freundes geſchrieben.“ „Dies Grab müſſen wir beſuchen,“ rief jetzt Capitain Back- huſen mit Emphaſe; „das iſt mein Mann; allein ſein, Nichts von der Welt wollen!“ Und Lieutenant Apitz und unſer Supercargo, trotzdem ſie als Typen ausgeſprochenſter Geſellſchafts-Neigung gelten konnten, ſtimmten begeiſtert bei. Denn mit Nachdruck aus- geſprochene Sätze ſind ihres Einfluſſes immer ſicher. Wir waren inzwiſchen bis in unmittelbare Nähe der Schmöck- witzer Brücke gekommen. Capitain Backhuſen gab ein Zeichen mit Horn und Sprachrohr, und gleich darauf, während die halbe Dorf- jugend herzudrängte, hob ſich eine der Brückenklappen und geſtattete uns, unter Salut und Zoll, die Einfahrt aus dem Seddin-See in den Zeuthener-See zu machen. Unſere erſte Station war er- reicht: Schmöckwitz. Die „Sphinx“ legte an; wir ſtiegen an’s Ufer, um auf eine halbe Stunde wieder terra firma unter den Füßen zu haben. Schmöckwitz, eine Art Capitale dieſer Gegenden, wirkt doch ganz nur wie ein Dünendorf an der Oſtſeeküſte. Oed und ärmlich. Hinter Sandhügeln verſteckt, in tiefen Löchern und Einſchnitten liegen einzelne Häuſergruppen, während ſich alte und junge Kiefern, oft mehr wagerecht als aufrecht ſtehend, an den ſandigen mit Strandhafer überwachſenen Abhängen entlang ziehen. Inmitten des Ganzen die Kirche, ein triſter Bau, aus dem Anfang dieſes oder vielleicht auch des vorigen Jahrhunderts. So wenig einladend nun das Aeußere derſelben war, ſo drang ich doch, nach vielfacher auch auf dieſem Gebiete gemachter Erfahrung, die jedes Vorweg-Urtheil verpönt, auf Beſuch des Inneren. Denn die trivialſte märkiſche Dorfkirche kann immer noch das Rührendſte und die häßlichſte immer noch das Schönſte verbergen. Hier freilich war ein ſolcher Ausnahmefall nicht ge- geben. An weißgeſtrichenen Wänden hingen die üblichen Gedächt- nißtafeln; unter der Kanzel ſtand ein beſtaubter Altar, beiden

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/89>, abgerufen am 25.11.2024.