Alles was die Nuthe trennte, hieß zwar nur Teltow und Zauche, wird mithin in den großen Büchern nicht verzeichnet stehn; aber es traf sich nichts destoweniger, daß, auf ein ganzes Jahrhundert hin, diese zwei Namen zwei Welten bedeuteten und schieden. Die Zauche, durch Albrecht den Bären unter- worfen, war christlich und deutsch, der Teltow, den alten Göttern treu verblieben, stak noch in Heiden- und Wendenthum. Das war die Zeit, als die Nuthe ihre großen historischen Tage zählte; das war das Jahrhundert der "Nutheburgen." Ob diese letzteren Aggressiv- oder Defensiv-Punkte waren, ob sie die Deutschen bauten, um von der Zauche her den Teltow zu erobern, oder ob sie die Wenden bauten, um der vordringenden Eroberung einen Damm entgegenzusetzen, -- diese Fragen werden nie mehr gelöst werden; alle Aufzeichnungen fehlen und die Schlüsse, die man aus diesem und jenem gezogen hat, bleiben einfach Hypothese. Die Nutheburgen jener ersten christlichen Epoche sind todt, hinge- schwunden für immer. Aber um eben deshalb vielleicht zählen sie zu den Lieblingen märkisch archäologischer Forschung. Es ist wenig mehr als ihre Namen, was man kennt. An den Flügeln lagen: Pots- dam und Trebbin, im Centrum: Beuthen und Saarmund.
Saarmund, unter diesen vier Nuthe-Burgen vielleicht die verschollenste, genoß dafür des Vorzugs eines poetischen Namens. Daß er an diesem Punkt überhaupt entstehen konnte, war das Resultat einer Nuthe-Großthat. Arm aber edel, und viel- leicht auch all das Herrliche vorahnend, das hier einstens erblühen werde, zweigte die Nuthe selbstsuchtslos einen Wasserarm von sich ab und wohl zugleich auch aus eigner schmerzlicher Erfahrung wissend, was eines Namens Wohlklang bedeute, gab sie diesem abgezweigten Arme den Namen Saare mit auf den Lebensweg. Und siehe da, die Vorahnung hatte nicht getrogen. An eben der Stelle, wo (wie schon erzählt) ins alte Nuthe-bett die kaum geborene Saare wieder einmündet, erwuchs Saarmund. Im Rücken der Stadt aber, an den Südhängen der Zauche-Hügel, entstanden Weinberge über Weinberge, so daß Deutschland ein paar Jahrhunderte lang der Aus- zeichnung genoß, einen doppelten Saarwein zu produciren: einen
Alles was die Nuthe trennte, hieß zwar nur Teltow und Zauche, wird mithin in den großen Büchern nicht verzeichnet ſtehn; aber es traf ſich nichts deſtoweniger, daß, auf ein ganzes Jahrhundert hin, dieſe zwei Namen zwei Welten bedeuteten und ſchieden. Die Zauche, durch Albrecht den Bären unter- worfen, war chriſtlich und deutſch, der Teltow, den alten Göttern treu verblieben, ſtak noch in Heiden- und Wendenthum. Das war die Zeit, als die Nuthe ihre großen hiſtoriſchen Tage zählte; das war das Jahrhundert der „Nutheburgen.“ Ob dieſe letzteren Aggreſſiv- oder Defenſiv-Punkte waren, ob ſie die Deutſchen bauten, um von der Zauche her den Teltow zu erobern, oder ob ſie die Wenden bauten, um der vordringenden Eroberung einen Damm entgegenzuſetzen, — dieſe Fragen werden nie mehr gelöſt werden; alle Aufzeichnungen fehlen und die Schlüſſe, die man aus dieſem und jenem gezogen hat, bleiben einfach Hypotheſe. Die Nutheburgen jener erſten chriſtlichen Epoche ſind todt, hinge- ſchwunden für immer. Aber um eben deshalb vielleicht zählen ſie zu den Lieblingen märkiſch archäologiſcher Forſchung. Es iſt wenig mehr als ihre Namen, was man kennt. An den Flügeln lagen: Pots- dam und Trebbin, im Centrum: Beuthen und Saarmund.
Saarmund, unter dieſen vier Nuthe-Burgen vielleicht die verſchollenſte, genoß dafür des Vorzugs eines poetiſchen Namens. Daß er an dieſem Punkt überhaupt entſtehen konnte, war das Reſultat einer Nuthe-Großthat. Arm aber edel, und viel- leicht auch all das Herrliche vorahnend, das hier einſtens erblühen werde, zweigte die Nuthe ſelbſtſuchtslos einen Waſſerarm von ſich ab und wohl zugleich auch aus eigner ſchmerzlicher Erfahrung wiſſend, was eines Namens Wohlklang bedeute, gab ſie dieſem abgezweigten Arme den Namen Saare mit auf den Lebensweg. Und ſiehe da, die Vorahnung hatte nicht getrogen. An eben der Stelle, wo (wie ſchon erzählt) ins alte Nuthe-bett die kaum geborene Saare wieder einmündet, erwuchs Saarmund. Im Rücken der Stadt aber, an den Südhängen der Zauche-Hügel, entſtanden Weinberge über Weinberge, ſo daß Deutſchland ein paar Jahrhunderte lang der Aus- zeichnung genoß, einen doppelten Saarwein zu produciren: einen
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0434"n="418"/><p>Alles was die Nuthe trennte, hieß zwar nur <hirendition="#g">Teltow</hi> und<lb/><hirendition="#g">Zauche</hi>, wird mithin in den großen Büchern nicht verzeichnet<lb/>ſtehn; aber es traf ſich nichts deſtoweniger, daß, auf ein<lb/>
ganzes Jahrhundert hin, dieſe zwei Namen zwei Welten bedeuteten<lb/>
und ſchieden. Die <hirendition="#g">Zauche</hi>, durch Albrecht den Bären unter-<lb/>
worfen, war chriſtlich und deutſch, der <hirendition="#g">Teltow</hi>, den alten Göttern<lb/>
treu verblieben, ſtak noch in Heiden- und Wendenthum. Das<lb/>
war die Zeit, als die Nuthe ihre großen hiſtoriſchen Tage zählte;<lb/>
das war das Jahrhundert der „<hirendition="#g">Nutheburgen</hi>.“ Ob dieſe letzteren<lb/>
Aggreſſiv- oder Defenſiv-Punkte waren, ob ſie die <hirendition="#g">Deutſchen</hi><lb/>
bauten, um von der Zauche her den Teltow zu erobern, oder ob<lb/>ſie die <hirendition="#g">Wenden</hi> bauten, um der vordringenden Eroberung einen<lb/>
Damm entgegenzuſetzen, — dieſe Fragen werden nie mehr gelöſt<lb/>
werden; alle Aufzeichnungen fehlen und die Schlüſſe, die man aus<lb/>
dieſem und jenem gezogen hat, bleiben einfach Hypotheſe. Die<lb/>
Nutheburgen jener erſten chriſtlichen Epoche ſind todt, hinge-<lb/>ſchwunden für immer. Aber um eben deshalb vielleicht zählen ſie<lb/>
zu den Lieblingen märkiſch archäologiſcher Forſchung. Es iſt wenig<lb/>
mehr als ihre Namen, was man kennt. An den Flügeln lagen: Pots-<lb/>
dam und Trebbin, im Centrum: Beuthen und <hirendition="#g">Saarmund</hi>.</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><p>Saarmund, unter dieſen vier Nuthe-Burgen vielleicht die<lb/>
verſchollenſte, genoß dafür des Vorzugs eines poetiſchen Namens.<lb/>
Daß er an dieſem Punkt überhaupt entſtehen konnte, war<lb/>
das Reſultat einer Nuthe-Großthat. Arm aber edel, und viel-<lb/>
leicht auch all das Herrliche vorahnend, das hier einſtens erblühen<lb/>
werde, zweigte die Nuthe ſelbſtſuchtslos einen Waſſerarm von ſich<lb/>
ab und wohl zugleich auch aus eigner ſchmerzlicher Erfahrung wiſſend,<lb/>
was eines Namens Wohlklang bedeute, gab ſie dieſem abgezweigten<lb/>
Arme den Namen <hirendition="#g">Saare</hi> mit auf den Lebensweg. Und ſiehe da,<lb/>
die Vorahnung hatte nicht getrogen. An eben der Stelle, wo (wie<lb/>ſchon erzählt) ins alte Nuthe-bett die kaum geborene Saare wieder<lb/>
einmündet, erwuchs <hirendition="#g">Saarmund</hi>. Im Rücken der Stadt aber,<lb/>
an den Südhängen der Zauche-Hügel, entſtanden Weinberge über<lb/>
Weinberge, ſo daß Deutſchland ein paar Jahrhunderte lang der Aus-<lb/>
zeichnung genoß, einen doppelten Saarwein zu produciren: einen<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[418/0434]
Alles was die Nuthe trennte, hieß zwar nur Teltow und
Zauche, wird mithin in den großen Büchern nicht verzeichnet
ſtehn; aber es traf ſich nichts deſtoweniger, daß, auf ein
ganzes Jahrhundert hin, dieſe zwei Namen zwei Welten bedeuteten
und ſchieden. Die Zauche, durch Albrecht den Bären unter-
worfen, war chriſtlich und deutſch, der Teltow, den alten Göttern
treu verblieben, ſtak noch in Heiden- und Wendenthum. Das
war die Zeit, als die Nuthe ihre großen hiſtoriſchen Tage zählte;
das war das Jahrhundert der „Nutheburgen.“ Ob dieſe letzteren
Aggreſſiv- oder Defenſiv-Punkte waren, ob ſie die Deutſchen
bauten, um von der Zauche her den Teltow zu erobern, oder ob
ſie die Wenden bauten, um der vordringenden Eroberung einen
Damm entgegenzuſetzen, — dieſe Fragen werden nie mehr gelöſt
werden; alle Aufzeichnungen fehlen und die Schlüſſe, die man aus
dieſem und jenem gezogen hat, bleiben einfach Hypotheſe. Die
Nutheburgen jener erſten chriſtlichen Epoche ſind todt, hinge-
ſchwunden für immer. Aber um eben deshalb vielleicht zählen ſie
zu den Lieblingen märkiſch archäologiſcher Forſchung. Es iſt wenig
mehr als ihre Namen, was man kennt. An den Flügeln lagen: Pots-
dam und Trebbin, im Centrum: Beuthen und Saarmund.
Saarmund, unter dieſen vier Nuthe-Burgen vielleicht die
verſchollenſte, genoß dafür des Vorzugs eines poetiſchen Namens.
Daß er an dieſem Punkt überhaupt entſtehen konnte, war
das Reſultat einer Nuthe-Großthat. Arm aber edel, und viel-
leicht auch all das Herrliche vorahnend, das hier einſtens erblühen
werde, zweigte die Nuthe ſelbſtſuchtslos einen Waſſerarm von ſich
ab und wohl zugleich auch aus eigner ſchmerzlicher Erfahrung wiſſend,
was eines Namens Wohlklang bedeute, gab ſie dieſem abgezweigten
Arme den Namen Saare mit auf den Lebensweg. Und ſiehe da,
die Vorahnung hatte nicht getrogen. An eben der Stelle, wo (wie
ſchon erzählt) ins alte Nuthe-bett die kaum geborene Saare wieder
einmündet, erwuchs Saarmund. Im Rücken der Stadt aber,
an den Südhängen der Zauche-Hügel, entſtanden Weinberge über
Weinberge, ſo daß Deutſchland ein paar Jahrhunderte lang der Aus-
zeichnung genoß, einen doppelten Saarwein zu produciren: einen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der vierte Band "Spreeland. Beeskow-Storkow und Barnim-Teltow" 1882 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 418. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/434>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.