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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882.

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Den Pfarracker hatte er verpachtet, weil er, wie er sagte,
nicht "verbauern" wollte. Aber wenn er auch seine Ehre und seine
Aufgabe darin setzte, nicht selbst ein Bauer zu werden, so liebte
er doch die Landleute sehr und sprach gern und eingehend mit
ihnen. Die Landwirthschaft, als ein Großes und Ganzes, hatte
er bei Seit' gethan, aber sein Garten war seine beständige Freude.
Er hätte ohne diese tägliche Berührung mit dem Leben der Natur
nicht sein können.

Der Garten lag unmittelbar hinter dem Hause, rechts von
der Kirchhofsmauer über die die Grabkreuze hinwegragten, links
von Nachbarsgärten eingefaßt; nach hinten zu ging der Blick in's
Feld. Schneeball- und Hollunder-Bosquets empfingen den Be-
sucher, der aus der geräumigen Küche mit ihren blank gescheuerten
Kesseln in den unmittelbar dahinter gelegenen Garten eintrat. Die
besondere Sehenswürdigkeit darin war ein alter Birnbaum, der
noch jetzt existirt und schon damals als einer der ältesten
in den Brandenburgischen Marken galt; der größte Schmuck
des Gartens aber waren seine vier Lauben. Drei davon,
die dem Hause zunächst lagen, waren Fliederlauben in denen
je nach der Tageszeit und dem Stand der Sonne, der Besuch
empfangen und der Kaffee getrunken wurde, die vierte dagegen,
die mehr eine hohe, kreisrunde Blühdornhecke, als eine eigentliche
Laube war, erhob sich auf einer kleinen Anhöhe am äußersten Ende
des Gartens und führte den Namen "Sieh dich um." In diese
Hecke waren kleine Fensteröffnungen eingeschnitten, die nun, je
nachdem man seine Wahl traf, die reizendsten Aussichten auf Kirch-
hof, Gärten oder blühende Felder gestatteten. Rothe und weiße
Rosen faßten überall die Steige ein, eine der Lauben aber, und
zwar die, die sich an die Kirchhofsmauer lehnte, führte deutungs-
reich den Namen "Henrietten's Ruh."

In diesem Garten arbeiten war unseres Freundes Lust. Mit
einer Art von Befriedigung pflegte er sich aufrichten und seinem
Sohne zurufen: "Heut thut mir der Rücken weh vom Bücken."
Hühner und Sperlinge vom Garten abzuhalten, war die stets
gern erfüllte Pflicht der Kinder.

Der Sommer war schön, aber der schönste Monat des Jah-
res war doch der December. "Das Weihnachtsgefühl, die hohe

Den Pfarracker hatte er verpachtet, weil er, wie er ſagte,
nicht „verbauern“ wollte. Aber wenn er auch ſeine Ehre und ſeine
Aufgabe darin ſetzte, nicht ſelbſt ein Bauer zu werden, ſo liebte
er doch die Landleute ſehr und ſprach gern und eingehend mit
ihnen. Die Landwirthſchaft, als ein Großes und Ganzes, hatte
er bei Seit’ gethan, aber ſein Garten war ſeine beſtändige Freude.
Er hätte ohne dieſe tägliche Berührung mit dem Leben der Natur
nicht ſein können.

Der Garten lag unmittelbar hinter dem Hauſe, rechts von
der Kirchhofsmauer über die die Grabkreuze hinwegragten, links
von Nachbarsgärten eingefaßt; nach hinten zu ging der Blick in’s
Feld. Schneeball- und Hollunder-Bosquets empfingen den Be-
ſucher, der aus der geräumigen Küche mit ihren blank geſcheuerten
Keſſeln in den unmittelbar dahinter gelegenen Garten eintrat. Die
beſondere Sehenswürdigkeit darin war ein alter Birnbaum, der
noch jetzt exiſtirt und ſchon damals als einer der älteſten
in den Brandenburgiſchen Marken galt; der größte Schmuck
des Gartens aber waren ſeine vier Lauben. Drei davon,
die dem Hauſe zunächſt lagen, waren Fliederlauben in denen
je nach der Tageszeit und dem Stand der Sonne, der Beſuch
empfangen und der Kaffee getrunken wurde, die vierte dagegen,
die mehr eine hohe, kreisrunde Blühdornhecke, als eine eigentliche
Laube war, erhob ſich auf einer kleinen Anhöhe am äußerſten Ende
des Gartens und führte den Namen „Sieh dich um.“ In dieſe
Hecke waren kleine Fenſteröffnungen eingeſchnitten, die nun, je
nachdem man ſeine Wahl traf, die reizendſten Ausſichten auf Kirch-
hof, Gärten oder blühende Felder geſtatteten. Rothe und weiße
Roſen faßten überall die Steige ein, eine der Lauben aber, und
zwar die, die ſich an die Kirchhofsmauer lehnte, führte deutungs-
reich den Namen „Henrietten’s Ruh.“

In dieſem Garten arbeiten war unſeres Freundes Luſt. Mit
einer Art von Befriedigung pflegte er ſich aufrichten und ſeinem
Sohne zurufen: „Heut thut mir der Rücken weh vom Bücken.“
Hühner und Sperlinge vom Garten abzuhalten, war die ſtets
gern erfüllte Pflicht der Kinder.

Der Sommer war ſchön, aber der ſchönſte Monat des Jah-
res war doch der December. „Das Weihnachtsgefühl, die hohe

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[221/0237] Den Pfarracker hatte er verpachtet, weil er, wie er ſagte, nicht „verbauern“ wollte. Aber wenn er auch ſeine Ehre und ſeine Aufgabe darin ſetzte, nicht ſelbſt ein Bauer zu werden, ſo liebte er doch die Landleute ſehr und ſprach gern und eingehend mit ihnen. Die Landwirthſchaft, als ein Großes und Ganzes, hatte er bei Seit’ gethan, aber ſein Garten war ſeine beſtändige Freude. Er hätte ohne dieſe tägliche Berührung mit dem Leben der Natur nicht ſein können. Der Garten lag unmittelbar hinter dem Hauſe, rechts von der Kirchhofsmauer über die die Grabkreuze hinwegragten, links von Nachbarsgärten eingefaßt; nach hinten zu ging der Blick in’s Feld. Schneeball- und Hollunder-Bosquets empfingen den Be- ſucher, der aus der geräumigen Küche mit ihren blank geſcheuerten Keſſeln in den unmittelbar dahinter gelegenen Garten eintrat. Die beſondere Sehenswürdigkeit darin war ein alter Birnbaum, der noch jetzt exiſtirt und ſchon damals als einer der älteſten in den Brandenburgiſchen Marken galt; der größte Schmuck des Gartens aber waren ſeine vier Lauben. Drei davon, die dem Hauſe zunächſt lagen, waren Fliederlauben in denen je nach der Tageszeit und dem Stand der Sonne, der Beſuch empfangen und der Kaffee getrunken wurde, die vierte dagegen, die mehr eine hohe, kreisrunde Blühdornhecke, als eine eigentliche Laube war, erhob ſich auf einer kleinen Anhöhe am äußerſten Ende des Gartens und führte den Namen „Sieh dich um.“ In dieſe Hecke waren kleine Fenſteröffnungen eingeſchnitten, die nun, je nachdem man ſeine Wahl traf, die reizendſten Ausſichten auf Kirch- hof, Gärten oder blühende Felder geſtatteten. Rothe und weiße Roſen faßten überall die Steige ein, eine der Lauben aber, und zwar die, die ſich an die Kirchhofsmauer lehnte, führte deutungs- reich den Namen „Henrietten’s Ruh.“ In dieſem Garten arbeiten war unſeres Freundes Luſt. Mit einer Art von Befriedigung pflegte er ſich aufrichten und ſeinem Sohne zurufen: „Heut thut mir der Rücken weh vom Bücken.“ Hühner und Sperlinge vom Garten abzuhalten, war die ſtets gern erfüllte Pflicht der Kinder. Der Sommer war ſchön, aber der ſchönſte Monat des Jah- res war doch der December. „Das Weihnachtsgefühl, die hohe

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 221. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/237>, abgerufen am 28.11.2024.