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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882.

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waren ihrer sieben, das älteste elf, das jüngste kaum vier Jahr alt,
und aus Lachen und Kinder-Unschuld wob sich hier ein Bild, das
uns auf Augenblicke glauben machte, wir sähen in eine feenhafte
Welt. Und daß wir diese Welt nicht störten, das war ihr höchster
Zauber. Ungeängstigt und von keiner Scham überkommen, spielten
die Kinder weiter und tauchten unter und prusteten das Wasser
in die Höh' wie junge Delphine. Das älteste Mädchen war eine
Schönheit; ihre Augen lachten und das lange, aufgelöste Haar
schwamm wie Sonnenschein neben ihr her.

Bootführer Birkig recolligirte sich zuerst und rief das uns
sowohl wie das Bild auf einen Schlag entzaubernde Wort über
das Wasser hin: "ob man uns einen Kaffee kochen wolle?" Das
bereitwilligste "Ja" klang zurück, und einige Minuten später
sprangen wir ans Ufer, hinter dessen Büschen jetzt die Kinder in
allen Stadien der Toilette standen und lagen, eines, das jüngste,
noch platt im Sande. Der im Kahne stehende Häusler oder
Käthner aber, der sich uns bald danach als Käthner Post vor-
stellte, war uns um ein paar Schritt entgegengekommen und bat
uns, in seine Wohnung einzutreten. Wir zogen indeß einen Platz
im Freien vor und machten es uns auf einem von Kirschbäumen
beschatteten Rasenplatze bequem. Was an Tisch und Bänken im
Hause war, stand bald draußen, und zuletzt erschien auch ein blau-
gemustertes Kaffeeservice, das unverkennbar einer besseren Zeit
angehörte. Der Käthner entstammte nämlich einer alten Spree-
walds-Honoratioren-Familie, daraus selbst Geistliche hervorge-
gangen waren, und ein leiser Unmuth über ein gewisses Zurück-
gebliebensein hinter diesen historischen Rangverhältnissen, lag auf
seinem Gesicht. Er sprach dies auch unumwunden aus und verrieth
überhaupt eine Nervosität, wie man ihr bei Leuten seines Standes
nur selten begegnet. Ich nahm ihn darauf hin von Anfang an
für einen Conventikler und fand es bestätigt, als er eine Weile
danach anfrug, ob es uns vielleicht genehm sein würde, seine Kinder
ein mehrstimmiges Lied singen zu hören, auf das sie leidlich einge-
übt seien? Wir bejahten die Frage natürlich und alsbald klang es
mit jener unwiderstehlichen Innigkeit, wie sie nur Kinderstimmen
eigen zu sein pflegt, durch die sommerstille Luft:

waren ihrer ſieben, das älteſte elf, das jüngſte kaum vier Jahr alt,
und aus Lachen und Kinder-Unſchuld wob ſich hier ein Bild, das
uns auf Augenblicke glauben machte, wir ſähen in eine feenhafte
Welt. Und daß wir dieſe Welt nicht ſtörten, das war ihr höchſter
Zauber. Ungeängſtigt und von keiner Scham überkommen, ſpielten
die Kinder weiter und tauchten unter und pruſteten das Waſſer
in die Höh’ wie junge Delphine. Das älteſte Mädchen war eine
Schönheit; ihre Augen lachten und das lange, aufgelöſte Haar
ſchwamm wie Sonnenſchein neben ihr her.

Bootführer Birkig recolligirte ſich zuerſt und rief das uns
ſowohl wie das Bild auf einen Schlag entzaubernde Wort über
das Waſſer hin: „ob man uns einen Kaffee kochen wolle?“ Das
bereitwilligſte „Ja“ klang zurück, und einige Minuten ſpäter
ſprangen wir ans Ufer, hinter deſſen Büſchen jetzt die Kinder in
allen Stadien der Toilette ſtanden und lagen, eines, das jüngſte,
noch platt im Sande. Der im Kahne ſtehende Häusler oder
Käthner aber, der ſich uns bald danach als Käthner Poſt vor-
ſtellte, war uns um ein paar Schritt entgegengekommen und bat
uns, in ſeine Wohnung einzutreten. Wir zogen indeß einen Platz
im Freien vor und machten es uns auf einem von Kirſchbäumen
beſchatteten Raſenplatze bequem. Was an Tiſch und Bänken im
Hauſe war, ſtand bald draußen, und zuletzt erſchien auch ein blau-
gemuſtertes Kaffeeſervice, das unverkennbar einer beſſeren Zeit
angehörte. Der Käthner entſtammte nämlich einer alten Spree-
walds-Honoratioren-Familie, daraus ſelbſt Geiſtliche hervorge-
gangen waren, und ein leiſer Unmuth über ein gewiſſes Zurück-
gebliebenſein hinter dieſen hiſtoriſchen Rangverhältniſſen, lag auf
ſeinem Geſicht. Er ſprach dies auch unumwunden aus und verrieth
überhaupt eine Nervoſität, wie man ihr bei Leuten ſeines Standes
nur ſelten begegnet. Ich nahm ihn darauf hin von Anfang an
für einen Conventikler und fand es beſtätigt, als er eine Weile
danach anfrug, ob es uns vielleicht genehm ſein würde, ſeine Kinder
ein mehrſtimmiges Lied ſingen zu hören, auf das ſie leidlich einge-
übt ſeien? Wir bejahten die Frage natürlich und alsbald klang es
mit jener unwiderſtehlichen Innigkeit, wie ſie nur Kinderſtimmen
eigen zu ſein pflegt, durch die ſommerſtille Luft:

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[12/0028] waren ihrer ſieben, das älteſte elf, das jüngſte kaum vier Jahr alt, und aus Lachen und Kinder-Unſchuld wob ſich hier ein Bild, das uns auf Augenblicke glauben machte, wir ſähen in eine feenhafte Welt. Und daß wir dieſe Welt nicht ſtörten, das war ihr höchſter Zauber. Ungeängſtigt und von keiner Scham überkommen, ſpielten die Kinder weiter und tauchten unter und pruſteten das Waſſer in die Höh’ wie junge Delphine. Das älteſte Mädchen war eine Schönheit; ihre Augen lachten und das lange, aufgelöſte Haar ſchwamm wie Sonnenſchein neben ihr her. Bootführer Birkig recolligirte ſich zuerſt und rief das uns ſowohl wie das Bild auf einen Schlag entzaubernde Wort über das Waſſer hin: „ob man uns einen Kaffee kochen wolle?“ Das bereitwilligſte „Ja“ klang zurück, und einige Minuten ſpäter ſprangen wir ans Ufer, hinter deſſen Büſchen jetzt die Kinder in allen Stadien der Toilette ſtanden und lagen, eines, das jüngſte, noch platt im Sande. Der im Kahne ſtehende Häusler oder Käthner aber, der ſich uns bald danach als Käthner Poſt vor- ſtellte, war uns um ein paar Schritt entgegengekommen und bat uns, in ſeine Wohnung einzutreten. Wir zogen indeß einen Platz im Freien vor und machten es uns auf einem von Kirſchbäumen beſchatteten Raſenplatze bequem. Was an Tiſch und Bänken im Hauſe war, ſtand bald draußen, und zuletzt erſchien auch ein blau- gemuſtertes Kaffeeſervice, das unverkennbar einer beſſeren Zeit angehörte. Der Käthner entſtammte nämlich einer alten Spree- walds-Honoratioren-Familie, daraus ſelbſt Geiſtliche hervorge- gangen waren, und ein leiſer Unmuth über ein gewiſſes Zurück- gebliebenſein hinter dieſen hiſtoriſchen Rangverhältniſſen, lag auf ſeinem Geſicht. Er ſprach dies auch unumwunden aus und verrieth überhaupt eine Nervoſität, wie man ihr bei Leuten ſeines Standes nur ſelten begegnet. Ich nahm ihn darauf hin von Anfang an für einen Conventikler und fand es beſtätigt, als er eine Weile danach anfrug, ob es uns vielleicht genehm ſein würde, ſeine Kinder ein mehrſtimmiges Lied ſingen zu hören, auf das ſie leidlich einge- übt ſeien? Wir bejahten die Frage natürlich und alsbald klang es mit jener unwiderſtehlichen Innigkeit, wie ſie nur Kinderſtimmen eigen zu ſein pflegt, durch die ſommerſtille Luft:

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/28>, abgerufen am 28.11.2024.