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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882.

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existirt*) und an dem mißachtend vorübergehen zu wollen, ein
Fehler wäre, den, so mein' ich, niemand aus freien Stücken be-
gehen wird, niemand, dem neben dem exakten Contour auch das
Colorit in der Kunst etwas bedeutet.


Ich erwähnte meiner Mitarbeiter und möchte der haupt-
sächlichsten derselben etwas eingehender gedenken dürfen.

Da sind vorerst die märkischen alten Familien: der Land-
und Landes-Adel aus den Tagen der Putlitz, Quitzow und
Rochow her. Die Gefühle für sie sind im Laufe von vierhundert
Jahren ziemlich unverändert geblieben, ziemlich unverändert wie
sie selbst. Und aus gleicher Ursach die gleiche Wirkung. Wirklich,
es lebt in unserm Adel nach wie vor ein naives Ueberzeugtsein
von seiner Herrscherfähigkeit und Herrscherberechtigung fort, ein
Ueberzeugtsein das zum Schaden ebensowohl des Ganzen wie der
einzelnen Theile, noch auf lange hin das Zustandekommen einer
auf Prinzipien und nicht blos auf Vorurtheil und Interesse basir-
ten Tory-Partei verhindern muß. Eine solche bedarf eben durch-
aus
des dritten Standes. Es wird aber nur wenige bürgerliche
"Honoratiores" geben, die nicht -- auch bei conservativster Schu-
lung und Naturanlage -- durch den Pseudo-Conservatismus
unsres Adels, der schließlich nichts will als sich selbst und das
was ihm dient, in peinlichste Verlegenheit und hellste Verzweiflung
gebracht worden wären. Immer wieder bricht es durch, erweist
eben noch gehegte Hoffnungen als eben so viele Täuschungen und
macht ein herzliches Zusammengehn auf die Dauer unmöglich.

*) Es liegt mir begreiflicherweise daran, einen so difficilen Punkt nach
Möglichkeit klargestellt zu sehen, weshalb ich mich auch noch in diese Anmer-
kung flüchte. Was an Historischem in diesen Wanderungen enthalten ist,
gruppirt sich: in allgemein Gekanntes, in wenig Gekanntes und in gar
nicht
Gekanntes. Es ist selbstverständlich, daß der Mann von Fach an der
ersten, räumlich sehr überwiegenden Gruppe vorübergehen muß und an der
zweiten (in der sich übrigens einige Raritäten vorfinden) vorübergehen kann.
Aber die dritte Gruppe, der beispielsweis alle Kirchenbuch-Aufzeichnungen
angehören, hat Anspruch auf Beachtung auch von Seiten des Berufshistorikers.
Dies im Hinblick auf Einzelheiten aussprechen, ist etwas sehr andres, als
mit dem Ganzen historische Prätensionen erheben.

exiſtirt*) und an dem mißachtend vorübergehen zu wollen, ein
Fehler wäre, den, ſo mein’ ich, niemand aus freien Stücken be-
gehen wird, niemand, dem neben dem exakten Contour auch das
Colorit in der Kunſt etwas bedeutet.


Ich erwähnte meiner Mitarbeiter und möchte der haupt-
ſächlichſten derſelben etwas eingehender gedenken dürfen.

Da ſind vorerſt die märkiſchen alten Familien: der Land-
und Landes-Adel aus den Tagen der Putlitz, Quitzow und
Rochow her. Die Gefühle für ſie ſind im Laufe von vierhundert
Jahren ziemlich unverändert geblieben, ziemlich unverändert wie
ſie ſelbſt. Und aus gleicher Urſach die gleiche Wirkung. Wirklich,
es lebt in unſerm Adel nach wie vor ein naives Ueberzeugtſein
von ſeiner Herrſcherfähigkeit und Herrſcherberechtigung fort, ein
Ueberzeugtſein das zum Schaden ebenſowohl des Ganzen wie der
einzelnen Theile, noch auf lange hin das Zuſtandekommen einer
auf Prinzipien und nicht blos auf Vorurtheil und Intereſſe baſir-
ten Tory-Partei verhindern muß. Eine ſolche bedarf eben durch-
aus
des dritten Standes. Es wird aber nur wenige bürgerliche
„Honoratiores“ geben, die nicht — auch bei conſervativſter Schu-
lung und Naturanlage — durch den Pſeudo-Conſervatismus
unſres Adels, der ſchließlich nichts will als ſich ſelbſt und das
was ihm dient, in peinlichſte Verlegenheit und hellſte Verzweiflung
gebracht worden wären. Immer wieder bricht es durch, erweiſt
eben noch gehegte Hoffnungen als eben ſo viele Täuſchungen und
macht ein herzliches Zuſammengehn auf die Dauer unmöglich.

*) Es liegt mir begreiflicherweiſe daran, einen ſo difficilen Punkt nach
Möglichkeit klargeſtellt zu ſehen, weshalb ich mich auch noch in dieſe Anmer-
kung flüchte. Was an Hiſtoriſchem in dieſen Wanderungen enthalten iſt,
gruppirt ſich: in allgemein Gekanntes, in wenig Gekanntes und in gar
nicht
Gekanntes. Es iſt ſelbſtverſtändlich, daß der Mann von Fach an der
erſten, räumlich ſehr überwiegenden Gruppe vorübergehen muß und an der
zweiten (in der ſich übrigens einige Raritäten vorfinden) vorübergehen kann.
Aber die dritte Gruppe, der beiſpielsweis alle Kirchenbuch-Aufzeichnungen
angehören, hat Anſpruch auf Beachtung auch von Seiten des Berufshiſtorikers.
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[453/0469] exiſtirt *) und an dem mißachtend vorübergehen zu wollen, ein Fehler wäre, den, ſo mein’ ich, niemand aus freien Stücken be- gehen wird, niemand, dem neben dem exakten Contour auch das Colorit in der Kunſt etwas bedeutet. Ich erwähnte meiner Mitarbeiter und möchte der haupt- ſächlichſten derſelben etwas eingehender gedenken dürfen. Da ſind vorerſt die märkiſchen alten Familien: der Land- und Landes-Adel aus den Tagen der Putlitz, Quitzow und Rochow her. Die Gefühle für ſie ſind im Laufe von vierhundert Jahren ziemlich unverändert geblieben, ziemlich unverändert wie ſie ſelbſt. Und aus gleicher Urſach die gleiche Wirkung. Wirklich, es lebt in unſerm Adel nach wie vor ein naives Ueberzeugtſein von ſeiner Herrſcherfähigkeit und Herrſcherberechtigung fort, ein Ueberzeugtſein das zum Schaden ebenſowohl des Ganzen wie der einzelnen Theile, noch auf lange hin das Zuſtandekommen einer auf Prinzipien und nicht blos auf Vorurtheil und Intereſſe baſir- ten Tory-Partei verhindern muß. Eine ſolche bedarf eben durch- aus des dritten Standes. Es wird aber nur wenige bürgerliche „Honoratiores“ geben, die nicht — auch bei conſervativſter Schu- lung und Naturanlage — durch den Pſeudo-Conſervatismus unſres Adels, der ſchließlich nichts will als ſich ſelbſt und das was ihm dient, in peinlichſte Verlegenheit und hellſte Verzweiflung gebracht worden wären. Immer wieder bricht es durch, erweiſt eben noch gehegte Hoffnungen als eben ſo viele Täuſchungen und macht ein herzliches Zuſammengehn auf die Dauer unmöglich. *) Es liegt mir begreiflicherweiſe daran, einen ſo difficilen Punkt nach Möglichkeit klargeſtellt zu ſehen, weshalb ich mich auch noch in dieſe Anmer- kung flüchte. Was an Hiſtoriſchem in dieſen Wanderungen enthalten iſt, gruppirt ſich: in allgemein Gekanntes, in wenig Gekanntes und in gar nicht Gekanntes. Es iſt ſelbſtverſtändlich, daß der Mann von Fach an der erſten, räumlich ſehr überwiegenden Gruppe vorübergehen muß und an der zweiten (in der ſich übrigens einige Raritäten vorfinden) vorübergehen kann. Aber die dritte Gruppe, der beiſpielsweis alle Kirchenbuch-Aufzeichnungen angehören, hat Anſpruch auf Beachtung auch von Seiten des Berufshiſtorikers. Dies im Hinblick auf Einzelheiten ausſprechen, iſt etwas ſehr andres, als mit dem Ganzen hiſtoriſche Prätenſionen erheben.

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 453. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/469>, abgerufen am 27.11.2024.