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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873.

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interessante Bekanntschaft ... Die Harmonika erhielt seinen
ganzen Beifall; auch sprach er von verschiedenen beson-
deren Versuchen
, was ich anfänglich nicht recht faßte. Nur
erst seit gestern ist mir Vieles natürlich.

Gestern gegen Abend fuhren wir nach seinem Landgute,
dessen Einrichtung, besonders aber die des Gartens, außer-
ordentlich schön getroffen ist. Verschiedene Tempel, Grotten,
Wasserfälle, labyrinthische Gänge und unterirdische Gewölbe
u. s. w. verschaffen dem Auge so viel Mannichfaltigkeit und
Abwechslung, daß man davon ganz bezaubert wird. Nur will
mir die hohe, dies alles umschließende Mauer nicht gefallen;
denn sie raubt dem Auge die herrliche Aussicht. -- Ich hatte
die Harmonika mit hinaus nehmen und Herrn N. -- z. --
versprechen müssen, auf seinen Wink an einem bestimmten Orte
nur wenige Augenblicke zu spielen. Um diesen zu erwarten,
führte er mich, da ich alles gesehen, in ein Zimmer im Vor-
dertheil des Hauses und verließ mich, wie er sagte, der Anord-
nung eines Balls und einer Illumination wegen, die beide
seine Gegenwart nothwendig erforderten. Es war schon spät
und der Schlaf schien mich zu überraschen, als mich die An-
kunft einiger Kutschen störte. Ich öffnete das Fenster, erkannte
aber nichts Deutliches, noch weniger verstand ich das leise und
geheimnißvolle Geflüster der Angekommenen. -- Kurz nachher
bemeisterte sich meiner der Schlaf von Neuem; und ich schlief
wirklich ein. Etwa eine Stunde mochte ich geschlafen haben,
als ich geweckt und von einem Diener, der sich zugleich mein
Instrument zu tragen erbot, ersucht ward, ihm zu folgen. Da
er sehr eilte, ich ihm aber nur langsam folgte, so entstand
daraus die Gelegenheit, daß ich, durch Neugierde getrieben, dem
dumpfen Tone einiger Posaunen nachging, der -- aus der
Tiefe des Kellers zu kommen schien.

Denken Sie Sich aber mein Erstaunen, als ich die Treppe
des Kellers etwa halb hinunter gestiegen war und nunmehr
eine Todtengruft erblickte, in der man unter Trauermusik einen
Leichnam in den Sarg legte und zur Seite einem weißgeklei-

intereſſante Bekanntſchaft … Die Harmonika erhielt ſeinen
ganzen Beifall; auch ſprach er von verſchiedenen beſon-
deren Verſuchen
, was ich anfänglich nicht recht faßte. Nur
erſt ſeit geſtern iſt mir Vieles natürlich.

Geſtern gegen Abend fuhren wir nach ſeinem Landgute,
deſſen Einrichtung, beſonders aber die des Gartens, außer-
ordentlich ſchön getroffen iſt. Verſchiedene Tempel, Grotten,
Waſſerfälle, labyrinthiſche Gänge und unterirdiſche Gewölbe
u. ſ. w. verſchaffen dem Auge ſo viel Mannichfaltigkeit und
Abwechslung, daß man davon ganz bezaubert wird. Nur will
mir die hohe, dies alles umſchließende Mauer nicht gefallen;
denn ſie raubt dem Auge die herrliche Ausſicht. — Ich hatte
die Harmonika mit hinaus nehmen und Herrn N. — z. —
verſprechen müſſen, auf ſeinen Wink an einem beſtimmten Orte
nur wenige Augenblicke zu ſpielen. Um dieſen zu erwarten,
führte er mich, da ich alles geſehen, in ein Zimmer im Vor-
dertheil des Hauſes und verließ mich, wie er ſagte, der Anord-
nung eines Balls und einer Illumination wegen, die beide
ſeine Gegenwart nothwendig erforderten. Es war ſchon ſpät
und der Schlaf ſchien mich zu überraſchen, als mich die An-
kunft einiger Kutſchen ſtörte. Ich öffnete das Fenſter, erkannte
aber nichts Deutliches, noch weniger verſtand ich das leiſe und
geheimnißvolle Geflüſter der Angekommenen. — Kurz nachher
bemeiſterte ſich meiner der Schlaf von Neuem; und ich ſchlief
wirklich ein. Etwa eine Stunde mochte ich geſchlafen haben,
als ich geweckt und von einem Diener, der ſich zugleich mein
Inſtrument zu tragen erbot, erſucht ward, ihm zu folgen. Da
er ſehr eilte, ich ihm aber nur langſam folgte, ſo entſtand
daraus die Gelegenheit, daß ich, durch Neugierde getrieben, dem
dumpfen Tone einiger Poſaunen nachging, der — aus der
Tiefe des Kellers zu kommen ſchien.

Denken Sie Sich aber mein Erſtaunen, als ich die Treppe
des Kellers etwa halb hinunter geſtiegen war und nunmehr
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[296/0314] intereſſante Bekanntſchaft … Die Harmonika erhielt ſeinen ganzen Beifall; auch ſprach er von verſchiedenen beſon- deren Verſuchen, was ich anfänglich nicht recht faßte. Nur erſt ſeit geſtern iſt mir Vieles natürlich. Geſtern gegen Abend fuhren wir nach ſeinem Landgute, deſſen Einrichtung, beſonders aber die des Gartens, außer- ordentlich ſchön getroffen iſt. Verſchiedene Tempel, Grotten, Waſſerfälle, labyrinthiſche Gänge und unterirdiſche Gewölbe u. ſ. w. verſchaffen dem Auge ſo viel Mannichfaltigkeit und Abwechslung, daß man davon ganz bezaubert wird. Nur will mir die hohe, dies alles umſchließende Mauer nicht gefallen; denn ſie raubt dem Auge die herrliche Ausſicht. — Ich hatte die Harmonika mit hinaus nehmen und Herrn N. — z. — verſprechen müſſen, auf ſeinen Wink an einem beſtimmten Orte nur wenige Augenblicke zu ſpielen. Um dieſen zu erwarten, führte er mich, da ich alles geſehen, in ein Zimmer im Vor- dertheil des Hauſes und verließ mich, wie er ſagte, der Anord- nung eines Balls und einer Illumination wegen, die beide ſeine Gegenwart nothwendig erforderten. Es war ſchon ſpät und der Schlaf ſchien mich zu überraſchen, als mich die An- kunft einiger Kutſchen ſtörte. Ich öffnete das Fenſter, erkannte aber nichts Deutliches, noch weniger verſtand ich das leiſe und geheimnißvolle Geflüſter der Angekommenen. — Kurz nachher bemeiſterte ſich meiner der Schlaf von Neuem; und ich ſchlief wirklich ein. Etwa eine Stunde mochte ich geſchlafen haben, als ich geweckt und von einem Diener, der ſich zugleich mein Inſtrument zu tragen erbot, erſucht ward, ihm zu folgen. Da er ſehr eilte, ich ihm aber nur langſam folgte, ſo entſtand daraus die Gelegenheit, daß ich, durch Neugierde getrieben, dem dumpfen Tone einiger Poſaunen nachging, der — aus der Tiefe des Kellers zu kommen ſchien. Denken Sie Sich aber mein Erſtaunen, als ich die Treppe des Kellers etwa halb hinunter geſtiegen war und nunmehr eine Todtengruft erblickte, in der man unter Trauermuſik einen Leichnam in den Sarg legte und zur Seite einem weißgeklei-

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 296. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/314>, abgerufen am 17.05.2024.