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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882.

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Den Widerstand des Vaters, der auch jetzt noch fortdanerte,
brach endlich der Tod. Pastor Hensel starb 1811 und unser
Wilhelm Hensel war nun Maler. Er studirte Anatomie und
Perspektive, zeichnete nach der Antike und dem lebenden Modell
und bewährte sich als so tüchtig, daß er schon 1812 die Kunst-
ausstellung (die erste, die in Berlin überhaupt stattfand) beschicken
konnte.

Der Frühling 1813 unterbrach die kaum begonnene Laufbahn.
Von Jugend auf voll patriotischen Eifers, folgte er dem "Aufruf"
und trat in das eben damals errichtete Garde-Kosaken-Regiment
ein. Ein kleines Gouachebild, im Besitz der Familie, stellt ihn
blondlockig unter einem schwarzen Barett in dieser phantastischen
Uniform dar. Er machte in dem genannten Truppentheile, der
sehr bald in Namen und Erscheinung sich borussificirte, die Schlachten
bei Lützen und Bautzen mit, trat dann zu den freiwilligen Jägern
über, nahm Theil an den Kämpfen des York'schen Corps und war
unter denen, die zwei Mal in Paris einzogen. 1815 als Offizier.
Hier war es auch, wo er in den Bildersälen des Louvre die Be-
kanntschaft des Grafen Blankensee machte und den Grund zu einem
Freundschaftsverhältniß legte, das bis zum Tode fortbestand.

Nach dem Friedensschlusse kehrte W. Hensel zu seiner Kunst
zurück, freilich auch zu seinen Bedrängnissen. Seit dem Tode des
Vaters war es ihm eine Ehrenpflicht gewesen, für Mutter und
Geschwister zu schaffen und zu sorgen; in diese Pflicht trat er jetzt
wieder ein. Er malte Bildnisse, radirte Blätter, fertigte Zeich-
nungen für Almanache und Kalender, und sah sich durch Arbeiten
dieser und ähnlicher Art in seinem Studium allerdings gehemmt;
sein Fleiß indeß und sein Vertrauen halfen über alles hinweg.

So vergingen Jahre, bis der Winter 1821 plötzlich Wandel
schaffte.

Um die genannte Zeit (Januar 1821) war das russische
Thronfolgerpaar, der spätere Kaiser Nicolaus und seine Gemahlin,
zum Besuch in Berlin eingetroffen. Ein großes Fest sollte die Gegen-
wart Beider feiern und man beschloß den eigentlichen Festes-Inhalt
dem eben damals erschienenen und von aller Welt bewunderten
Gedichte Thomas Moore's: "Lallah Rukh" zu entnehmen. Es
war eine gute Wahl: der Gegenstand neu, die Situationen fesselnd,

Den Widerſtand des Vaters, der auch jetzt noch fortdanerte,
brach endlich der Tod. Paſtor Henſel ſtarb 1811 und unſer
Wilhelm Henſel war nun Maler. Er ſtudirte Anatomie und
Perſpektive, zeichnete nach der Antike und dem lebenden Modell
und bewährte ſich als ſo tüchtig, daß er ſchon 1812 die Kunſt-
ausſtellung (die erſte, die in Berlin überhaupt ſtattfand) beſchicken
konnte.

Der Frühling 1813 unterbrach die kaum begonnene Laufbahn.
Von Jugend auf voll patriotiſchen Eifers, folgte er dem „Aufruf“
und trat in das eben damals errichtete Garde-Koſaken-Regiment
ein. Ein kleines Gouachebild, im Beſitz der Familie, ſtellt ihn
blondlockig unter einem ſchwarzen Barett in dieſer phantaſtiſchen
Uniform dar. Er machte in dem genannten Truppentheile, der
ſehr bald in Namen und Erſcheinung ſich boruſſificirte, die Schlachten
bei Lützen und Bautzen mit, trat dann zu den freiwilligen Jägern
über, nahm Theil an den Kämpfen des York’ſchen Corps und war
unter denen, die zwei Mal in Paris einzogen. 1815 als Offizier.
Hier war es auch, wo er in den Bilderſälen des Louvre die Be-
kanntſchaft des Grafen Blankenſee machte und den Grund zu einem
Freundſchaftsverhältniß legte, das bis zum Tode fortbeſtand.

Nach dem Friedensſchluſſe kehrte W. Henſel zu ſeiner Kunſt
zurück, freilich auch zu ſeinen Bedrängniſſen. Seit dem Tode des
Vaters war es ihm eine Ehrenpflicht geweſen, für Mutter und
Geſchwiſter zu ſchaffen und zu ſorgen; in dieſe Pflicht trat er jetzt
wieder ein. Er malte Bildniſſe, radirte Blätter, fertigte Zeich-
nungen für Almanache und Kalender, und ſah ſich durch Arbeiten
dieſer und ähnlicher Art in ſeinem Studium allerdings gehemmt;
ſein Fleiß indeß und ſein Vertrauen halfen über alles hinweg.

So vergingen Jahre, bis der Winter 1821 plötzlich Wandel
ſchaffte.

Um die genannte Zeit (Januar 1821) war das ruſſiſche
Thronfolgerpaar, der ſpätere Kaiſer Nicolaus und ſeine Gemahlin,
zum Beſuch in Berlin eingetroffen. Ein großes Feſt ſollte die Gegen-
wart Beider feiern und man beſchloß den eigentlichen Feſtes-Inhalt
dem eben damals erſchienenen und von aller Welt bewunderten
Gedichte Thomas Moore’s: „Lallah Rukh“ zu entnehmen. Es
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[436/0452] Den Widerſtand des Vaters, der auch jetzt noch fortdanerte, brach endlich der Tod. Paſtor Henſel ſtarb 1811 und unſer Wilhelm Henſel war nun Maler. Er ſtudirte Anatomie und Perſpektive, zeichnete nach der Antike und dem lebenden Modell und bewährte ſich als ſo tüchtig, daß er ſchon 1812 die Kunſt- ausſtellung (die erſte, die in Berlin überhaupt ſtattfand) beſchicken konnte. Der Frühling 1813 unterbrach die kaum begonnene Laufbahn. Von Jugend auf voll patriotiſchen Eifers, folgte er dem „Aufruf“ und trat in das eben damals errichtete Garde-Koſaken-Regiment ein. Ein kleines Gouachebild, im Beſitz der Familie, ſtellt ihn blondlockig unter einem ſchwarzen Barett in dieſer phantaſtiſchen Uniform dar. Er machte in dem genannten Truppentheile, der ſehr bald in Namen und Erſcheinung ſich boruſſificirte, die Schlachten bei Lützen und Bautzen mit, trat dann zu den freiwilligen Jägern über, nahm Theil an den Kämpfen des York’ſchen Corps und war unter denen, die zwei Mal in Paris einzogen. 1815 als Offizier. Hier war es auch, wo er in den Bilderſälen des Louvre die Be- kanntſchaft des Grafen Blankenſee machte und den Grund zu einem Freundſchaftsverhältniß legte, das bis zum Tode fortbeſtand. Nach dem Friedensſchluſſe kehrte W. Henſel zu ſeiner Kunſt zurück, freilich auch zu ſeinen Bedrängniſſen. Seit dem Tode des Vaters war es ihm eine Ehrenpflicht geweſen, für Mutter und Geſchwiſter zu ſchaffen und zu ſorgen; in dieſe Pflicht trat er jetzt wieder ein. Er malte Bildniſſe, radirte Blätter, fertigte Zeich- nungen für Almanache und Kalender, und ſah ſich durch Arbeiten dieſer und ähnlicher Art in ſeinem Studium allerdings gehemmt; ſein Fleiß indeß und ſein Vertrauen halfen über alles hinweg. So vergingen Jahre, bis der Winter 1821 plötzlich Wandel ſchaffte. Um die genannte Zeit (Januar 1821) war das ruſſiſche Thronfolgerpaar, der ſpätere Kaiſer Nicolaus und ſeine Gemahlin, zum Beſuch in Berlin eingetroffen. Ein großes Feſt ſollte die Gegen- wart Beider feiern und man beſchloß den eigentlichen Feſtes-Inhalt dem eben damals erſchienenen und von aller Welt bewunderten Gedichte Thomas Moore’s: „Lallah Rukh“ zu entnehmen. Es war eine gute Wahl: der Gegenſtand neu, die Situationen feſſelnd,

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 436. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/452>, abgerufen am 26.11.2024.