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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882.

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Dieser Hake von Stülpe war es, der auf der Golm-Haide zwischen
Jüterbogk und Trebbin den Ablaßkrämer Tetzel überfiel und ihm,
unter der höhnischen Vorhaltung "den Ablaßzettel für erst noch zu
begehende Sünden gestern von ihm gekauft zu haben" die ganze
Barschaft abnahm und den Kasten bergab in den Schnee rollte.
Dieser Kasten befindet sich bis auf den heutigen Tag in der Kirche
zu Jüterbogk, Hake von Stülpe selbst aber (auch Willibald Alexis
hat ihm in seinem Roman der "Wärwolf" einen Abschnitt ge-
widmet) wird als eine jener Figuren wie sie das Volk gern hat,
in unsrer Landesgeschichte fortleben. Der gute Humor, der Ueber-
muth und der Streich der dem ganzen Ablaßkram dadurch gespielt
wurde, haben von jeher dafür gesorgt, daß man die That mehr
auf ihre humoristische Derbheit als auf ihren sittlichen Gehalt ge-
prüft hat.


Wir kehren nach diesen Vorbemerkungen in unser Dorf zurück
und schreiten, immer den laubholzumstandenen, stillen See zu unsrer
Rechten, die blühende Kastanien-Allee hinauf. An Bemerkens-
werthem finden wir das Herrenhaus, das alte Schloß, die
Wassermühle
und die Kirche.

Das Herrenhaus ist ein moderner Bau aus den letzten
Jahren des vorigen Jahrhunderts. Nach der Gartenseite hin hat
es einen halbkreisförmigen, von hohen ionischen Säulen getragenen
Vorbau, der dem Ganzen etwas Stattliches leiht. Die Auffahrt
auf den sehr geräumigen Hof erfolgt durch ein altes Sandstein-
portal, das nach außen hin einen Medusenkopf und auf diesem
eine Minerva zeigt. Die Dorfleute betrachten den Medusenkopf
als das Portrait eines hartherzigen Vorbesitzers, der schließlich von
den Schlangen verzehrt worden sei.*)

*) Nichts scheint das Volk in seinem poetischen Hange so schöpferisch zu
stimmen als der Anblick von Kunstwerken, die es nicht versteht. Es ruht
nicht eher, als bis es eine Deutung gefunden hat, wobei es zugleich eine
Neigung und ein Geschick zeigt, schon vorhandene Sagen oder Geschichten dem
gegebenen, räthselhaften Etwas anzupassen. Es gilt dies beispielsweis auch
von der "Adonis-Statue mit dem Eberkopf" im Schloßparke zu Coepenick.

Dieſer Hake von Stülpe war es, der auf der Golm-Haide zwiſchen
Jüterbogk und Trebbin den Ablaßkrämer Tetzel überfiel und ihm,
unter der höhniſchen Vorhaltung „den Ablaßzettel für erſt noch zu
begehende Sünden geſtern von ihm gekauft zu haben“ die ganze
Barſchaft abnahm und den Kaſten bergab in den Schnee rollte.
Dieſer Kaſten befindet ſich bis auf den heutigen Tag in der Kirche
zu Jüterbogk, Hake von Stülpe ſelbſt aber (auch Willibald Alexis
hat ihm in ſeinem Roman der „Wärwolf“ einen Abſchnitt ge-
widmet) wird als eine jener Figuren wie ſie das Volk gern hat,
in unſrer Landesgeſchichte fortleben. Der gute Humor, der Ueber-
muth und der Streich der dem ganzen Ablaßkram dadurch geſpielt
wurde, haben von jeher dafür geſorgt, daß man die That mehr
auf ihre humoriſtiſche Derbheit als auf ihren ſittlichen Gehalt ge-
prüft hat.


Wir kehren nach dieſen Vorbemerkungen in unſer Dorf zurück
und ſchreiten, immer den laubholzumſtandenen, ſtillen See zu unſrer
Rechten, die blühende Kaſtanien-Allee hinauf. An Bemerkens-
werthem finden wir das Herrenhaus, das alte Schloß, die
Waſſermühle
und die Kirche.

Das Herrenhaus iſt ein moderner Bau aus den letzten
Jahren des vorigen Jahrhunderts. Nach der Gartenſeite hin hat
es einen halbkreisförmigen, von hohen ioniſchen Säulen getragenen
Vorbau, der dem Ganzen etwas Stattliches leiht. Die Auffahrt
auf den ſehr geräumigen Hof erfolgt durch ein altes Sandſtein-
portal, das nach außen hin einen Meduſenkopf und auf dieſem
eine Minerva zeigt. Die Dorfleute betrachten den Meduſenkopf
als das Portrait eines hartherzigen Vorbeſitzers, der ſchließlich von
den Schlangen verzehrt worden ſei.*)

*) Nichts ſcheint das Volk in ſeinem poetiſchen Hange ſo ſchöpferiſch zu
ſtimmen als der Anblick von Kunſtwerken, die es nicht verſteht. Es ruht
nicht eher, als bis es eine Deutung gefunden hat, wobei es zugleich eine
Neigung und ein Geſchick zeigt, ſchon vorhandene Sagen oder Geſchichten dem
gegebenen, räthſelhaften Etwas anzupaſſen. Es gilt dies beiſpielsweis auch
von der „Adonis-Statue mit dem Eberkopf“ im Schloßparke zu Coepenick.
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[285/0301] Dieſer Hake von Stülpe war es, der auf der Golm-Haide zwiſchen Jüterbogk und Trebbin den Ablaßkrämer Tetzel überfiel und ihm, unter der höhniſchen Vorhaltung „den Ablaßzettel für erſt noch zu begehende Sünden geſtern von ihm gekauft zu haben“ die ganze Barſchaft abnahm und den Kaſten bergab in den Schnee rollte. Dieſer Kaſten befindet ſich bis auf den heutigen Tag in der Kirche zu Jüterbogk, Hake von Stülpe ſelbſt aber (auch Willibald Alexis hat ihm in ſeinem Roman der „Wärwolf“ einen Abſchnitt ge- widmet) wird als eine jener Figuren wie ſie das Volk gern hat, in unſrer Landesgeſchichte fortleben. Der gute Humor, der Ueber- muth und der Streich der dem ganzen Ablaßkram dadurch geſpielt wurde, haben von jeher dafür geſorgt, daß man die That mehr auf ihre humoriſtiſche Derbheit als auf ihren ſittlichen Gehalt ge- prüft hat. Wir kehren nach dieſen Vorbemerkungen in unſer Dorf zurück und ſchreiten, immer den laubholzumſtandenen, ſtillen See zu unſrer Rechten, die blühende Kaſtanien-Allee hinauf. An Bemerkens- werthem finden wir das Herrenhaus, das alte Schloß, die Waſſermühle und die Kirche. Das Herrenhaus iſt ein moderner Bau aus den letzten Jahren des vorigen Jahrhunderts. Nach der Gartenſeite hin hat es einen halbkreisförmigen, von hohen ioniſchen Säulen getragenen Vorbau, der dem Ganzen etwas Stattliches leiht. Die Auffahrt auf den ſehr geräumigen Hof erfolgt durch ein altes Sandſtein- portal, das nach außen hin einen Meduſenkopf und auf dieſem eine Minerva zeigt. Die Dorfleute betrachten den Meduſenkopf als das Portrait eines hartherzigen Vorbeſitzers, der ſchließlich von den Schlangen verzehrt worden ſei. *) *) Nichts ſcheint das Volk in ſeinem poetiſchen Hange ſo ſchöpferiſch zu ſtimmen als der Anblick von Kunſtwerken, die es nicht verſteht. Es ruht nicht eher, als bis es eine Deutung gefunden hat, wobei es zugleich eine Neigung und ein Geſchick zeigt, ſchon vorhandene Sagen oder Geſchichten dem gegebenen, räthſelhaften Etwas anzupaſſen. Es gilt dies beiſpielsweis auch von der „Adonis-Statue mit dem Eberkopf“ im Schloßparke zu Coepenick.

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 285. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/301>, abgerufen am 22.11.2024.