Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882.

Bild:
<< vorherige Seite

Staat, einen Kirchhof auf dem Kirchhof. Es sind fünf Gräber,
alle gleichmäßig von Epheu überwachsen. Darunter ruhen, neben
andern Mitgliedern der Familie, Felix Mendelssohn, Fanny
Mendelssohn (die Gattin Wilhelm Hensel's) und endlich Wilhelm
Hensel selbst. Dem Hause, dem er im Leben anhing, ist er auch
im Tode treu geblieben.

Alle Arten von Immergrün fassen das Gitter ein: Epheu,
Buchsbaum, Taxus, Lebensbaum und eine hohe Cypresse überragt
das Ganze. Die Gräber haben Marmorkreuze; nur zu Häupten
Fanny Hensel's steht ein zugeschrägter, schön polirter Granit, der,
außer Namen und Datum, die Worte trägt:

Gedanken gehn und Lieder
Fort bis ins Himmelreich,
Fort bis ins Himmelreich.

Auch die Noten der Liedeskomposition sind in Goldschrift
beigefügt, was einen sehr eingenthümlichen Eindruck macht. Worin
übrigens kein Tadel liegen soll. Im Gegentheil. Ich sehe nicht ein, wes-
halb nur Fahnen und Kanonen das Vorrecht genießen sollen, als
Denkmal- oder Grabstein-berechtigt zu gelten. Je häufiger und
consequenter diese langweilige Tradition durchbrochen wird, desto
besser.

W. H.'s Grabschrift lautet: Wilhelm Hensel, Professor
und Hofmaler; geb. zu Linum den 6. Juli 1794, gest. zu Berlin
den 26. November 1861.

Geboren zu Linum. Also doch! Und so bat ich denn
meinem Trebbiner Schützen-Major ab, über den großen Sohn
seiner Stadt, der sich nun schließlich als ein Linumer Kind
herausstellte, so schlecht unterrichtet gewesen zu sein.

Aber auch diese reumüthige Stimmung hatte keine Dauer
und konnte sie nicht haben. Er war eben doch ein Trebbiner.
Eine sich entspinnende Zeitungs-Controverse ließ mir, nach Aus-
tausch einiger Pro's und Contra's, endlich keine Zweifel darüber,
daß sich auch dieser Grabstein, in Geltendmachtung traditioneller
Vorrechte, geirrt habe.

Noch einmal also: W. Hensel geb. zu Trebbin!


Staat, einen Kirchhof auf dem Kirchhof. Es ſind fünf Gräber,
alle gleichmäßig von Epheu überwachſen. Darunter ruhen, neben
andern Mitgliedern der Familie, Felix Mendelsſohn, Fanny
Mendelsſohn (die Gattin Wilhelm Henſel’s) und endlich Wilhelm
Henſel ſelbſt. Dem Hauſe, dem er im Leben anhing, iſt er auch
im Tode treu geblieben.

Alle Arten von Immergrün faſſen das Gitter ein: Epheu,
Buchsbaum, Taxus, Lebensbaum und eine hohe Cypreſſe überragt
das Ganze. Die Gräber haben Marmorkreuze; nur zu Häupten
Fanny Henſel’s ſteht ein zugeſchrägter, ſchön polirter Granit, der,
außer Namen und Datum, die Worte trägt:

Gedanken gehn und Lieder
Fort bis ins Himmelreich,
Fort bis ins Himmelreich.

Auch die Noten der Liedeskompoſition ſind in Goldſchrift
beigefügt, was einen ſehr eingenthümlichen Eindruck macht. Worin
übrigens kein Tadel liegen ſoll. Im Gegentheil. Ich ſehe nicht ein, wes-
halb nur Fahnen und Kanonen das Vorrecht genießen ſollen, als
Denkmal- oder Grabſtein-berechtigt zu gelten. Je häufiger und
conſequenter dieſe langweilige Tradition durchbrochen wird, deſto
beſſer.

W. H.’s Grabſchrift lautet: Wilhelm Henſel, Profeſſor
und Hofmaler; geb. zu Linum den 6. Juli 1794, geſt. zu Berlin
den 26. November 1861.

Geboren zu Linum. Alſo doch! Und ſo bat ich denn
meinem Trebbiner Schützen-Major ab, über den großen Sohn
ſeiner Stadt, der ſich nun ſchließlich als ein Linumer Kind
herausſtellte, ſo ſchlecht unterrichtet geweſen zu ſein.

Aber auch dieſe reumüthige Stimmung hatte keine Dauer
und konnte ſie nicht haben. Er war eben doch ein Trebbiner.
Eine ſich entſpinnende Zeitungs-Controverſe ließ mir, nach Aus-
tauſch einiger Pro’s und Contra’s, endlich keine Zweifel darüber,
daß ſich auch dieſer Grabſtein, in Geltendmachtung traditioneller
Vorrechte, geirrt habe.

Noch einmal alſo: W. Henſel geb. zu Trebbin!


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0464" n="448"/>
Staat, einen Kirchhof auf dem Kirchhof. Es &#x017F;ind fünf Gräber,<lb/>
alle gleichmäßig von Epheu überwach&#x017F;en. Darunter ruhen, neben<lb/>
andern Mitgliedern der Familie, <hi rendition="#g">Felix Mendels&#x017F;ohn, Fanny</hi><lb/>
Mendels&#x017F;ohn (die Gattin Wilhelm Hen&#x017F;el&#x2019;s) und endlich Wilhelm<lb/>
Hen&#x017F;el &#x017F;elb&#x017F;t. Dem Hau&#x017F;e, dem er im Leben anhing, i&#x017F;t er auch<lb/>
im Tode treu geblieben.</p><lb/>
            <p>Alle Arten von Immergrün fa&#x017F;&#x017F;en das Gitter ein: Epheu,<lb/>
Buchsbaum, Taxus, Lebensbaum und eine hohe Cypre&#x017F;&#x017F;e überragt<lb/>
das Ganze. Die Gräber haben Marmorkreuze; nur zu Häupten<lb/>
Fanny Hen&#x017F;el&#x2019;s &#x017F;teht ein zuge&#x017F;chrägter, &#x017F;chön polirter Granit, der,<lb/>
außer Namen und Datum, die Worte trägt:</p><lb/>
            <lg type="poem">
              <l>Gedanken gehn und Lieder</l><lb/>
              <l>Fort bis ins Himmelreich,</l><lb/>
              <l>Fort bis ins Himmelreich.</l>
            </lg><lb/>
            <p>Auch die <hi rendition="#g">Noten</hi> der Liedeskompo&#x017F;ition &#x017F;ind in Gold&#x017F;chrift<lb/>
beigefügt, was einen &#x017F;ehr eingenthümlichen Eindruck macht. Worin<lb/>
übrigens kein Tadel liegen &#x017F;oll. Im Gegentheil. Ich &#x017F;ehe nicht ein, wes-<lb/>
halb nur Fahnen und Kanonen das Vorrecht genießen &#x017F;ollen, als<lb/>
Denkmal- oder Grab&#x017F;tein-berechtigt zu gelten. Je häufiger und<lb/>
con&#x017F;equenter die&#x017F;e langweilige Tradition durchbrochen wird, de&#x017F;to<lb/>
be&#x017F;&#x017F;er.</p><lb/>
            <p>W. H.&#x2019;s Grab&#x017F;chrift lautet: <hi rendition="#g">Wilhelm Hen&#x017F;el</hi>, Profe&#x017F;&#x017F;or<lb/>
und Hofmaler; geb. zu <hi rendition="#g">Linum</hi> den 6. Juli 1794, ge&#x017F;t. zu Berlin<lb/>
den 26. November 1861.</p><lb/>
            <p>Geboren zu <hi rendition="#g">Linum</hi>. Al&#x017F;o doch! Und &#x017F;o bat ich denn<lb/>
meinem Trebbiner Schützen-Major ab, über den großen Sohn<lb/>
&#x017F;einer Stadt, der &#x017F;ich nun &#x017F;chließlich als ein <hi rendition="#g">Linumer</hi> Kind<lb/>
heraus&#x017F;tellte, &#x017F;o &#x017F;chlecht unterrichtet gewe&#x017F;en zu &#x017F;ein.</p><lb/>
            <p>Aber auch die&#x017F;e reumüthige Stimmung hatte keine Dauer<lb/>
und <hi rendition="#g">konnte</hi> &#x017F;ie nicht haben. Er war eben <hi rendition="#g">doch</hi> ein Trebbiner.<lb/>
Eine &#x017F;ich ent&#x017F;pinnende Zeitungs-Controver&#x017F;e ließ mir, nach Aus-<lb/>
tau&#x017F;ch einiger Pro&#x2019;s und Contra&#x2019;s, endlich keine Zweifel darüber,<lb/>
daß &#x017F;ich auch <hi rendition="#g">die&#x017F;er</hi> Grab&#x017F;tein, in Geltendmachtung traditioneller<lb/>
Vorrechte, geirrt habe.</p><lb/>
            <p>Noch einmal al&#x017F;o: W. Hen&#x017F;el geb. zu <hi rendition="#g">Trebbin</hi>!</p>
          </div>
        </div>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
    </body>
  </text>
</TEI>
[448/0464] Staat, einen Kirchhof auf dem Kirchhof. Es ſind fünf Gräber, alle gleichmäßig von Epheu überwachſen. Darunter ruhen, neben andern Mitgliedern der Familie, Felix Mendelsſohn, Fanny Mendelsſohn (die Gattin Wilhelm Henſel’s) und endlich Wilhelm Henſel ſelbſt. Dem Hauſe, dem er im Leben anhing, iſt er auch im Tode treu geblieben. Alle Arten von Immergrün faſſen das Gitter ein: Epheu, Buchsbaum, Taxus, Lebensbaum und eine hohe Cypreſſe überragt das Ganze. Die Gräber haben Marmorkreuze; nur zu Häupten Fanny Henſel’s ſteht ein zugeſchrägter, ſchön polirter Granit, der, außer Namen und Datum, die Worte trägt: Gedanken gehn und Lieder Fort bis ins Himmelreich, Fort bis ins Himmelreich. Auch die Noten der Liedeskompoſition ſind in Goldſchrift beigefügt, was einen ſehr eingenthümlichen Eindruck macht. Worin übrigens kein Tadel liegen ſoll. Im Gegentheil. Ich ſehe nicht ein, wes- halb nur Fahnen und Kanonen das Vorrecht genießen ſollen, als Denkmal- oder Grabſtein-berechtigt zu gelten. Je häufiger und conſequenter dieſe langweilige Tradition durchbrochen wird, deſto beſſer. W. H.’s Grabſchrift lautet: Wilhelm Henſel, Profeſſor und Hofmaler; geb. zu Linum den 6. Juli 1794, geſt. zu Berlin den 26. November 1861. Geboren zu Linum. Alſo doch! Und ſo bat ich denn meinem Trebbiner Schützen-Major ab, über den großen Sohn ſeiner Stadt, der ſich nun ſchließlich als ein Linumer Kind herausſtellte, ſo ſchlecht unterrichtet geweſen zu ſein. Aber auch dieſe reumüthige Stimmung hatte keine Dauer und konnte ſie nicht haben. Er war eben doch ein Trebbiner. Eine ſich entſpinnende Zeitungs-Controverſe ließ mir, nach Aus- tauſch einiger Pro’s und Contra’s, endlich keine Zweifel darüber, daß ſich auch dieſer Grabſtein, in Geltendmachtung traditioneller Vorrechte, geirrt habe. Noch einmal alſo: W. Henſel geb. zu Trebbin!

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/464
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 448. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/464>, abgerufen am 27.11.2024.