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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882.

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zimmer die nun als Sopha dienende v. Alvensleben'sche Truhe,
vor uns der Hollunderbaum, der über die Gartenmauer ragt,
mahnt uns an den alten v. Gröben, der im Leinwandkittel
unter diesem Blätterdache saß und phantastische Schlachten auf
seinem Schachbrett schlug, und neben uns an der Wand tickt die
Pendeluhr, die Knesebeck dem Feldmarschall über seinem Ar-
beitstische die Stunden schlug, als der Friedens-Congreß die Fürsten
Europa's in der heitern alten Kaiserstadt versammelt hatte. Wie
viele Denkschriften, Gutachten und Entwürfe entstanden bei dem Tick-
tack dieser gedrungenen Ebenholz-Pendule, die so diskret und in sich
zurückgezogen dasteht, als wisse sie was einem Zeugen schickt, der
ernste Dinge gehört und gesehn.

Der letzte rothe Streifen über den Tannen ist hin und das
leise Singen des Kessels im Nebenzimmer kündet uns die Thee-
stunde. Niemand spricht mehr, aber es ist als flüsterten die Stim-
men derer, die nicht mehr sind.


zimmer die nun als Sopha dienende v. Alvensleben’ſche Truhe,
vor uns der Hollunderbaum, der über die Gartenmauer ragt,
mahnt uns an den alten v. Gröben, der im Leinwandkittel
unter dieſem Blätterdache ſaß und phantaſtiſche Schlachten auf
ſeinem Schachbrett ſchlug, und neben uns an der Wand tickt die
Pendeluhr, die Kneſebeck dem Feldmarſchall über ſeinem Ar-
beitstiſche die Stunden ſchlug, als der Friedens-Congreß die Fürſten
Europa’s in der heitern alten Kaiſerſtadt verſammelt hatte. Wie
viele Denkſchriften, Gutachten und Entwürfe entſtanden bei dem Tick-
tack dieſer gedrungenen Ebenholz-Pendule, die ſo diskret und in ſich
zurückgezogen daſteht, als wiſſe ſie was einem Zeugen ſchickt, der
ernſte Dinge gehört und geſehn.

Der letzte rothe Streifen über den Tannen iſt hin und das
leiſe Singen des Keſſels im Nebenzimmer kündet uns die Thee-
ſtunde. Niemand ſpricht mehr, aber es iſt als flüſterten die Stim-
men derer, die nicht mehr ſind.


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[328/0344] zimmer die nun als Sopha dienende v. Alvensleben’ſche Truhe, vor uns der Hollunderbaum, der über die Gartenmauer ragt, mahnt uns an den alten v. Gröben, der im Leinwandkittel unter dieſem Blätterdache ſaß und phantaſtiſche Schlachten auf ſeinem Schachbrett ſchlug, und neben uns an der Wand tickt die Pendeluhr, die Kneſebeck dem Feldmarſchall über ſeinem Ar- beitstiſche die Stunden ſchlug, als der Friedens-Congreß die Fürſten Europa’s in der heitern alten Kaiſerſtadt verſammelt hatte. Wie viele Denkſchriften, Gutachten und Entwürfe entſtanden bei dem Tick- tack dieſer gedrungenen Ebenholz-Pendule, die ſo diskret und in ſich zurückgezogen daſteht, als wiſſe ſie was einem Zeugen ſchickt, der ernſte Dinge gehört und geſehn. Der letzte rothe Streifen über den Tannen iſt hin und das leiſe Singen des Keſſels im Nebenzimmer kündet uns die Thee- ſtunde. Niemand ſpricht mehr, aber es iſt als flüſterten die Stim- men derer, die nicht mehr ſind.

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 328. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/344>, abgerufen am 23.11.2024.