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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882.

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meisten dieser Geschichten setzen sich freilich blos aus Albernheit,
Uebermuth und Chicane zusammen, manches indeß ist wirklich gut
und treffend, und jedenfalls entsprach all und jedes dem nicht sehr
verfeinerten Bedürfniß seiner Zeit und seiner Umgebung.

Zwei Gruppen von Personen waren es besonders, mit denen
der streitlustige Geist eine unausgesetzte Fehde unterhielt: seine
Gutsnachbarn und die Regierungsbeamten. Unter den Ersteren
hatte er sich besonders den Herrn v. Hake auf Genshagen zum
Gegenstand nicht enden wollender Anzüglichkeiten und Verhöhnungen
ausersehen.

Die Correspondenz, die er mit diesem seinem Nachbar in
einem Zeitraum von 25 Jahren geführt hat, soll ein wahrer
Anekdotenschatz und für die Freunde des Hake'schen Hauses seiner-
zeit eine unerschöpfliche Quelle der Erheiterung gewesen sein. Leider
ist diese Correspondenz verbrannt. Zwei Geschichten indeß aus der
langen Reihe dieser gutsnachbarlichen Rancünen und Streitig-
keiten existiren noch. Geist, im Uebrigen kein Freund der Jagd,
ließ sich eine Jagd- und Schießhütte bauen, wenig Schritte von
dem Punkt entfernt, wo seine eigene Feldmark mit der Gens-
hagener Forst zusammenstieß. Die Front der Hütte ging auf
feindliches Gebiet hinaus, und die Absicht lag klar zu Tage. Hier
saß er halbe Nächte lang und schoß von seinem Territorium aus
dem Herrn v. Hake die Rehe todt -- ein Wilddieb aus purer
Malice. Als Hake Beschwerde führte und auf Abbrechen der
Hütte antrug, antwortete Geist: Die Hütte habe keinen offensiven
Charakter; er (Geist) habe von Jugend auf immer rückwärts
geschossen und müsse es ablehnen, in seinen alten Tagen nach
einem neuen Princip auf Jagd zu gehen.

Bei anderer Gelegenheit beschwerte sich Herr v. Hake, daß
er bei Passirung einer Brücke, für deren Instandhaltung Geist
Sorge tragen mußte, mit seinem Justitiarius Buchholz eingebrochen
sei. Geist replicirte: "über die Brücke würden täglich 26 seiner
schwersten Ochsen getrieben, und niemals hab er gehört, daß einer
derselben irgendwie Schaden genommen; es sei mindestens eine
auffallende Erscheinung, daß gerade Herr v. Hake mit seinem Ju-
stitiarius durchgebrochen sei." Herr v. Hake hatte nicht Lust, den

meiſten dieſer Geſchichten ſetzen ſich freilich blos aus Albernheit,
Uebermuth und Chicane zuſammen, manches indeß iſt wirklich gut
und treffend, und jedenfalls entſprach all und jedes dem nicht ſehr
verfeinerten Bedürfniß ſeiner Zeit und ſeiner Umgebung.

Zwei Gruppen von Perſonen waren es beſonders, mit denen
der ſtreitluſtige Geiſt eine unausgeſetzte Fehde unterhielt: ſeine
Gutsnachbarn und die Regierungsbeamten. Unter den Erſteren
hatte er ſich beſonders den Herrn v. Hake auf Genshagen zum
Gegenſtand nicht enden wollender Anzüglichkeiten und Verhöhnungen
auserſehen.

Die Correſpondenz, die er mit dieſem ſeinem Nachbar in
einem Zeitraum von 25 Jahren geführt hat, ſoll ein wahrer
Anekdotenſchatz und für die Freunde des Hake’ſchen Hauſes ſeiner-
zeit eine unerſchöpfliche Quelle der Erheiterung geweſen ſein. Leider
iſt dieſe Correſpondenz verbrannt. Zwei Geſchichten indeß aus der
langen Reihe dieſer gutsnachbarlichen Rancünen und Streitig-
keiten exiſtiren noch. Geiſt, im Uebrigen kein Freund der Jagd,
ließ ſich eine Jagd- und Schießhütte bauen, wenig Schritte von
dem Punkt entfernt, wo ſeine eigene Feldmark mit der Gens-
hagener Forſt zuſammenſtieß. Die Front der Hütte ging auf
feindliches Gebiet hinaus, und die Abſicht lag klar zu Tage. Hier
ſaß er halbe Nächte lang und ſchoß von ſeinem Territorium aus
dem Herrn v. Hake die Rehe todt — ein Wilddieb aus purer
Malice. Als Hake Beſchwerde führte und auf Abbrechen der
Hütte antrug, antwortete Geiſt: Die Hütte habe keinen offenſiven
Charakter; er (Geiſt) habe von Jugend auf immer rückwärts
geſchoſſen und müſſe es ablehnen, in ſeinen alten Tagen nach
einem neuen Princip auf Jagd zu gehen.

Bei anderer Gelegenheit beſchwerte ſich Herr v. Hake, daß
er bei Paſſirung einer Brücke, für deren Inſtandhaltung Geiſt
Sorge tragen mußte, mit ſeinem Juſtitiarius Buchholz eingebrochen
ſei. Geiſt replicirte: „über die Brücke würden täglich 26 ſeiner
ſchwerſten Ochſen getrieben, und niemals hab er gehört, daß einer
derſelben irgendwie Schaden genommen; es ſei mindeſtens eine
auffallende Erſcheinung, daß gerade Herr v. Hake mit ſeinem Ju-
ſtitiarius durchgebrochen ſei.“ Herr v. Hake hatte nicht Luſt, den

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[303/0319] meiſten dieſer Geſchichten ſetzen ſich freilich blos aus Albernheit, Uebermuth und Chicane zuſammen, manches indeß iſt wirklich gut und treffend, und jedenfalls entſprach all und jedes dem nicht ſehr verfeinerten Bedürfniß ſeiner Zeit und ſeiner Umgebung. Zwei Gruppen von Perſonen waren es beſonders, mit denen der ſtreitluſtige Geiſt eine unausgeſetzte Fehde unterhielt: ſeine Gutsnachbarn und die Regierungsbeamten. Unter den Erſteren hatte er ſich beſonders den Herrn v. Hake auf Genshagen zum Gegenſtand nicht enden wollender Anzüglichkeiten und Verhöhnungen auserſehen. Die Correſpondenz, die er mit dieſem ſeinem Nachbar in einem Zeitraum von 25 Jahren geführt hat, ſoll ein wahrer Anekdotenſchatz und für die Freunde des Hake’ſchen Hauſes ſeiner- zeit eine unerſchöpfliche Quelle der Erheiterung geweſen ſein. Leider iſt dieſe Correſpondenz verbrannt. Zwei Geſchichten indeß aus der langen Reihe dieſer gutsnachbarlichen Rancünen und Streitig- keiten exiſtiren noch. Geiſt, im Uebrigen kein Freund der Jagd, ließ ſich eine Jagd- und Schießhütte bauen, wenig Schritte von dem Punkt entfernt, wo ſeine eigene Feldmark mit der Gens- hagener Forſt zuſammenſtieß. Die Front der Hütte ging auf feindliches Gebiet hinaus, und die Abſicht lag klar zu Tage. Hier ſaß er halbe Nächte lang und ſchoß von ſeinem Territorium aus dem Herrn v. Hake die Rehe todt — ein Wilddieb aus purer Malice. Als Hake Beſchwerde führte und auf Abbrechen der Hütte antrug, antwortete Geiſt: Die Hütte habe keinen offenſiven Charakter; er (Geiſt) habe von Jugend auf immer rückwärts geſchoſſen und müſſe es ablehnen, in ſeinen alten Tagen nach einem neuen Princip auf Jagd zu gehen. Bei anderer Gelegenheit beſchwerte ſich Herr v. Hake, daß er bei Paſſirung einer Brücke, für deren Inſtandhaltung Geiſt Sorge tragen mußte, mit ſeinem Juſtitiarius Buchholz eingebrochen ſei. Geiſt replicirte: „über die Brücke würden täglich 26 ſeiner ſchwerſten Ochſen getrieben, und niemals hab er gehört, daß einer derſelben irgendwie Schaden genommen; es ſei mindeſtens eine auffallende Erſcheinung, daß gerade Herr v. Hake mit ſeinem Ju- ſtitiarius durchgebrochen ſei.“ Herr v. Hake hatte nicht Luſt, den

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 303. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/319>, abgerufen am 28.12.2024.