Dies war 1803, am 22. April, nachdem bereits einige Zeit vorher das nur etwa 15 Jahre lang in erneutem Schlabrendorf- schen Besitz gewesene Groeben in nunmehr völlig fremde Hände, die des Ober-Rechnungsrathes Schmidt übergegangen war. Es blieb freilich auch diesem nicht, kehrte vielmehr, wie gleich hier be- merkt werden mag, nach Ablauf einer bestimmten Frist (und dann einige Jahre später auch Siethen) ein drittes Mal in den Be- sitzstand der Schlabrendorf'schen Familie zurück, eh ich jedoch die zu dieser dritten und letzten Schlabrendorf'schen Guts-Uebernahme führenden Verhältnisse schildere -- Verhältnisse, daran Graf Heinrich, trotzdem er damals noch lebte, nicht mehr betheiligt war -- versuch' ich es zuvor dem Lebensgange des Grafen einzig und allein im Hinblick auf seine Person einen Abschluß zu geben.
Unmittelbar nach dem Verkauf des Gutes, war er nach Berlin übersiedelt, um daselbst seinen oft wechselnden, im Uebrigen aber immer harmlosen Passionen leben zu können. Von Erfüllung eigentlicher ihm nahe liegender Pflichten, beispielsweis auf dem Gebiete der Erziehung, war dabei wenig die Rede, solche Pflicht- Erfüllungen fanden nur statt, wenn die Passionen, was gelegentlich vorkam, damit zusammenfielen.
Ueber die Dauer seines Berliner Aufenthalts sind nur Muth- maßungen gestattet; er fand nicht, was er suchte, langweilte sich inmitten aller Zerstreuungen, oder erkannte sie wenigstens nicht als angethan, ihn alle damit verbundenen Unbequemlichkeiten ver- gessen zu lassen. Und so wandt' er sich denn einer neuen Passion zu, der Reise-Passion, und beständiger Ortswechsel wurd' ihm Lebensbedürfniß. Aber auch hierin verfuhr er abweichend von Andern und anstatt sich auf Alpen-Touren oder Weltfahrten ein- zulassen, wozu wenigstens Anfangs die Mittel vorhanden gewesen wären, gefiel er sich darin, Entdeckungsreisen zwischen Oder und Elbe zu machen und in praxi märkische Heimathskunde zu treiben.
Aber freilich auch diese Reise-Periode schloß ab, und wahr- nehmend, daß er die gewünschte Rast in der Unrast nie finden werde, beschloß er probeweise den umgekehrten Weg einzuschlagen und die Ruhe ganz einfach in der Ruhe zu suchen. Er fing des- halb an auf Hausstand und selbstständige Wirthschaftsführung zu verzichten und sich statt dessen bei kleinen Familien auf dem Lande,
Dies war 1803, am 22. April, nachdem bereits einige Zeit vorher das nur etwa 15 Jahre lang in erneutem Schlabrendorf- ſchen Beſitz geweſene Groeben in nunmehr völlig fremde Hände, die des Ober-Rechnungsrathes Schmidt übergegangen war. Es blieb freilich auch dieſem nicht, kehrte vielmehr, wie gleich hier be- merkt werden mag, nach Ablauf einer beſtimmten Friſt (und dann einige Jahre ſpäter auch Siethen) ein drittes Mal in den Be- ſitzſtand der Schlabrendorf’ſchen Familie zurück, eh ich jedoch die zu dieſer dritten und letzten Schlabrendorf’ſchen Guts-Uebernahme führenden Verhältniſſe ſchildere — Verhältniſſe, daran Graf Heinrich, trotzdem er damals noch lebte, nicht mehr betheiligt war — verſuch’ ich es zuvor dem Lebensgange des Grafen einzig und allein im Hinblick auf ſeine Perſon einen Abſchluß zu geben.
Unmittelbar nach dem Verkauf des Gutes, war er nach Berlin überſiedelt, um daſelbſt ſeinen oft wechſelnden, im Uebrigen aber immer harmloſen Paſſionen leben zu können. Von Erfüllung eigentlicher ihm nahe liegender Pflichten, beiſpielsweis auf dem Gebiete der Erziehung, war dabei wenig die Rede, ſolche Pflicht- Erfüllungen fanden nur ſtatt, wenn die Paſſionen, was gelegentlich vorkam, damit zuſammenfielen.
Ueber die Dauer ſeines Berliner Aufenthalts ſind nur Muth- maßungen geſtattet; er fand nicht, was er ſuchte, langweilte ſich inmitten aller Zerſtreuungen, oder erkannte ſie wenigſtens nicht als angethan, ihn alle damit verbundenen Unbequemlichkeiten ver- geſſen zu laſſen. Und ſo wandt’ er ſich denn einer neuen Paſſion zu, der Reiſe-Paſſion, und beſtändiger Ortswechſel wurd’ ihm Lebensbedürfniß. Aber auch hierin verfuhr er abweichend von Andern und anſtatt ſich auf Alpen-Touren oder Weltfahrten ein- zulaſſen, wozu wenigſtens Anfangs die Mittel vorhanden geweſen wären, gefiel er ſich darin, Entdeckungsreiſen zwiſchen Oder und Elbe zu machen und in praxi märkiſche Heimathskunde zu treiben.
Aber freilich auch dieſe Reiſe-Periode ſchloß ab, und wahr- nehmend, daß er die gewünſchte Raſt in der Unraſt nie finden werde, beſchloß er probeweiſe den umgekehrten Weg einzuſchlagen und die Ruhe ganz einfach in der Ruhe zu ſuchen. Er fing des- halb an auf Hausſtand und ſelbſtſtändige Wirthſchaftsführung zu verzichten und ſich ſtatt deſſen bei kleinen Familien auf dem Lande,
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Dies war 1803, am 22. April, nachdem bereits einige Zeit
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ſchen Beſitz geweſene Groeben in nunmehr völlig fremde Hände,
die des Ober-Rechnungsrathes Schmidt übergegangen war. Es
blieb freilich auch dieſem nicht, kehrte vielmehr, wie gleich hier be-
merkt werden mag, nach Ablauf einer beſtimmten Friſt (und dann
einige Jahre ſpäter auch Siethen) ein drittes Mal in den Be-
ſitzſtand der Schlabrendorf’ſchen Familie zurück, eh ich jedoch die
zu dieſer dritten und letzten Schlabrendorf’ſchen Guts-Uebernahme
führenden Verhältniſſe ſchildere — Verhältniſſe, daran Graf
Heinrich, trotzdem er damals noch lebte, nicht mehr betheiligt
war — verſuch’ ich es zuvor dem Lebensgange des Grafen einzig
und allein im Hinblick auf ſeine Perſon einen Abſchluß zu geben.
Unmittelbar nach dem Verkauf des Gutes, war er nach
Berlin überſiedelt, um daſelbſt ſeinen oft wechſelnden, im Uebrigen
aber immer harmloſen Paſſionen leben zu können. Von Erfüllung
eigentlicher ihm nahe liegender Pflichten, beiſpielsweis auf dem
Gebiete der Erziehung, war dabei wenig die Rede, ſolche Pflicht-
Erfüllungen fanden nur ſtatt, wenn die Paſſionen, was gelegentlich
vorkam, damit zuſammenfielen.
Ueber die Dauer ſeines Berliner Aufenthalts ſind nur Muth-
maßungen geſtattet; er fand nicht, was er ſuchte, langweilte ſich
inmitten aller Zerſtreuungen, oder erkannte ſie wenigſtens nicht
als angethan, ihn alle damit verbundenen Unbequemlichkeiten ver-
geſſen zu laſſen. Und ſo wandt’ er ſich denn einer neuen Paſſion
zu, der Reiſe-Paſſion, und beſtändiger Ortswechſel wurd’ ihm
Lebensbedürfniß. Aber auch hierin verfuhr er abweichend von
Andern und anſtatt ſich auf Alpen-Touren oder Weltfahrten ein-
zulaſſen, wozu wenigſtens Anfangs die Mittel vorhanden geweſen
wären, gefiel er ſich darin, Entdeckungsreiſen zwiſchen Oder und
Elbe zu machen und in praxi märkiſche Heimathskunde zu treiben.
Aber freilich auch dieſe Reiſe-Periode ſchloß ab, und wahr-
nehmend, daß er die gewünſchte Raſt in der Unraſt nie finden
werde, beſchloß er probeweiſe den umgekehrten Weg einzuſchlagen
und die Ruhe ganz einfach in der Ruhe zu ſuchen. Er fing des-
halb an auf Hausſtand und ſelbſtſtändige Wirthſchaftsführung zu
verzichten und ſich ſtatt deſſen bei kleinen Familien auf dem Lande,
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der vierte Band "Spreeland. Beeskow-Storkow und Barnim-Teltow" 1882 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 372. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/388>, abgerufen am 25.11.2024.
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