als die Aufstellung der Preußen, insonderheit ihrer Cavallerie beendigt und geordnet war, und so wiederholte sich hier zu Ungunsten der Preußen dieselbe Scene, die sie am entgegen- gesetzten Flügel, ihrerseits siegreich durchgeführt hatten. Die preußischen Dragoner wurden geworfen, die Infanterie-Colonnen, zumal die in Front stehenden Bataillone Prinz Leopold mit in den Wirrwarr hineingerissen und endlich alles in wildem Durch- einander durch das brennende Dorf Chotusitz hindurch gejagt. Reserven rückten vor und nahmen den Kampf wieder auf, aber im selben Augenblick stoben, wie durch ein böses Ohngefähr, vom entgegengesetzten Flügel her, die flüchtigen Reitermassen heran, die dort dem Vordringen der Preußen hatten weichen müssen, und nun eben rechtzeitig genug erschienen, um dem ohnehin siegreichen Stoß der Ihrigen eine gesteigerte Wucht zu geben. In diesem Augenblick äußerster Gefahr war es, wo der kriegerische Geist in unserem Seegebart plötzlich lebendig wurde und zunächst den Kampf wiederherstellend, endlich alles zu Heil und Sieg hinaus führte. Seegebart selbst hat dies sein Eingreifen in den Gang der Schlacht mit so viel Anschau- lichkeit und Bescheidenheit geschildert, daß es wie geboten erscheint, ihn an dieser Stelle mit seinen eigenen Worten ein- zuführen:
"Als unser Regiment nun retirirte und zum Theil mit feindlicher Cavallerie und Grenadiers vermischt war, jug ich spohrenstreichs hin und wieder durch dasselbe und redete den Burschen und Offiziers beweglich und N. B. recht ernstlich zu, daß sie sich widersetzen und fassen sollten. Einige schrieen mich gleich an mit einem lauten: Ja! und waren bereit und willig, wurden aber von der andringenden Macht verhindert, kamen aber doch wieder zu stehen. Als ich dieses that, flogen mir die Kugeln so dick um den Kopf als wenn man in einem Schwarm sausender Mücken stehet, doch hat Gottlob mich keine, auch nicht einmal den Roquelour verletzt. Ein Bursch hat mein Pferd in diesem Lärm mit dem Bajonette erstechen wollen; aber ein anderer hat es ihm weggeschlagen. Bis hierher hatte ich
als die Aufſtellung der Preußen, inſonderheit ihrer Cavallerie beendigt und geordnet war, und ſo wiederholte ſich hier zu Ungunſten der Preußen dieſelbe Scene, die ſie am entgegen- geſetzten Flügel, ihrerſeits ſiegreich durchgeführt hatten. Die preußiſchen Dragoner wurden geworfen, die Infanterie-Colonnen, zumal die in Front ſtehenden Bataillone Prinz Leopold mit in den Wirrwarr hineingeriſſen und endlich alles in wildem Durch- einander durch das brennende Dorf Chotuſitz hindurch gejagt. Reſerven rückten vor und nahmen den Kampf wieder auf, aber im ſelben Augenblick ſtoben, wie durch ein böſes Ohngefähr, vom entgegengeſetzten Flügel her, die flüchtigen Reitermaſſen heran, die dort dem Vordringen der Preußen hatten weichen müſſen, und nun eben rechtzeitig genug erſchienen, um dem ohnehin ſiegreichen Stoß der Ihrigen eine geſteigerte Wucht zu geben. In dieſem Augenblick äußerſter Gefahr war es, wo der kriegeriſche Geiſt in unſerem Seegebart plötzlich lebendig wurde und zunächſt den Kampf wiederherſtellend, endlich alles zu Heil und Sieg hinaus führte. Seegebart ſelbſt hat dies ſein Eingreifen in den Gang der Schlacht mit ſo viel Anſchau- lichkeit und Beſcheidenheit geſchildert, daß es wie geboten erſcheint, ihn an dieſer Stelle mit ſeinen eigenen Worten ein- zuführen:
„Als unſer Regiment nun retirirte und zum Theil mit feindlicher Cavallerie und Grenadiers vermiſcht war, jug ich ſpohrenſtreichs hin und wieder durch daſſelbe und redete den Burſchen und Offiziers beweglich und N. B. recht ernſtlich zu, daß ſie ſich widerſetzen und faſſen ſollten. Einige ſchrieen mich gleich an mit einem lauten: Ja! und waren bereit und willig, wurden aber von der andringenden Macht verhindert, kamen aber doch wieder zu ſtehen. Als ich dieſes that, flogen mir die Kugeln ſo dick um den Kopf als wenn man in einem Schwarm ſauſender Mücken ſtehet, doch hat Gottlob mich keine, auch nicht einmal den Roquelour verletzt. Ein Burſch hat mein Pferd in dieſem Lärm mit dem Bajonette erſtechen wollen; aber ein anderer hat es ihm weggeſchlagen. Bis hierher hatte ich
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0366"n="348"/>
als die Aufſtellung der Preußen, inſonderheit ihrer Cavallerie<lb/>
beendigt und geordnet war, und ſo wiederholte ſich hier zu<lb/>
Ungunſten der Preußen dieſelbe Scene, die ſie am entgegen-<lb/>
geſetzten Flügel, ihrerſeits ſiegreich durchgeführt hatten. Die<lb/>
preußiſchen Dragoner wurden geworfen, die Infanterie-Colonnen,<lb/>
zumal die in Front ſtehenden Bataillone Prinz Leopold mit in<lb/>
den Wirrwarr hineingeriſſen und endlich alles in wildem Durch-<lb/>
einander durch das brennende Dorf Chotuſitz hindurch gejagt.<lb/>
Reſerven rückten vor und nahmen den Kampf wieder auf, aber<lb/>
im ſelben Augenblick ſtoben, wie durch ein böſes Ohngefähr,<lb/>
vom entgegengeſetzten Flügel her, die flüchtigen Reitermaſſen<lb/>
heran, die dort dem Vordringen der Preußen hatten weichen<lb/>
müſſen, und nun eben rechtzeitig genug erſchienen, um dem<lb/>
ohnehin ſiegreichen Stoß der Ihrigen eine geſteigerte Wucht zu<lb/>
geben. In dieſem Augenblick äußerſter Gefahr war es, wo<lb/>
der kriegeriſche Geiſt in unſerem Seegebart plötzlich lebendig<lb/>
wurde und zunächſt den Kampf wiederherſtellend, endlich alles<lb/>
zu Heil und Sieg hinaus führte. Seegebart ſelbſt hat dies<lb/>ſein Eingreifen in den Gang der Schlacht mit ſo viel Anſchau-<lb/>
lichkeit und Beſcheidenheit geſchildert, daß es wie geboten<lb/>
erſcheint, ihn an dieſer Stelle mit ſeinen eigenen Worten ein-<lb/>
zuführen:</p><lb/><p>„Als unſer Regiment nun retirirte und zum Theil mit<lb/>
feindlicher Cavallerie und Grenadiers vermiſcht war, jug ich<lb/>ſpohrenſtreichs hin und wieder durch daſſelbe und redete den<lb/>
Burſchen und Offiziers beweglich und <hirendition="#aq">N. B.</hi> recht ernſtlich zu,<lb/>
daß ſie ſich widerſetzen und faſſen ſollten. Einige ſchrieen mich<lb/>
gleich an mit einem lauten: Ja! und waren bereit und willig,<lb/>
wurden aber von der andringenden Macht verhindert, kamen<lb/>
aber doch wieder zu ſtehen. Als ich dieſes that, flogen mir die<lb/>
Kugeln ſo dick um den Kopf als wenn man in einem Schwarm<lb/>ſauſender Mücken ſtehet, doch hat Gottlob mich keine, auch<lb/>
nicht einmal den Roquelour verletzt. Ein Burſch hat mein<lb/>
Pferd in dieſem Lärm mit dem Bajonette erſtechen wollen; aber<lb/>
ein anderer hat es ihm weggeſchlagen. Bis hierher hatte ich<lb/></p></div></body></text></TEI>
[348/0366]
als die Aufſtellung der Preußen, inſonderheit ihrer Cavallerie
beendigt und geordnet war, und ſo wiederholte ſich hier zu
Ungunſten der Preußen dieſelbe Scene, die ſie am entgegen-
geſetzten Flügel, ihrerſeits ſiegreich durchgeführt hatten. Die
preußiſchen Dragoner wurden geworfen, die Infanterie-Colonnen,
zumal die in Front ſtehenden Bataillone Prinz Leopold mit in
den Wirrwarr hineingeriſſen und endlich alles in wildem Durch-
einander durch das brennende Dorf Chotuſitz hindurch gejagt.
Reſerven rückten vor und nahmen den Kampf wieder auf, aber
im ſelben Augenblick ſtoben, wie durch ein böſes Ohngefähr,
vom entgegengeſetzten Flügel her, die flüchtigen Reitermaſſen
heran, die dort dem Vordringen der Preußen hatten weichen
müſſen, und nun eben rechtzeitig genug erſchienen, um dem
ohnehin ſiegreichen Stoß der Ihrigen eine geſteigerte Wucht zu
geben. In dieſem Augenblick äußerſter Gefahr war es, wo
der kriegeriſche Geiſt in unſerem Seegebart plötzlich lebendig
wurde und zunächſt den Kampf wiederherſtellend, endlich alles
zu Heil und Sieg hinaus führte. Seegebart ſelbſt hat dies
ſein Eingreifen in den Gang der Schlacht mit ſo viel Anſchau-
lichkeit und Beſcheidenheit geſchildert, daß es wie geboten
erſcheint, ihn an dieſer Stelle mit ſeinen eigenen Worten ein-
zuführen:
„Als unſer Regiment nun retirirte und zum Theil mit
feindlicher Cavallerie und Grenadiers vermiſcht war, jug ich
ſpohrenſtreichs hin und wieder durch daſſelbe und redete den
Burſchen und Offiziers beweglich und N. B. recht ernſtlich zu,
daß ſie ſich widerſetzen und faſſen ſollten. Einige ſchrieen mich
gleich an mit einem lauten: Ja! und waren bereit und willig,
wurden aber von der andringenden Macht verhindert, kamen
aber doch wieder zu ſtehen. Als ich dieſes that, flogen mir die
Kugeln ſo dick um den Kopf als wenn man in einem Schwarm
ſauſender Mücken ſtehet, doch hat Gottlob mich keine, auch
nicht einmal den Roquelour verletzt. Ein Burſch hat mein
Pferd in dieſem Lärm mit dem Bajonette erſtechen wollen; aber
ein anderer hat es ihm weggeſchlagen. Bis hierher hatte ich
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der dritte Band "Ost-Havelland. Die Landschaft um Spandau, Potsdam, Brandenburg" 1873 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 348. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/366>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.