Boden und der Gefeierte ist er selbst. Ein Junitag ist's wie heute, nur um so viel heiterer und schöner, als die Augen damals heller in den Tag hineinsahen: denn neben ihm auf dem breiten Sitze des Wagens auf dem er eben einfährt in die festgeschmückte, mit Laubgewinden überspannte Dorfgasse, sitzt seine heißgeliebte Braut, seit gestern sein Gemahl. Sie zählt nicht zu den leuch- tenden Schönheiten, aber sie hat jenen blendenden Teint, der der Schönheit nahe kommt. Ihre blühenden Wangen wurden rosiger von der Fahrt und das rothblonde Scheitelhaar flattert halb aufgelöst im Winde. Bauern zu Pferd und mit bebän- dertem Hute folgen dem Zuge, Frauen im Sonntagsstaat stehn in den Thüren oder am Heck und heben die Kinder in die Höh, die Störche klappern auf allen Dächern, als hätten sie mit zu reden bei solchem Einzug, und die Feldlerchen begleiten von draußen her den Zug und erzählen sich hoch oben von dem Glück, das sie drunten gesehn.
Und ein volles Glück war es, das sie sahn, nicht spärlich zu- gemessen wie sonst wohl. Denn nicht über kurze Tage hin dehnte sich die Zeit der Flitterwochen, und Blumberg, wie es der tägliche Zeuge vollkommener Eintracht und innigsten Zusammenlebens wurde, wurd' auch ein gefeierter Sitz edler Gastfreundschaft, ein Mittelpunkt geistigen Lebens, dichterischen Schaffens, wie damals kein zweiter in Mark Brandenburg zu finden war. Johann von Besser, Eusebius von Brand waren oft und gern gesehene Gäste und von hier aus ergingen an den vielbewährten Jugendfreund und Studiengenossen unsres Poeten, an den Kirchenrath Zapfe in Zeitz, oft wiederholte Einladungen, "das Harfenspiel aufs Neu von der Wand zu nehmen und das Hoflager in Blumberg zu beziehen." Briefe wurden mit einer ge- wissen Regelmäßigkeit gewechselt, und als die Schilderungen ehe- lichen Glücks die Canitz regelmäßig mit einem "nun gehe hin und thue desgleichen" zu schließen pflegte, endlich ihren Einfluß geübt und den ehrbaren Magister und Kirchenrath auch an den Altar geführt hatten, da ging von Blumberg ein Gratulationsbrief fol- genden Inhalts nach Zeitz: "Deine Heirath und die Art derselben gefällt mir sehr wohl; weil Du mir aber Dein Sach' ohne sonder-
Boden und der Gefeierte iſt er ſelbſt. Ein Junitag iſt’s wie heute, nur um ſo viel heiterer und ſchöner, als die Augen damals heller in den Tag hineinſahen: denn neben ihm auf dem breiten Sitze des Wagens auf dem er eben einfährt in die feſtgeſchmückte, mit Laubgewinden überſpannte Dorfgaſſe, ſitzt ſeine heißgeliebte Braut, ſeit geſtern ſein Gemahl. Sie zählt nicht zu den leuch- tenden Schönheiten, aber ſie hat jenen blendenden Teint, der der Schönheit nahe kommt. Ihre blühenden Wangen wurden roſiger von der Fahrt und das rothblonde Scheitelhaar flattert halb aufgelöſt im Winde. Bauern zu Pferd und mit bebän- dertem Hute folgen dem Zuge, Frauen im Sonntagsſtaat ſtehn in den Thüren oder am Heck und heben die Kinder in die Höh, die Störche klappern auf allen Dächern, als hätten ſie mit zu reden bei ſolchem Einzug, und die Feldlerchen begleiten von draußen her den Zug und erzählen ſich hoch oben von dem Glück, das ſie drunten geſehn.
Und ein volles Glück war es, das ſie ſahn, nicht ſpärlich zu- gemeſſen wie ſonſt wohl. Denn nicht über kurze Tage hin dehnte ſich die Zeit der Flitterwochen, und Blumberg, wie es der tägliche Zeuge vollkommener Eintracht und innigſten Zuſammenlebens wurde, wurd’ auch ein gefeierter Sitz edler Gaſtfreundſchaft, ein Mittelpunkt geiſtigen Lebens, dichteriſchen Schaffens, wie damals kein zweiter in Mark Brandenburg zu finden war. Johann von Beſſer, Euſebius von Brand waren oft und gern geſehene Gäſte und von hier aus ergingen an den vielbewährten Jugendfreund und Studiengenoſſen unſres Poeten, an den Kirchenrath Zapfe in Zeitz, oft wiederholte Einladungen, „das Harfenſpiel aufs Neu von der Wand zu nehmen und das Hoflager in Blumberg zu beziehen.“ Briefe wurden mit einer ge- wiſſen Regelmäßigkeit gewechſelt, und als die Schilderungen ehe- lichen Glücks die Canitz regelmäßig mit einem „nun gehe hin und thue desgleichen“ zu ſchließen pflegte, endlich ihren Einfluß geübt und den ehrbaren Magiſter und Kirchenrath auch an den Altar geführt hatten, da ging von Blumberg ein Gratulationsbrief fol- genden Inhalts nach Zeitz: „Deine Heirath und die Art derſelben gefällt mir ſehr wohl; weil Du mir aber Dein Sach’ ohne ſonder-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0218"n="202"/>
Boden und der Gefeierte iſt er ſelbſt. Ein Junitag iſt’s wie<lb/>
heute, nur um ſo viel heiterer und ſchöner, als die Augen damals<lb/>
heller in den Tag hineinſahen: denn neben ihm auf dem breiten<lb/>
Sitze des Wagens auf dem er eben einfährt in die feſtgeſchmückte,<lb/>
mit Laubgewinden überſpannte Dorfgaſſe, ſitzt ſeine heißgeliebte<lb/>
Braut, ſeit geſtern ſein Gemahl. Sie zählt nicht zu den leuch-<lb/>
tenden Schönheiten, aber ſie hat jenen blendenden Teint, der<lb/>
der Schönheit nahe kommt. Ihre blühenden Wangen wurden<lb/>
roſiger von der Fahrt und das rothblonde Scheitelhaar flattert<lb/>
halb aufgelöſt im Winde. Bauern zu Pferd und mit bebän-<lb/>
dertem Hute folgen dem Zuge, Frauen im Sonntagsſtaat ſtehn<lb/>
in den Thüren oder am Heck und heben die Kinder in die Höh,<lb/>
die Störche klappern auf allen Dächern, als hätten ſie mit zu<lb/>
reden bei ſolchem Einzug, und die Feldlerchen begleiten von<lb/>
draußen her den Zug und erzählen ſich hoch oben von dem Glück,<lb/>
das ſie drunten geſehn.</p><lb/><p>Und ein volles Glück war es, das ſie ſahn, nicht ſpärlich zu-<lb/>
gemeſſen wie ſonſt wohl. Denn nicht über kurze Tage hin<lb/>
dehnte ſich die Zeit der Flitterwochen, und Blumberg, wie<lb/>
es der tägliche Zeuge vollkommener Eintracht und innigſten<lb/>
Zuſammenlebens wurde, wurd’ auch ein gefeierter Sitz edler<lb/>
Gaſtfreundſchaft, ein Mittelpunkt geiſtigen Lebens, <hirendition="#g">dichteriſchen<lb/>
Schaffens</hi>, wie damals kein zweiter in Mark Brandenburg zu<lb/>
finden war. Johann von Beſſer, Euſebius von Brand waren<lb/>
oft und gern geſehene Gäſte und von hier aus ergingen an den<lb/>
vielbewährten Jugendfreund und Studiengenoſſen unſres Poeten,<lb/>
an den Kirchenrath <hirendition="#g">Zapfe</hi> in Zeitz, oft wiederholte Einladungen,<lb/>„das Harfenſpiel aufs Neu von der Wand zu nehmen und das<lb/>
Hoflager in Blumberg zu beziehen.“ Briefe wurden mit einer ge-<lb/>
wiſſen Regelmäßigkeit gewechſelt, und als die Schilderungen ehe-<lb/>
lichen Glücks die Canitz regelmäßig mit einem „nun gehe hin und<lb/>
thue desgleichen“ zu ſchließen pflegte, endlich ihren Einfluß geübt<lb/>
und den ehrbaren Magiſter und Kirchenrath auch an den Altar<lb/>
geführt hatten, da ging von Blumberg ein Gratulationsbrief fol-<lb/>
genden Inhalts nach Zeitz: „Deine Heirath und die Art derſelben<lb/>
gefällt mir ſehr wohl; weil Du mir aber Dein Sach’ ohne ſonder-<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[202/0218]
Boden und der Gefeierte iſt er ſelbſt. Ein Junitag iſt’s wie
heute, nur um ſo viel heiterer und ſchöner, als die Augen damals
heller in den Tag hineinſahen: denn neben ihm auf dem breiten
Sitze des Wagens auf dem er eben einfährt in die feſtgeſchmückte,
mit Laubgewinden überſpannte Dorfgaſſe, ſitzt ſeine heißgeliebte
Braut, ſeit geſtern ſein Gemahl. Sie zählt nicht zu den leuch-
tenden Schönheiten, aber ſie hat jenen blendenden Teint, der
der Schönheit nahe kommt. Ihre blühenden Wangen wurden
roſiger von der Fahrt und das rothblonde Scheitelhaar flattert
halb aufgelöſt im Winde. Bauern zu Pferd und mit bebän-
dertem Hute folgen dem Zuge, Frauen im Sonntagsſtaat ſtehn
in den Thüren oder am Heck und heben die Kinder in die Höh,
die Störche klappern auf allen Dächern, als hätten ſie mit zu
reden bei ſolchem Einzug, und die Feldlerchen begleiten von
draußen her den Zug und erzählen ſich hoch oben von dem Glück,
das ſie drunten geſehn.
Und ein volles Glück war es, das ſie ſahn, nicht ſpärlich zu-
gemeſſen wie ſonſt wohl. Denn nicht über kurze Tage hin
dehnte ſich die Zeit der Flitterwochen, und Blumberg, wie
es der tägliche Zeuge vollkommener Eintracht und innigſten
Zuſammenlebens wurde, wurd’ auch ein gefeierter Sitz edler
Gaſtfreundſchaft, ein Mittelpunkt geiſtigen Lebens, dichteriſchen
Schaffens, wie damals kein zweiter in Mark Brandenburg zu
finden war. Johann von Beſſer, Euſebius von Brand waren
oft und gern geſehene Gäſte und von hier aus ergingen an den
vielbewährten Jugendfreund und Studiengenoſſen unſres Poeten,
an den Kirchenrath Zapfe in Zeitz, oft wiederholte Einladungen,
„das Harfenſpiel aufs Neu von der Wand zu nehmen und das
Hoflager in Blumberg zu beziehen.“ Briefe wurden mit einer ge-
wiſſen Regelmäßigkeit gewechſelt, und als die Schilderungen ehe-
lichen Glücks die Canitz regelmäßig mit einem „nun gehe hin und
thue desgleichen“ zu ſchließen pflegte, endlich ihren Einfluß geübt
und den ehrbaren Magiſter und Kirchenrath auch an den Altar
geführt hatten, da ging von Blumberg ein Gratulationsbrief fol-
genden Inhalts nach Zeitz: „Deine Heirath und die Art derſelben
gefällt mir ſehr wohl; weil Du mir aber Dein Sach’ ohne ſonder-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der vierte Band "Spreeland. Beeskow-Storkow und Barnim-Teltow" 1882 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/218>, abgerufen am 26.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.