Noch einmal hob er seinen Blick, dann sagt er dumpf: "die Spiegelung! Ein Blendwerk, ärger als der Smum, bösartiger Geister Zeitvertreib;" Er schwieg, das Meteor verschwand. Freiligrath (Mirage).
Unser Ausflug nach Gütergotz hatte uns in den "Teltow" geführt, wir kehren heute in das eigentliche Gebiet unserer Wanderungen, in Havelland-Zauche zurück. Nach etwa halb- stündiger Fahrt mündet der über ein Plateau führende Weg in ein breites, von Nord nach Süd sich hinziehendes Thal ein, und durchschneidet es quer, in der Richtung von Ost nach West. Dies Thal ist das Nuthethal.
Der Wasserlauf (die Nuthe), der diesem Thal den Namen giebt, entspringt auf dem hohen Vläming bei Jüterbog in Nähe des historischen Dorfes Dennewitz, wendet sich nordwärts, bil- det die Grenze zwischen Teltow und Zauche und fließt bei Pots- dam in die Havel. Beinahe unbemerkt, unter Sumpf und Wiesen versteckt. Wer tagelang an Rhin oder Finow, an Stobber und Löcknitz, an Notte und Nieplitz entlang gezogen, der blickt, wenn die Spree oder gar die Havel sich plötzlich wie- der vor ihm aufthut, auf ihre blaue, seenreiche Fläche, als zöge die Wolga an ihm vorüber. Der Maßstab ist Alles.
Zu diesen Kleinsten, denen die Aufgabe zufällt, die Klei- nen zu heben oder groß zu machen, gehört also auch die Nuthe; aber sie hat nebenher dies und das vor ihres Gleichen voraus, manches, das sie, -- als genösse sie alle Vorzüge einer höheren Geburt -- ohne Weiteres in die "Gesellschaft," in den Kreis
Saarmund und die Nutheburgen.
Noch einmal hob er ſeinen Blick, dann ſagt er dumpf: „die Spiegelung! Ein Blendwerk, ärger als der Smum, bösartiger Geiſter Zeitvertreib;“ Er ſchwieg, das Meteor verſchwand. Freiligrath (Mirage).
Unſer Ausflug nach Gütergotz hatte uns in den „Teltow“ geführt, wir kehren heute in das eigentliche Gebiet unſerer Wanderungen, in Havelland-Zauche zurück. Nach etwa halb- ſtündiger Fahrt mündet der über ein Plateau führende Weg in ein breites, von Nord nach Süd ſich hinziehendes Thal ein, und durchſchneidet es quer, in der Richtung von Oſt nach Weſt. Dies Thal iſt das Nuthethal.
Der Waſſerlauf (die Nuthe), der dieſem Thal den Namen giebt, entſpringt auf dem hohen Vläming bei Jüterbog in Nähe des hiſtoriſchen Dorfes Dennewitz, wendet ſich nordwärts, bil- det die Grenze zwiſchen Teltow und Zauche und fließt bei Pots- dam in die Havel. Beinahe unbemerkt, unter Sumpf und Wieſen verſteckt. Wer tagelang an Rhin oder Finow, an Stobber und Löcknitz, an Notte und Nieplitz entlang gezogen, der blickt, wenn die Spree oder gar die Havel ſich plötzlich wie- der vor ihm aufthut, auf ihre blaue, ſeenreiche Fläche, als zöge die Wolga an ihm vorüber. Der Maßſtab iſt Alles.
Zu dieſen Kleinſten, denen die Aufgabe zufällt, die Klei- nen zu heben oder groß zu machen, gehört alſo auch die Nuthe; aber ſie hat nebenher dies und das vor ihres Gleichen voraus, manches, das ſie, — als genöſſe ſie alle Vorzüge einer höheren Geburt — ohne Weiteres in die „Geſellſchaft,“ in den Kreis
<TEI><text><body><pbfacs="#f0381"n="[363]"/><divn="1"><head><hirendition="#b">Saarmund und die Nutheburgen.</hi></head><lb/><citrendition="#et"><quote>Noch einmal hob er ſeinen Blick, dann ſagt er dumpf: „die Spiegelung!<lb/>
Ein Blendwerk, ärger als der Smum, bösartiger Geiſter Zeitvertreib;“<lb/>
Er ſchwieg, das Meteor verſchwand.</quote><lb/><bibl><hirendition="#b">Freiligrath</hi> (Mirage).</bibl></cit><lb/><p><hirendition="#in">U</hi>nſer Ausflug nach Gütergotz hatte uns in den „Teltow“<lb/>
geführt, wir kehren heute in das eigentliche Gebiet unſerer<lb/>
Wanderungen, in Havelland-Zauche zurück. Nach etwa halb-<lb/>ſtündiger Fahrt mündet der über ein Plateau führende Weg in<lb/>
ein breites, von Nord nach Süd ſich hinziehendes Thal ein,<lb/>
und durchſchneidet es <hirendition="#g">quer</hi>, in der Richtung von Oſt nach<lb/>
Weſt. Dies Thal iſt das <hirendition="#g">Nuthethal</hi>.</p><lb/><p>Der Waſſerlauf (die Nuthe), der dieſem Thal den Namen<lb/>
giebt, entſpringt auf dem hohen Vläming bei Jüterbog in Nähe<lb/>
des hiſtoriſchen Dorfes Dennewitz, wendet ſich nordwärts, bil-<lb/>
det die Grenze zwiſchen Teltow und Zauche und fließt bei Pots-<lb/>
dam in die Havel. Beinahe unbemerkt, unter Sumpf und<lb/>
Wieſen verſteckt. Wer tagelang an Rhin oder Finow, an<lb/>
Stobber und Löcknitz, an Notte und Nieplitz entlang gezogen,<lb/>
der blickt, wenn die Spree oder gar die Havel ſich plötzlich wie-<lb/>
der vor ihm aufthut, auf ihre blaue, ſeenreiche Fläche, als zöge<lb/>
die Wolga an ihm vorüber. Der Maßſtab iſt Alles.</p><lb/><p>Zu dieſen Kleinſten, denen die Aufgabe zufällt, die Klei-<lb/>
nen zu heben oder groß zu machen, gehört alſo auch die Nuthe;<lb/>
aber ſie hat nebenher dies und das vor ihres Gleichen voraus,<lb/>
manches, das ſie, — als genöſſe ſie alle Vorzüge einer höheren<lb/>
Geburt — ohne Weiteres in die „Geſellſchaft,“ in den Kreis<lb/></p></div></body></text></TEI>
[[363]/0381]
Saarmund und die Nutheburgen.
Noch einmal hob er ſeinen Blick, dann ſagt er dumpf: „die Spiegelung!
Ein Blendwerk, ärger als der Smum, bösartiger Geiſter Zeitvertreib;“
Er ſchwieg, das Meteor verſchwand.
Freiligrath (Mirage).
Unſer Ausflug nach Gütergotz hatte uns in den „Teltow“
geführt, wir kehren heute in das eigentliche Gebiet unſerer
Wanderungen, in Havelland-Zauche zurück. Nach etwa halb-
ſtündiger Fahrt mündet der über ein Plateau führende Weg in
ein breites, von Nord nach Süd ſich hinziehendes Thal ein,
und durchſchneidet es quer, in der Richtung von Oſt nach
Weſt. Dies Thal iſt das Nuthethal.
Der Waſſerlauf (die Nuthe), der dieſem Thal den Namen
giebt, entſpringt auf dem hohen Vläming bei Jüterbog in Nähe
des hiſtoriſchen Dorfes Dennewitz, wendet ſich nordwärts, bil-
det die Grenze zwiſchen Teltow und Zauche und fließt bei Pots-
dam in die Havel. Beinahe unbemerkt, unter Sumpf und
Wieſen verſteckt. Wer tagelang an Rhin oder Finow, an
Stobber und Löcknitz, an Notte und Nieplitz entlang gezogen,
der blickt, wenn die Spree oder gar die Havel ſich plötzlich wie-
der vor ihm aufthut, auf ihre blaue, ſeenreiche Fläche, als zöge
die Wolga an ihm vorüber. Der Maßſtab iſt Alles.
Zu dieſen Kleinſten, denen die Aufgabe zufällt, die Klei-
nen zu heben oder groß zu machen, gehört alſo auch die Nuthe;
aber ſie hat nebenher dies und das vor ihres Gleichen voraus,
manches, das ſie, — als genöſſe ſie alle Vorzüge einer höheren
Geburt — ohne Weiteres in die „Geſellſchaft,“ in den Kreis
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der dritte Band "Ost-Havelland. Die Landschaft um Spandau, Potsdam, Brandenburg" 1873 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. [363]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/381>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.