Das v. d. Reckesche Haus wurde verkauft (ich weiß nicht, wann) und die Mendelssohns kauften es. Sie besaßen es erst kurze Zeit, da gab es eine hohe Feier hier: die Freiwilligen zogen aus und ein Abschiedsfest versammelte sie in diesem Garten. Eine lange Tafel war gedeckt und aus der Mitte der Tafel wuchs der alte Eibenbaum auf, wie ein Weihnachtsbaum, ungeschmückt, -- nur die Hoffnung sah goldne Früchte in seinem Grün.
Und die Hoffnung hatte nicht gelogen: der Friede kam mit goldner Frucht, und die heitern Künste schaarten sich jetzt um den Eibenbaum, der, ernst wie immer, aber nicht unwirsch dreinschaute. Felix Mendelssohn, halb ein Knabe noch, hörte unter seinem mondlichtdurchglitzerten Dach die Musik tanzender Elfen.
Und wieder andere Zeiten kamen. Vieles war begraben, Menschen und Dinge; da zog sich auch über dem Eibenbaum ein ernstes Wetter zusammen. Wer weiß, was geschehen wäre, wenn nicht des Eibenbaums bester Freund noch gelebt hätte -- der lenkte den Strahl ab.
1852 brannte die "Erste Kammer" nieder (damals in der Oberwallstraße); das Mendelssohnsche Haus, sammt Garten und Eibenbaum, wurde gekauft und das Preußische Oberhaus hielt seinen Einzug an neuer Stelle. Niemand ahnte Böses; da ergab sich's, daß die Räumlichkeiten nicht ausreichten, -- es mußte gebaut werden. Ein großes Hintergebäude sollte den feh- lenden Raum schaffen. So weit war Alles klipp und klar, wenn nur der Eibenbaum nicht gewesen wäre. Der schuf die Schwierigkeit, der "beherrschte die Situation." Einige wollten zwar kurzen Proceß mit ihm machen und ihm einfach den Kopf vor die Füße legen; aber die hatten es sehr versehen. Sie erfuhren bald zu ihrem Leidwesen, welch hohen Fürsprecher der Baum an entscheidender Stelle hatte.
Was war zu thun? Der Baum stand just da, wo das neue Gebäude seinen Platz finden sollte. 1851 in London hatte man über zwei alte Hydeparkbäume die Kuppel des Glaspalastes
Das v. d. Reckeſche Haus wurde verkauft (ich weiß nicht, wann) und die Mendelsſohns kauften es. Sie beſaßen es erſt kurze Zeit, da gab es eine hohe Feier hier: die Freiwilligen zogen aus und ein Abſchiedsfeſt verſammelte ſie in dieſem Garten. Eine lange Tafel war gedeckt und aus der Mitte der Tafel wuchs der alte Eibenbaum auf, wie ein Weihnachtsbaum, ungeſchmückt, — nur die Hoffnung ſah goldne Früchte in ſeinem Grün.
Und die Hoffnung hatte nicht gelogen: der Friede kam mit goldner Frucht, und die heitern Künſte ſchaarten ſich jetzt um den Eibenbaum, der, ernſt wie immer, aber nicht unwirſch dreinſchaute. Felix Mendelsſohn, halb ein Knabe noch, hörte unter ſeinem mondlichtdurchglitzerten Dach die Muſik tanzender Elfen.
Und wieder andere Zeiten kamen. Vieles war begraben, Menſchen und Dinge; da zog ſich auch über dem Eibenbaum ein ernſtes Wetter zuſammen. Wer weiß, was geſchehen wäre, wenn nicht des Eibenbaums beſter Freund noch gelebt hätte — der lenkte den Strahl ab.
1852 brannte die „Erſte Kammer“ nieder (damals in der Oberwallſtraße); das Mendelsſohnſche Haus, ſammt Garten und Eibenbaum, wurde gekauft und das Preußiſche Oberhaus hielt ſeinen Einzug an neuer Stelle. Niemand ahnte Böſes; da ergab ſich’s, daß die Räumlichkeiten nicht ausreichten, — es mußte gebaut werden. Ein großes Hintergebäude ſollte den feh- lenden Raum ſchaffen. So weit war Alles klipp und klar, wenn nur der Eibenbaum nicht geweſen wäre. Der ſchuf die Schwierigkeit, der „beherrſchte die Situation.“ Einige wollten zwar kurzen Proceß mit ihm machen und ihm einfach den Kopf vor die Füße legen; aber die hatten es ſehr verſehen. Sie erfuhren bald zu ihrem Leidweſen, welch hohen Fürſprecher der Baum an entſcheidender Stelle hatte.
Was war zu thun? Der Baum ſtand juſt da, wo das neue Gebäude ſeinen Platz finden ſollte. 1851 in London hatte man über zwei alte Hydeparkbäume die Kuppel des Glaspalaſtes
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Das v. d. Reckeſche Haus wurde verkauft (ich weiß nicht,
wann) und die Mendelsſohns kauften es. Sie beſaßen es erſt
kurze Zeit, da gab es eine hohe Feier hier: die Freiwilligen
zogen aus und ein Abſchiedsfeſt verſammelte ſie in dieſem Garten.
Eine lange Tafel war gedeckt und aus der Mitte der Tafel
wuchs der alte Eibenbaum auf, wie ein Weihnachtsbaum,
ungeſchmückt, — nur die Hoffnung ſah goldne Früchte in
ſeinem Grün.
Und die Hoffnung hatte nicht gelogen: der Friede kam mit
goldner Frucht, und die heitern Künſte ſchaarten ſich jetzt um
den Eibenbaum, der, ernſt wie immer, aber nicht unwirſch
dreinſchaute. Felix Mendelsſohn, halb ein Knabe noch, hörte
unter ſeinem mondlichtdurchglitzerten Dach die Muſik tanzender
Elfen.
Und wieder andere Zeiten kamen. Vieles war begraben,
Menſchen und Dinge; da zog ſich auch über dem Eibenbaum
ein ernſtes Wetter zuſammen. Wer weiß, was geſchehen wäre,
wenn nicht des Eibenbaums beſter Freund noch gelebt hätte —
der lenkte den Strahl ab.
1852 brannte die „Erſte Kammer“ nieder (damals in der
Oberwallſtraße); das Mendelsſohnſche Haus, ſammt Garten und
Eibenbaum, wurde gekauft und das Preußiſche Oberhaus hielt
ſeinen Einzug an neuer Stelle. Niemand ahnte Böſes; da
ergab ſich’s, daß die Räumlichkeiten nicht ausreichten, — es
mußte gebaut werden. Ein großes Hintergebäude ſollte den feh-
lenden Raum ſchaffen. So weit war Alles klipp und klar,
wenn nur der Eibenbaum nicht geweſen wäre. Der ſchuf die
Schwierigkeit, der „beherrſchte die Situation.“ Einige wollten
zwar kurzen Proceß mit ihm machen und ihm einfach den Kopf
vor die Füße legen; aber die hatten es ſehr verſehen. Sie
erfuhren bald zu ihrem Leidweſen, welch hohen Fürſprecher der
Baum an entſcheidender Stelle hatte.
Was war zu thun? Der Baum ſtand juſt da, wo das
neue Gebäude ſeinen Platz finden ſollte. 1851 in London hatte
man über zwei alte Hydeparkbäume die Kuppel des Glaspalaſtes
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der dritte Band "Ost-Havelland. Die Landschaft um Spandau, Potsdam, Brandenburg" 1873 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/75>, abgerufen am 25.11.2024.
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