Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882.

Bild:
<< vorherige Seite

wurde, da griffen die Mittenwalder zur Büchse und wurden --
Jäger. Wenigstens deutet darauf die Gedächtnißtafel in der
Kirche hin, wo die Namen der Gefallenen fast ausnahmelos die
Bezeichnung J., F.-J. und G.-J., d. h. also Jäger, Freiwilliger
Jäger und Garde-Jäger tragen.

Das Haus, das Major von York bewohnte, existirt noch.
Es ist jetzt ein Gasthaus, in der Hauptstraße der Stadt gelegen,
und führt wie billig den Namen "Hotel York." Ueber der
Hausthür erblicken wir eine Nische und an derselben Stelle, wo
sonst wohl ein "Mohr" oder ein "Engel" zu stehen pflegt, steht
hier eine Büste des alten York. Auch in den Zimmern findet
sich sein Bild. Die Lokalität ist im Großen und Ganzen noch
dieselbe, wie sie vor 70 Jahren war: hinter dem Hause der Hof
und hinter dem Hof ein Garten, beide von Stall- und Wirth-
schaftsgebäuden umstellt, an deren Außenwänden sich allerlei Treppen
und Stiegen im Zickzack entlang ziehen. Im Innern des Hauses
hat sich natürlich viel verändert und nur das Zimmer, das er
selbst zu bewohnen pflegte, zeigt noch ein paar der alten, übrigens
höchst einfachen Stuckverzierungen. Ueber dem Sopha hängt der
Kaulbach-Muhr'sche Jeremias und von der Decke herab eine Kam-
phinlampe. -- Beides Kinder einer andern Zeit.


Wer reist nach Mittenwalde?

Tausende wallfahrten nach Gohlis, um das Haus zu sehen,
darin Schiller das Lied "an die Freude" dichtete. Mittenwalde
besucht niemand, und doch war es in seinem Probstei-Garten,
daß ein anderes, größeres Lied an die Freude gedichtet wurde, das
große deutsche Tröstelied:

"Befiehl Du Deine Wege".


wurde, da griffen die Mittenwalder zur Büchſe und wurden —
Jäger. Wenigſtens deutet darauf die Gedächtnißtafel in der
Kirche hin, wo die Namen der Gefallenen faſt ausnahmelos die
Bezeichnung J., F.-J. und G.-J., d. h. alſo Jäger, Freiwilliger
Jäger und Garde-Jäger tragen.

Das Haus, das Major von York bewohnte, exiſtirt noch.
Es iſt jetzt ein Gaſthaus, in der Hauptſtraße der Stadt gelegen,
und führt wie billig den Namen „Hotel York.“ Ueber der
Hausthür erblicken wir eine Niſche und an derſelben Stelle, wo
ſonſt wohl ein „Mohr“ oder ein „Engel“ zu ſtehen pflegt, ſteht
hier eine Büſte des alten York. Auch in den Zimmern findet
ſich ſein Bild. Die Lokalität iſt im Großen und Ganzen noch
dieſelbe, wie ſie vor 70 Jahren war: hinter dem Hauſe der Hof
und hinter dem Hof ein Garten, beide von Stall- und Wirth-
ſchaftsgebäuden umſtellt, an deren Außenwänden ſich allerlei Treppen
und Stiegen im Zickzack entlang ziehen. Im Innern des Hauſes
hat ſich natürlich viel verändert und nur das Zimmer, das er
ſelbſt zu bewohnen pflegte, zeigt noch ein paar der alten, übrigens
höchſt einfachen Stuckverzierungen. Ueber dem Sopha hängt der
Kaulbach-Muhr’ſche Jeremias und von der Decke herab eine Kam-
phinlampe. — Beides Kinder einer andern Zeit.


Wer reiſt nach Mittenwalde?

Tauſende wallfahrten nach Gohlis, um das Haus zu ſehen,
darin Schiller das Lied „an die Freude“ dichtete. Mittenwalde
beſucht niemand, und doch war es in ſeinem Probſtei-Garten,
daß ein anderes, größeres Lied an die Freude gedichtet wurde, das
große deutſche Tröſtelied:

„Befiehl Du Deine Wege“.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0297" n="281"/>
wurde, da griffen die Mittenwalder zur <hi rendition="#g">Büch&#x017F;e</hi> und wurden &#x2014;<lb/><hi rendition="#g">Jäger</hi>. Wenig&#x017F;tens deutet darauf die Gedächtnißtafel in der<lb/>
Kirche hin, wo die Namen der Gefallenen fa&#x017F;t ausnahmelos die<lb/>
Bezeichnung J., F.-J. und G.-J., d. h. al&#x017F;o Jäger, Freiwilliger<lb/>
Jäger und Garde-Jäger tragen.</p><lb/>
            <p>Das Haus, das Major von York bewohnte, exi&#x017F;tirt noch.<lb/>
Es i&#x017F;t jetzt ein Ga&#x017F;thaus, in der Haupt&#x017F;traße der Stadt gelegen,<lb/>
und führt wie billig den Namen &#x201E;<hi rendition="#g">Hotel York</hi>.&#x201C; Ueber der<lb/>
Hausthür erblicken wir eine Ni&#x017F;che und an der&#x017F;elben Stelle, wo<lb/>
&#x017F;on&#x017F;t wohl ein &#x201E;Mohr&#x201C; oder ein &#x201E;Engel&#x201C; zu &#x017F;tehen pflegt, &#x017F;teht<lb/>
hier eine Bü&#x017F;te des alten York. Auch in den Zimmern findet<lb/>
&#x017F;ich &#x017F;ein Bild. Die Lokalität i&#x017F;t im Großen und Ganzen noch<lb/>
die&#x017F;elbe, wie &#x017F;ie vor 70 Jahren war: hinter dem Hau&#x017F;e der Hof<lb/>
und hinter dem Hof ein Garten, beide von Stall- und Wirth-<lb/>
&#x017F;chaftsgebäuden um&#x017F;tellt, an deren Außenwänden &#x017F;ich allerlei Treppen<lb/>
und Stiegen im Zickzack entlang ziehen. Im Innern des Hau&#x017F;es<lb/>
hat &#x017F;ich natürlich viel verändert und nur das Zimmer, das er<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t zu bewohnen pflegte, zeigt noch ein paar der alten, übrigens<lb/>
höch&#x017F;t einfachen Stuckverzierungen. Ueber dem Sopha hängt der<lb/>
Kaulbach-Muhr&#x2019;&#x017F;che Jeremias und von der Decke herab eine Kam-<lb/>
phinlampe. &#x2014; Beides Kinder einer andern Zeit.</p><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
            <p>Wer rei&#x017F;t nach Mittenwalde?</p><lb/>
            <p>Tau&#x017F;ende wallfahrten nach Gohlis, um das Haus zu &#x017F;ehen,<lb/>
darin Schiller das Lied &#x201E;an die Freude&#x201C; dichtete. Mittenwalde<lb/>
be&#x017F;ucht niemand, und doch war es in <hi rendition="#g">&#x017F;einem</hi> Prob&#x017F;tei-Garten,<lb/>
daß ein anderes, größeres Lied an die Freude gedichtet wurde, das<lb/>
große deut&#x017F;che Trö&#x017F;telied:</p><lb/>
            <p> <hi rendition="#c">&#x201E;Befiehl Du Deine Wege&#x201C;.</hi> </p>
          </div>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[281/0297] wurde, da griffen die Mittenwalder zur Büchſe und wurden — Jäger. Wenigſtens deutet darauf die Gedächtnißtafel in der Kirche hin, wo die Namen der Gefallenen faſt ausnahmelos die Bezeichnung J., F.-J. und G.-J., d. h. alſo Jäger, Freiwilliger Jäger und Garde-Jäger tragen. Das Haus, das Major von York bewohnte, exiſtirt noch. Es iſt jetzt ein Gaſthaus, in der Hauptſtraße der Stadt gelegen, und führt wie billig den Namen „Hotel York.“ Ueber der Hausthür erblicken wir eine Niſche und an derſelben Stelle, wo ſonſt wohl ein „Mohr“ oder ein „Engel“ zu ſtehen pflegt, ſteht hier eine Büſte des alten York. Auch in den Zimmern findet ſich ſein Bild. Die Lokalität iſt im Großen und Ganzen noch dieſelbe, wie ſie vor 70 Jahren war: hinter dem Hauſe der Hof und hinter dem Hof ein Garten, beide von Stall- und Wirth- ſchaftsgebäuden umſtellt, an deren Außenwänden ſich allerlei Treppen und Stiegen im Zickzack entlang ziehen. Im Innern des Hauſes hat ſich natürlich viel verändert und nur das Zimmer, das er ſelbſt zu bewohnen pflegte, zeigt noch ein paar der alten, übrigens höchſt einfachen Stuckverzierungen. Ueber dem Sopha hängt der Kaulbach-Muhr’ſche Jeremias und von der Decke herab eine Kam- phinlampe. — Beides Kinder einer andern Zeit. Wer reiſt nach Mittenwalde? Tauſende wallfahrten nach Gohlis, um das Haus zu ſehen, darin Schiller das Lied „an die Freude“ dichtete. Mittenwalde beſucht niemand, und doch war es in ſeinem Probſtei-Garten, daß ein anderes, größeres Lied an die Freude gedichtet wurde, das große deutſche Tröſtelied: „Befiehl Du Deine Wege“.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/297
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 281. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/297>, abgerufen am 24.11.2024.