redung so wenig befriedigt von einander schieden. In raschem Trabe geht es dahin, die Pferde werfen die Köpfe und zeigen ein Behagen, als freuten sie sich mit uns der Herbstesfrische. Die Eichen und Birken, die eingesprengt im Tannicht stehn, lassen die Landschaft in allen Farben schillern und der herbe Duft des Eichenlaubes dringt bis zu uns in den Wagen hinein. Jetzt aber trifft uns ein Luftzug mit jener feuchten Kühle, die dem Reisenden ein Wasser ankündigt, und im nächsten Augenblicke haben wir ein breites Strombett vor uns, an dessen jenseitigem Ufer, aus hohen Pappeln hervor, ein graugelber Schloßbau ragt. Ueber die Brücke hin rollt der Wagen und hält jetzt auf einem unregelmäßigen, ziemlich geräumigen Platze, der zwischen dem Schloß und der Stadt Cöpenick liegt. Wir steigen aus, werfen nach links hin einen Blick in eine leis' gebogene Straße, deren beschnittene Lindenbäume dem Ganzen ein freundliches Ansehn leihn und schreiten über den Schloßgraben dem Schloßhofe zu, den von zwei Seiten her die Bäume des Parks überragen.
Das gegenwärtige Schloß Cöpenick hat drei Stockwerke, seine Facaden sind einfach und schmucklos und nur einzelne Theile zeigen sich mit Reliefs und Statuen geschmückt. Um das um mehrere Fuß zurücktretende Dach ist eine stattliche Balustrade gezogen.*)
Und dieser Stattlichkeit begegnen wir überall, am meisten freilich in der inneren Einrichtung, in der Anlage der Zimmer, Treppen und Corridore, die den Eindruck machen, als habe der Baumeister nichts so ängstlich vermeiden wollen, als die Gedrückt- heit der Thurm- und Erkerstuben, die sonst hier heimisch waren. Nirgends ein Geizen mit dem Raum, aber auch nirgends ein Geizen mit dem, was erheitert und schmückt. Wohin wir blicken, eine Fülle reizendster Details, die vielleicht wie Ueberladung wirken würden, wenn nicht die Dimensionen ein sich Vordrängen des Einzelnen verhinderten. All diese Karyatiden
*) Im Schlosse heißt es, daß der mit Bohlen gedeckte, zwischen Dach und Balustrade hinlaufende Gang im vorigen Jahrhundert als Kegelbahn gedient habe. Trifft dies zu, so darf man kühnlich behaupten, daß, wenigstens in den Marken, an keiner schöneren Stelle jemals Kegel gespielt worden ist. Der einen Kreis von fast vier Meilen umfassende Blick ist entzückend: Wald und Wasser soweit das Auge reicht und mitten im Bilde die Müggelsberge.
redung ſo wenig befriedigt von einander ſchieden. In raſchem Trabe geht es dahin, die Pferde werfen die Köpfe und zeigen ein Behagen, als freuten ſie ſich mit uns der Herbſtesfriſche. Die Eichen und Birken, die eingeſprengt im Tannicht ſtehn, laſſen die Landſchaft in allen Farben ſchillern und der herbe Duft des Eichenlaubes dringt bis zu uns in den Wagen hinein. Jetzt aber trifft uns ein Luftzug mit jener feuchten Kühle, die dem Reiſenden ein Waſſer ankündigt, und im nächſten Augenblicke haben wir ein breites Strombett vor uns, an deſſen jenſeitigem Ufer, aus hohen Pappeln hervor, ein graugelber Schloßbau ragt. Ueber die Brücke hin rollt der Wagen und hält jetzt auf einem unregelmäßigen, ziemlich geräumigen Platze, der zwiſchen dem Schloß und der Stadt Cöpenick liegt. Wir ſteigen aus, werfen nach links hin einen Blick in eine leiſ’ gebogene Straße, deren beſchnittene Lindenbäume dem Ganzen ein freundliches Anſehn leihn und ſchreiten über den Schloßgraben dem Schloßhofe zu, den von zwei Seiten her die Bäume des Parks überragen.
Das gegenwärtige Schloß Cöpenick hat drei Stockwerke, ſeine Façaden ſind einfach und ſchmucklos und nur einzelne Theile zeigen ſich mit Reliefs und Statuen geſchmückt. Um das um mehrere Fuß zurücktretende Dach iſt eine ſtattliche Baluſtrade gezogen.*)
Und dieſer Stattlichkeit begegnen wir überall, am meiſten freilich in der inneren Einrichtung, in der Anlage der Zimmer, Treppen und Corridore, die den Eindruck machen, als habe der Baumeiſter nichts ſo ängſtlich vermeiden wollen, als die Gedrückt- heit der Thurm- und Erkerſtuben, die ſonſt hier heimiſch waren. Nirgends ein Geizen mit dem Raum, aber auch nirgends ein Geizen mit dem, was erheitert und ſchmückt. Wohin wir blicken, eine Fülle reizendſter Details, die vielleicht wie Ueberladung wirken würden, wenn nicht die Dimenſionen ein ſich Vordrängen des Einzelnen verhinderten. All dieſe Karyatiden
*) Im Schloſſe heißt es, daß der mit Bohlen gedeckte, zwiſchen Dach und Baluſtrade hinlaufende Gang im vorigen Jahrhundert als Kegelbahn gedient habe. Trifft dies zu, ſo darf man kühnlich behaupten, daß, wenigſtens in den Marken, an keiner ſchöneren Stelle jemals Kegel geſpielt worden iſt. Der einen Kreis von faſt vier Meilen umfaſſende Blick iſt entzückend: Wald und Waſſer ſoweit das Auge reicht und mitten im Bilde die Müggelsberge.
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redung ſo wenig befriedigt von einander ſchieden. In raſchem
Trabe geht es dahin, die Pferde werfen die Köpfe und zeigen ein
Behagen, als freuten ſie ſich mit uns der Herbſtesfriſche. Die
Eichen und Birken, die eingeſprengt im Tannicht ſtehn, laſſen die
Landſchaft in allen Farben ſchillern und der herbe Duft des
Eichenlaubes dringt bis zu uns in den Wagen hinein. Jetzt
aber trifft uns ein Luftzug mit jener feuchten Kühle, die dem
Reiſenden ein Waſſer ankündigt, und im nächſten Augenblicke
haben wir ein breites Strombett vor uns, an deſſen jenſeitigem
Ufer, aus hohen Pappeln hervor, ein graugelber Schloßbau ragt.
Ueber die Brücke hin rollt der Wagen und hält jetzt auf einem
unregelmäßigen, ziemlich geräumigen Platze, der zwiſchen dem
Schloß und der Stadt Cöpenick liegt. Wir ſteigen aus, werfen
nach links hin einen Blick in eine leiſ’ gebogene Straße, deren
beſchnittene Lindenbäume dem Ganzen ein freundliches Anſehn
leihn und ſchreiten über den Schloßgraben dem Schloßhofe zu, den
von zwei Seiten her die Bäume des Parks überragen.
Das gegenwärtige Schloß Cöpenick hat drei Stockwerke,
ſeine Façaden ſind einfach und ſchmucklos und nur einzelne Theile
zeigen ſich mit Reliefs und Statuen geſchmückt. Um das um mehrere
Fuß zurücktretende Dach iſt eine ſtattliche Baluſtrade gezogen. *)
Und dieſer Stattlichkeit begegnen wir überall, am meiſten
freilich in der inneren Einrichtung, in der Anlage der Zimmer,
Treppen und Corridore, die den Eindruck machen, als habe der
Baumeiſter nichts ſo ängſtlich vermeiden wollen, als die Gedrückt-
heit der Thurm- und Erkerſtuben, die ſonſt hier heimiſch waren.
Nirgends ein Geizen mit dem Raum, aber auch nirgends
ein Geizen mit dem, was erheitert und ſchmückt. Wohin
wir blicken, eine Fülle reizendſter Details, die vielleicht wie
Ueberladung wirken würden, wenn nicht die Dimenſionen ein
ſich Vordrängen des Einzelnen verhinderten. All dieſe Karyatiden
*) Im Schloſſe heißt es, daß der mit Bohlen gedeckte, zwiſchen Dach
und Baluſtrade hinlaufende Gang im vorigen Jahrhundert als Kegelbahn
gedient habe. Trifft dies zu, ſo darf man kühnlich behaupten, daß, wenigſtens
in den Marken, an keiner ſchöneren Stelle jemals Kegel geſpielt worden iſt.
Der einen Kreis von faſt vier Meilen umfaſſende Blick iſt entzückend: Wald
und Waſſer ſoweit das Auge reicht und mitten im Bilde die Müggelsberge.
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der vierte Band "Spreeland. Beeskow-Storkow und Barnim-Teltow" 1882 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/109>, abgerufen am 16.02.2025.
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