einem alten Schildpat- oder Boule-Schranke aufbewahrt werden und die ganze obere Hälfte desselben füllen. Schon die bloßen Mappen-Deckel bilden eine Sehenswürdigkeit. Bekanntlich gab es in früheren Jahrhunderten auch eine Buchbinde-Kunst, und einer solchen halbuntergegangenen Kunst-Epoche scheinen diese Mappen anzugehören. Sie sind alle verschieden in Farbe wie Stoff; Sammt, Seide, Maroquin wechseln ab; das Vergilbte und Ver- schossene kleidet ihnen gut; die Goldverzierungen sind schön erhal- ten; einzelne tragen auf dem oberen Deckel ein Mosaikbild oder eine Gemme. Darunter ein geschnittener Onyx von der Größe einer Damenuhr, die Entführung der Europa darstellend. Ebenso schön wie werthvoll.
Diese siebenundvierzig Mappen nun, die von 1815 bis 1861 reichen und je nach der Jahresausbeute dünn oder voluminös sind, enthalten nicht weniger als 1027 Portraitköpfe. Man darf sagen, alles oder doch fast alles, was in diesem langen Zeitabschnitt in ganz Mittel-Europa zu Ruhm und Ansehen gelangte, das giebt sich hier ein Rendezvous. Gruppiren wir den Gesammtinhalt nach den Nationalitäten, so finden wir, außer ungezählten Deutschen, 52 Engländer, 43 Italiener, 31 Franzosen, 17 Russen und Polen, und in Einzel-Exemplaren gesellen sich ihnen zu: Griechen, Fanarioten, Rumänier, Montenegriner, selbst ein indischer Fürst und ein Mexikaner. Lassen wir die Scheidung nach Natio- nalitäten fallen und gruppiren statt dessen nach Beruf und Lebens- stellung, so geben die Mappen, unter Ausschluß der Fürstlichkeiten, die das stärkste Contingent stellen, folgendes an Ausbeute: Dich- ter, Gelehrte, Schriftsteller 89; Architekten, Maler, Bildhauer, Componisten 62; Staatsmänner und Generale 51; Schauspieler und Sänger 21.
Aus der Gruppe der Dichter, Gelehrten und Schriftsteller stehe hier etwa die Hälfte der Namen. Es sind: Bettina v. Ar- nim; Maxe, Armgard, Gisela v. Arnim; Boeckh; Clemens Bren- tano; Geh. Rath Bunsen; Michel Beer; Dr. Carl Blum; Prof. Droysen; Ehrenberg; La Motte Fouque; Prof. Gans; Goethe; Jaacob Grimm; Paul Heyse; Henriette Hertz; J. T. A. Hoffmann; Alexander v. Humboldt; Klingemann; Th. Körner; Adam Müller; Wilhelm Müller; Müllner; Frau v. Paalzow; Fürst Pückler;
einem alten Schildpat- oder Boule-Schranke aufbewahrt werden und die ganze obere Hälfte deſſelben füllen. Schon die bloßen Mappen-Deckel bilden eine Sehenswürdigkeit. Bekanntlich gab es in früheren Jahrhunderten auch eine Buchbinde-Kunſt, und einer ſolchen halbuntergegangenen Kunſt-Epoche ſcheinen dieſe Mappen anzugehören. Sie ſind alle verſchieden in Farbe wie Stoff; Sammt, Seide, Maroquin wechſeln ab; das Vergilbte und Ver- ſchoſſene kleidet ihnen gut; die Goldverzierungen ſind ſchön erhal- ten; einzelne tragen auf dem oberen Deckel ein Moſaikbild oder eine Gemme. Darunter ein geſchnittener Onyx von der Größe einer Damenuhr, die Entführung der Europa darſtellend. Ebenſo ſchön wie werthvoll.
Dieſe ſiebenundvierzig Mappen nun, die von 1815 bis 1861 reichen und je nach der Jahresausbeute dünn oder voluminös ſind, enthalten nicht weniger als 1027 Portraitköpfe. Man darf ſagen, alles oder doch faſt alles, was in dieſem langen Zeitabſchnitt in ganz Mittel-Europa zu Ruhm und Anſehen gelangte, das giebt ſich hier ein Rendezvous. Gruppiren wir den Geſammtinhalt nach den Nationalitäten, ſo finden wir, außer ungezählten Deutſchen, 52 Engländer, 43 Italiener, 31 Franzoſen, 17 Ruſſen und Polen, und in Einzel-Exemplaren geſellen ſich ihnen zu: Griechen, Fanarioten, Rumänier, Montenegriner, ſelbſt ein indiſcher Fürſt und ein Mexikaner. Laſſen wir die Scheidung nach Natio- nalitäten fallen und gruppiren ſtatt deſſen nach Beruf und Lebens- ſtellung, ſo geben die Mappen, unter Ausſchluß der Fürſtlichkeiten, die das ſtärkſte Contingent ſtellen, folgendes an Ausbeute: Dich- ter, Gelehrte, Schriftſteller 89; Architekten, Maler, Bildhauer, Componiſten 62; Staatsmänner und Generale 51; Schauſpieler und Sänger 21.
Aus der Gruppe der Dichter, Gelehrten und Schriftſteller ſtehe hier etwa die Hälfte der Namen. Es ſind: Bettina v. Ar- nim; Maxe, Armgard, Giſela v. Arnim; Boeckh; Clemens Bren- tano; Geh. Rath Bunſen; Michel Beer; Dr. Carl Blum; Prof. Droyſen; Ehrenberg; La Motte Fouqué; Prof. Gans; Goethe; Jaacob Grimm; Paul Heyſe; Henriette Hertz; J. T. A. Hoffmann; Alexander v. Humboldt; Klingemann; Th. Körner; Adam Müller; Wilhelm Müller; Müllner; Frau v. Paalzow; Fürſt Pückler;
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0461"n="445"/>
einem alten Schildpat- oder Boule-Schranke aufbewahrt werden<lb/>
und die ganze obere Hälfte deſſelben füllen. Schon die bloßen<lb/>
Mappen-Deckel bilden eine Sehenswürdigkeit. Bekanntlich gab es<lb/>
in früheren Jahrhunderten auch eine Buchbinde-<hirendition="#g">Kunſt</hi>, und einer<lb/>ſolchen halbuntergegangenen Kunſt-Epoche ſcheinen dieſe Mappen<lb/>
anzugehören. Sie ſind alle verſchieden in Farbe wie Stoff;<lb/>
Sammt, Seide, Maroquin wechſeln ab; das Vergilbte und Ver-<lb/>ſchoſſene kleidet ihnen gut; die Goldverzierungen ſind ſchön erhal-<lb/>
ten; einzelne tragen auf dem oberen Deckel ein Moſaikbild oder eine<lb/>
Gemme. Darunter ein geſchnittener Onyx von der Größe einer<lb/>
Damenuhr, die Entführung der Europa darſtellend. Ebenſo ſchön<lb/>
wie werthvoll.</p><lb/><p>Dieſe ſiebenundvierzig Mappen nun, die von 1815 bis 1861<lb/>
reichen und je nach der Jahresausbeute dünn oder voluminös<lb/>ſind, enthalten nicht weniger als 1027 Portraitköpfe. Man darf<lb/>ſagen, alles oder doch faſt alles, was in dieſem langen Zeitabſchnitt<lb/>
in ganz Mittel-Europa zu Ruhm und Anſehen gelangte, das giebt<lb/>ſich hier ein Rendezvous. Gruppiren wir den Geſammtinhalt<lb/>
nach den <hirendition="#g">Nationalitäten</hi>, ſo finden wir, außer ungezählten<lb/>
Deutſchen, 52 Engländer, 43 Italiener, 31 Franzoſen, 17 Ruſſen<lb/>
und Polen, und in Einzel-Exemplaren geſellen ſich ihnen zu:<lb/>
Griechen, Fanarioten, Rumänier, Montenegriner, ſelbſt ein indiſcher<lb/>
Fürſt und ein Mexikaner. Laſſen wir die Scheidung nach Natio-<lb/>
nalitäten fallen und gruppiren ſtatt deſſen nach <hirendition="#g">Beruf</hi> und <hirendition="#g">Lebens-<lb/>ſtellung</hi>, ſo geben die Mappen, unter Ausſchluß der Fürſtlichkeiten,<lb/>
die das ſtärkſte Contingent ſtellen, folgendes an Ausbeute: Dich-<lb/>
ter, Gelehrte, Schriftſteller 89; Architekten, Maler, Bildhauer,<lb/>
Componiſten 62; Staatsmänner und Generale 51; Schauſpieler<lb/>
und Sänger 21.</p><lb/><p>Aus der Gruppe der Dichter, Gelehrten und Schriftſteller<lb/>ſtehe hier etwa die Hälfte der Namen. Es ſind: Bettina v. Ar-<lb/>
nim; Maxe, Armgard, Giſela v. Arnim; Boeckh; Clemens Bren-<lb/>
tano; Geh. Rath Bunſen; Michel Beer; <hirendition="#aq">Dr.</hi> Carl Blum; Prof.<lb/>
Droyſen; Ehrenberg; La Motte Fouqu<hirendition="#aq">é</hi>; Prof. Gans; Goethe;<lb/>
Jaacob Grimm; Paul Heyſe; Henriette Hertz; J. T. A. Hoffmann;<lb/>
Alexander v. Humboldt; Klingemann; Th. Körner; Adam Müller;<lb/>
Wilhelm Müller; Müllner; Frau v. Paalzow; Fürſt Pückler;<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[445/0461]
einem alten Schildpat- oder Boule-Schranke aufbewahrt werden
und die ganze obere Hälfte deſſelben füllen. Schon die bloßen
Mappen-Deckel bilden eine Sehenswürdigkeit. Bekanntlich gab es
in früheren Jahrhunderten auch eine Buchbinde-Kunſt, und einer
ſolchen halbuntergegangenen Kunſt-Epoche ſcheinen dieſe Mappen
anzugehören. Sie ſind alle verſchieden in Farbe wie Stoff;
Sammt, Seide, Maroquin wechſeln ab; das Vergilbte und Ver-
ſchoſſene kleidet ihnen gut; die Goldverzierungen ſind ſchön erhal-
ten; einzelne tragen auf dem oberen Deckel ein Moſaikbild oder eine
Gemme. Darunter ein geſchnittener Onyx von der Größe einer
Damenuhr, die Entführung der Europa darſtellend. Ebenſo ſchön
wie werthvoll.
Dieſe ſiebenundvierzig Mappen nun, die von 1815 bis 1861
reichen und je nach der Jahresausbeute dünn oder voluminös
ſind, enthalten nicht weniger als 1027 Portraitköpfe. Man darf
ſagen, alles oder doch faſt alles, was in dieſem langen Zeitabſchnitt
in ganz Mittel-Europa zu Ruhm und Anſehen gelangte, das giebt
ſich hier ein Rendezvous. Gruppiren wir den Geſammtinhalt
nach den Nationalitäten, ſo finden wir, außer ungezählten
Deutſchen, 52 Engländer, 43 Italiener, 31 Franzoſen, 17 Ruſſen
und Polen, und in Einzel-Exemplaren geſellen ſich ihnen zu:
Griechen, Fanarioten, Rumänier, Montenegriner, ſelbſt ein indiſcher
Fürſt und ein Mexikaner. Laſſen wir die Scheidung nach Natio-
nalitäten fallen und gruppiren ſtatt deſſen nach Beruf und Lebens-
ſtellung, ſo geben die Mappen, unter Ausſchluß der Fürſtlichkeiten,
die das ſtärkſte Contingent ſtellen, folgendes an Ausbeute: Dich-
ter, Gelehrte, Schriftſteller 89; Architekten, Maler, Bildhauer,
Componiſten 62; Staatsmänner und Generale 51; Schauſpieler
und Sänger 21.
Aus der Gruppe der Dichter, Gelehrten und Schriftſteller
ſtehe hier etwa die Hälfte der Namen. Es ſind: Bettina v. Ar-
nim; Maxe, Armgard, Giſela v. Arnim; Boeckh; Clemens Bren-
tano; Geh. Rath Bunſen; Michel Beer; Dr. Carl Blum; Prof.
Droyſen; Ehrenberg; La Motte Fouqué; Prof. Gans; Goethe;
Jaacob Grimm; Paul Heyſe; Henriette Hertz; J. T. A. Hoffmann;
Alexander v. Humboldt; Klingemann; Th. Körner; Adam Müller;
Wilhelm Müller; Müllner; Frau v. Paalzow; Fürſt Pückler;
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der vierte Band "Spreeland. Beeskow-Storkow und Barnim-Teltow" 1882 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 445. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/461>, abgerufen am 26.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.