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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882.

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2.
Am Schermützel.

Nur von dem höchsten Punkte der "Schönen Aussicht" aus
hatten wir den See vor Augen gehabt, als wir nun aber, am
Hügelabhange hin, ihm direkt zufuhren, verschwand er wieder und
überließ mich auf eine halbe Stunde nicht nur dem mahlenden
Sande, sondern auch allerhand philosophischen Betrachtungen, in
denen Moll so stark war. Er sprach unter anderm eingehend
über das Glücksrad und den Wechsel aller Dinge, wovon auch
der Schermützel, übrigens zu seinem und der Anwohner Vortheil,
ein Lied zu singen wisse. Jetzt bring er zum Beispiel 2000
Thaler Pacht und werd' es bald noch höher bringen, um die
Zeit aber, als die Franzosen im Lande gewesen seien, sei der
ganze See, der damals dem Fiskus gehört, um die Summe von
2000 Thaler an einen Meistbietenden verkauft worden. Und
noch dazu wie? Der Meistbietende sei nämlich ein Herr von
Löschebrand auf Saarow gewesen (nicht der alte Rittmeister, der
jetzt auf dem Reichenwalder Kirchhof liege, sondern sein Vater
oder Großvater), ein pfiffiger alter Junker, der sich denn auch
einen richtigen Junker-Spaß gemacht und die ganzen 2000 Thaler
in lauter ihm selber aufgezwungenen Bons und Lieferungsscheinen
ausgezahlt habe. Natürlich seien die Scheine von dem Beamten
untersucht und nachgezählt worden, und als sich bei der Gelegen-
heit ergeben, daß es nur 1998 Thaler seien, habe der alte
Saarowsche mit einem Gesicht, als ob es ihm nicht drauf an-
komme, noch zwei blanke Thaler zugelegt und dabei herzlich ge-
lacht. Und so sei denn der ganze See damals für zwei Thaler oder
den tausendsten Theil von dem was er jetzt Pacht bringe, verkauft
worden.

Unter solchem Geplauder waren wir, immer noch am Hügel-
abhange, bis an ein halb pavillon- halb tempelartiges und zu-
gleich völlig einsames Gebäude gekommen, das zwischen Kiefern
und Laubholz hindurch auf den hier plötzlich wieder sichtbar wer-
denden See sah. Ich erfuhr, daß ein Herr von Bonseri dies
Mausoleum (denn ein solches war es) errichtet habe, war aber

2.
Am Schermützel.

Nur von dem höchſten Punkte der „Schönen Ausſicht“ aus
hatten wir den See vor Augen gehabt, als wir nun aber, am
Hügelabhange hin, ihm direkt zufuhren, verſchwand er wieder und
überließ mich auf eine halbe Stunde nicht nur dem mahlenden
Sande, ſondern auch allerhand philoſophiſchen Betrachtungen, in
denen Moll ſo ſtark war. Er ſprach unter anderm eingehend
über das Glücksrad und den Wechſel aller Dinge, wovon auch
der Schermützel, übrigens zu ſeinem und der Anwohner Vortheil,
ein Lied zu ſingen wiſſe. Jetzt bring er zum Beiſpiel 2000
Thaler Pacht und werd’ es bald noch höher bringen, um die
Zeit aber, als die Franzoſen im Lande geweſen ſeien, ſei der
ganze See, der damals dem Fiskus gehört, um die Summe von
2000 Thaler an einen Meiſtbietenden verkauft worden. Und
noch dazu wie? Der Meiſtbietende ſei nämlich ein Herr von
Löſchebrand auf Saarow geweſen (nicht der alte Rittmeiſter, der
jetzt auf dem Reichenwalder Kirchhof liege, ſondern ſein Vater
oder Großvater), ein pfiffiger alter Junker, der ſich denn auch
einen richtigen Junker-Spaß gemacht und die ganzen 2000 Thaler
in lauter ihm ſelber aufgezwungenen Bons und Lieferungsſcheinen
ausgezahlt habe. Natürlich ſeien die Scheine von dem Beamten
unterſucht und nachgezählt worden, und als ſich bei der Gelegen-
heit ergeben, daß es nur 1998 Thaler ſeien, habe der alte
Saarowſche mit einem Geſicht, als ob es ihm nicht drauf an-
komme, noch zwei blanke Thaler zugelegt und dabei herzlich ge-
lacht. Und ſo ſei denn der ganze See damals für zwei Thaler oder
den tauſendſten Theil von dem was er jetzt Pacht bringe, verkauft
worden.

Unter ſolchem Geplauder waren wir, immer noch am Hügel-
abhange, bis an ein halb pavillon- halb tempelartiges und zu-
gleich völlig einſames Gebäude gekommen, das zwiſchen Kiefern
und Laubholz hindurch auf den hier plötzlich wieder ſichtbar wer-
denden See ſah. Ich erfuhr, daß ein Herr von Bonſeri dies
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[25/0041] 2. Am Schermützel. Nur von dem höchſten Punkte der „Schönen Ausſicht“ aus hatten wir den See vor Augen gehabt, als wir nun aber, am Hügelabhange hin, ihm direkt zufuhren, verſchwand er wieder und überließ mich auf eine halbe Stunde nicht nur dem mahlenden Sande, ſondern auch allerhand philoſophiſchen Betrachtungen, in denen Moll ſo ſtark war. Er ſprach unter anderm eingehend über das Glücksrad und den Wechſel aller Dinge, wovon auch der Schermützel, übrigens zu ſeinem und der Anwohner Vortheil, ein Lied zu ſingen wiſſe. Jetzt bring er zum Beiſpiel 2000 Thaler Pacht und werd’ es bald noch höher bringen, um die Zeit aber, als die Franzoſen im Lande geweſen ſeien, ſei der ganze See, der damals dem Fiskus gehört, um die Summe von 2000 Thaler an einen Meiſtbietenden verkauft worden. Und noch dazu wie? Der Meiſtbietende ſei nämlich ein Herr von Löſchebrand auf Saarow geweſen (nicht der alte Rittmeiſter, der jetzt auf dem Reichenwalder Kirchhof liege, ſondern ſein Vater oder Großvater), ein pfiffiger alter Junker, der ſich denn auch einen richtigen Junker-Spaß gemacht und die ganzen 2000 Thaler in lauter ihm ſelber aufgezwungenen Bons und Lieferungsſcheinen ausgezahlt habe. Natürlich ſeien die Scheine von dem Beamten unterſucht und nachgezählt worden, und als ſich bei der Gelegen- heit ergeben, daß es nur 1998 Thaler ſeien, habe der alte Saarowſche mit einem Geſicht, als ob es ihm nicht drauf an- komme, noch zwei blanke Thaler zugelegt und dabei herzlich ge- lacht. Und ſo ſei denn der ganze See damals für zwei Thaler oder den tauſendſten Theil von dem was er jetzt Pacht bringe, verkauft worden. Unter ſolchem Geplauder waren wir, immer noch am Hügel- abhange, bis an ein halb pavillon- halb tempelartiges und zu- gleich völlig einſames Gebäude gekommen, das zwiſchen Kiefern und Laubholz hindurch auf den hier plötzlich wieder ſichtbar wer- denden See ſah. Ich erfuhr, daß ein Herr von Bonſeri dies Mauſoleum (denn ein ſolches war es) errichtet habe, war aber

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/41>, abgerufen am 29.03.2024.