Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873.

Bild:
<< vorherige Seite

Aufzeichnungen von Seegebarts eigener Hand. Am 11. März,
nach längerem Aufenthalt in Berlin betrat das Regiment schle-
sischen Boden, zeichnete sich bei der Erstürmung von Glogau
aus, focht bei Molwitz und bezog im October das Winter-
quartier in Böhmen. Hier blieb es in Reserve, während der
König in Mähren einrückte. Erst im Frühjahr 1742 vereinigte
sich das Regiment wieder mit der aus Mähren zurückgehenden
Haupt-Armee und war mit unter den Truppen, die am
17. Mai 1742 der österreichischen Armee unter dem Prinzen
Karl von Lothringen bei Chotusitz eine Viertelmeile von Czas-
lau gegenüber standen.

Dieser Tag von Czaslau oder Chotusitz ist der Kriegs- und
Ehrentag unsres Seegebart. Gegen 8 Uhr Morgens begann
die Schlacht, die östreichische Infanterie eröffnete den Angriff,
und warf sich auf den rechten preußischen Flügel, litt aber,
durch Kanonen und Klein-Gewehr-Feuer so stark, daß einzelne
Regimenter den Rücken kehrten, und, trotzdem sie von ihren
eigenen Officieren in kaum glaubhafter Anzahl niedergestochen
wurden, nicht wieder zum Stehen zu bringen waren. Jetzt
sollten Kavallerie-Chargen die Scharte auswetzen. Mit großem
Ungestüm schritt man zur Attacke; aber vergeblich. Mal auf
mal wurden die Chargen abgeschlagen und die rückgehenden
Regimenter schließlich mit solcher Vehemenz verfolgt, daß die
dahinter aufgestellte Infanterie mit in die Flucht verwickelt und
zum Theil niedergemacht, zum Theil über das Feld hin zer-
streut wurde.

So standen die Dinge am rechten Flügel, zum Theil
auch im Centrum. Alles ließ sich glücklich an und schien einen
raschen Sieg zu versprechen; aber völlig entgegengesetzt sah es
am linken Flügel aus, wo unser Seegebart auf einer kleinen
Fuchsstute im Rücken seines Regiments hielt. Hier standen
6 Bataillone in Colonne und zwar in Front 2 Bataillone
Prinz Leopold, dahinter einzelne Bataillone der Regimenter La
Motte, Schwerin, von Holstein und Prinz Ferdinand. Das
Unglück wollte, daß der Angriff der Oestreicher eher erfolgte,

Aufzeichnungen von Seegebarts eigener Hand. Am 11. März,
nach längerem Aufenthalt in Berlin betrat das Regiment ſchle-
ſiſchen Boden, zeichnete ſich bei der Erſtürmung von Glogau
aus, focht bei Molwitz und bezog im October das Winter-
quartier in Böhmen. Hier blieb es in Reſerve, während der
König in Mähren einrückte. Erſt im Frühjahr 1742 vereinigte
ſich das Regiment wieder mit der aus Mähren zurückgehenden
Haupt-Armee und war mit unter den Truppen, die am
17. Mai 1742 der öſterreichiſchen Armee unter dem Prinzen
Karl von Lothringen bei Chotuſitz eine Viertelmeile von Czas-
lau gegenüber ſtanden.

Dieſer Tag von Czaslau oder Chotuſitz iſt der Kriegs- und
Ehrentag unſres Seegebart. Gegen 8 Uhr Morgens begann
die Schlacht, die öſtreichiſche Infanterie eröffnete den Angriff,
und warf ſich auf den rechten preußiſchen Flügel, litt aber,
durch Kanonen und Klein-Gewehr-Feuer ſo ſtark, daß einzelne
Regimenter den Rücken kehrten, und, trotzdem ſie von ihren
eigenen Officieren in kaum glaubhafter Anzahl niedergeſtochen
wurden, nicht wieder zum Stehen zu bringen waren. Jetzt
ſollten Kavallerie-Chargen die Scharte auswetzen. Mit großem
Ungeſtüm ſchritt man zur Attacke; aber vergeblich. Mal auf
mal wurden die Chargen abgeſchlagen und die rückgehenden
Regimenter ſchließlich mit ſolcher Vehemenz verfolgt, daß die
dahinter aufgeſtellte Infanterie mit in die Flucht verwickelt und
zum Theil niedergemacht, zum Theil über das Feld hin zer-
ſtreut wurde.

So ſtanden die Dinge am rechten Flügel, zum Theil
auch im Centrum. Alles ließ ſich glücklich an und ſchien einen
raſchen Sieg zu verſprechen; aber völlig entgegengeſetzt ſah es
am linken Flügel aus, wo unſer Seegebart auf einer kleinen
Fuchsſtute im Rücken ſeines Regiments hielt. Hier ſtanden
6 Bataillone in Colonne und zwar in Front 2 Bataillone
Prinz Leopold, dahinter einzelne Bataillone der Regimenter La
Motte, Schwerin, von Holſtein und Prinz Ferdinand. Das
Unglück wollte, daß der Angriff der Oeſtreicher eher erfolgte,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0365" n="347"/>
Aufzeichnungen von Seegebarts eigener Hand. Am 11. März,<lb/>
nach längerem Aufenthalt in Berlin betrat das Regiment &#x017F;chle-<lb/>
&#x017F;i&#x017F;chen Boden, zeichnete &#x017F;ich bei der Er&#x017F;türmung von Glogau<lb/>
aus, focht bei Molwitz und bezog im October das Winter-<lb/>
quartier in Böhmen. Hier blieb es in Re&#x017F;erve, während der<lb/>
König in Mähren einrückte. Er&#x017F;t im Frühjahr 1742 vereinigte<lb/>
&#x017F;ich das Regiment wieder mit der aus Mähren zurückgehenden<lb/>
Haupt-Armee und war mit unter den Truppen, die am<lb/>
17. Mai 1742 der ö&#x017F;terreichi&#x017F;chen Armee unter dem Prinzen<lb/>
Karl von Lothringen bei Chotu&#x017F;itz eine Viertelmeile von Czas-<lb/>
lau gegenüber &#x017F;tanden.</p><lb/>
        <p>Die&#x017F;er Tag von Czaslau oder Chotu&#x017F;itz i&#x017F;t der Kriegs- und<lb/>
Ehrentag un&#x017F;res Seegebart. Gegen 8 Uhr Morgens begann<lb/>
die Schlacht, die ö&#x017F;treichi&#x017F;che Infanterie eröffnete den Angriff,<lb/>
und warf &#x017F;ich auf den rechten preußi&#x017F;chen Flügel, litt aber,<lb/>
durch Kanonen und Klein-Gewehr-Feuer &#x017F;o &#x017F;tark, daß einzelne<lb/>
Regimenter den Rücken kehrten, und, trotzdem &#x017F;ie von ihren<lb/>
eigenen Officieren in kaum glaubhafter Anzahl niederge&#x017F;tochen<lb/>
wurden, nicht wieder zum Stehen zu bringen waren. Jetzt<lb/>
&#x017F;ollten Kavallerie-Chargen die Scharte auswetzen. Mit großem<lb/>
Unge&#x017F;tüm &#x017F;chritt man zur Attacke; aber vergeblich. Mal auf<lb/>
mal wurden die Chargen abge&#x017F;chlagen und die rückgehenden<lb/>
Regimenter &#x017F;chließlich mit &#x017F;olcher Vehemenz verfolgt, daß die<lb/>
dahinter aufge&#x017F;tellte Infanterie mit in die Flucht verwickelt und<lb/>
zum Theil niedergemacht, zum Theil über das Feld hin zer-<lb/>
&#x017F;treut wurde.</p><lb/>
        <p>So &#x017F;tanden die Dinge am rechten Flügel, zum Theil<lb/>
auch im Centrum. Alles ließ &#x017F;ich glücklich an und &#x017F;chien einen<lb/>
ra&#x017F;chen Sieg zu ver&#x017F;prechen; aber völlig entgegenge&#x017F;etzt &#x017F;ah es<lb/>
am linken Flügel aus, wo un&#x017F;er Seegebart auf einer kleinen<lb/>
Fuchs&#x017F;tute im Rücken &#x017F;eines Regiments hielt. Hier &#x017F;tanden<lb/>
6 Bataillone in Colonne und zwar in Front 2 Bataillone<lb/>
Prinz Leopold, dahinter einzelne Bataillone der Regimenter La<lb/>
Motte, Schwerin, von Hol&#x017F;tein und Prinz Ferdinand. Das<lb/>
Unglück wollte, daß der Angriff der Oe&#x017F;treicher eher erfolgte,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[347/0365] Aufzeichnungen von Seegebarts eigener Hand. Am 11. März, nach längerem Aufenthalt in Berlin betrat das Regiment ſchle- ſiſchen Boden, zeichnete ſich bei der Erſtürmung von Glogau aus, focht bei Molwitz und bezog im October das Winter- quartier in Böhmen. Hier blieb es in Reſerve, während der König in Mähren einrückte. Erſt im Frühjahr 1742 vereinigte ſich das Regiment wieder mit der aus Mähren zurückgehenden Haupt-Armee und war mit unter den Truppen, die am 17. Mai 1742 der öſterreichiſchen Armee unter dem Prinzen Karl von Lothringen bei Chotuſitz eine Viertelmeile von Czas- lau gegenüber ſtanden. Dieſer Tag von Czaslau oder Chotuſitz iſt der Kriegs- und Ehrentag unſres Seegebart. Gegen 8 Uhr Morgens begann die Schlacht, die öſtreichiſche Infanterie eröffnete den Angriff, und warf ſich auf den rechten preußiſchen Flügel, litt aber, durch Kanonen und Klein-Gewehr-Feuer ſo ſtark, daß einzelne Regimenter den Rücken kehrten, und, trotzdem ſie von ihren eigenen Officieren in kaum glaubhafter Anzahl niedergeſtochen wurden, nicht wieder zum Stehen zu bringen waren. Jetzt ſollten Kavallerie-Chargen die Scharte auswetzen. Mit großem Ungeſtüm ſchritt man zur Attacke; aber vergeblich. Mal auf mal wurden die Chargen abgeſchlagen und die rückgehenden Regimenter ſchließlich mit ſolcher Vehemenz verfolgt, daß die dahinter aufgeſtellte Infanterie mit in die Flucht verwickelt und zum Theil niedergemacht, zum Theil über das Feld hin zer- ſtreut wurde. So ſtanden die Dinge am rechten Flügel, zum Theil auch im Centrum. Alles ließ ſich glücklich an und ſchien einen raſchen Sieg zu verſprechen; aber völlig entgegengeſetzt ſah es am linken Flügel aus, wo unſer Seegebart auf einer kleinen Fuchsſtute im Rücken ſeines Regiments hielt. Hier ſtanden 6 Bataillone in Colonne und zwar in Front 2 Bataillone Prinz Leopold, dahinter einzelne Bataillone der Regimenter La Motte, Schwerin, von Holſtein und Prinz Ferdinand. Das Unglück wollte, daß der Angriff der Oeſtreicher eher erfolgte,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/365
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 347. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/365>, abgerufen am 24.11.2024.