den Fünften hingegen empfängt er wiederum einen Dukaten monatlich für sich; ferner auch für den 7., 9., 11., 13. und so fort für jede ungerade Zahl monatlich einen Dukaten. Wer also die Gelegenheit hat, ein Halbhundert Mitglieder zu dieser Societät zu engagiren, der bekommt monatlich eine Revenue von 24 Dukaten." Dies leuchtete vielen sofort ein. Vor Ab- lauf eines Jahres hatte der Orden bereits 416 Mitglieder, darunter 1 Protector, 7 Seniores, 1 Kassirer, 1 Secretär, 1 Archivar. Die ersten Mitglieder waren fast lauter Offiziere der Garnison Wesel, daran schlossen sich Civilpersonen aus Neuwied. In kürzester Frist hatte sich der Orden über ganz Deutschland ausgebreitet. Er bestand aber nicht lange. Die Regierungen schritten ein, warnten vor dieser "gefährlichen Societät" und verboten dieselbe. In Betreff von Vergesell- schaftungen, die auf Geld und Geldeswerth ausgingen, waren die Regierungen immer am wachsamsten.
Ein anderer Orden, bei dessen Ceremonien die "Harmo- nika" eine große Rolle spielte und den wir deshalb den "Har- monika-Orden" nennen wollen, hatte im Gegensatz zur "Dukaten-Societät" etwas sinnbestrickend Theatralisches und operirte mit dem ganzen Apparat einer romantischen Oper. Diesen seltsamen Orden lernt man, in seinem Ritual (im Gegensatz zu den Statuten) aus einer kleinen Broschüre ken- nen, die 1787 in Berlin erschien und aus der wir Folgendes entnehmen.
"Sie verschafften mir, so schreibt der Held und Har- monika-Virtuose,*) durch Ihre Adresse an Herrn N. eine sehr
*) Der betr. Brief giebt sich das Ansehen, als sei er aus Wien datirt und als habe die ganze Scene auf einem Landgut in der Nähe Wiens gespielt. Wer aber je in Marquardt war, und den dortigen Park, den See, die Grotte, das Schloß und seine tiefen Doppelkeller kennen gelernt hat, dem wird sichs zunächst aufdrängen, daß hier durch- aus Marquardt gemeint sein müsse. Es ist aber trotz alledem nicht der Fall, kann nicht sein, da Marquardt erst 1795 in die Hände Bischofswerders kam.
den Fünften hingegen empfängt er wiederum einen Dukaten monatlich für ſich; ferner auch für den 7., 9., 11., 13. und ſo fort für jede ungerade Zahl monatlich einen Dukaten. Wer alſo die Gelegenheit hat, ein Halbhundert Mitglieder zu dieſer Societät zu engagiren, der bekommt monatlich eine Revenue von 24 Dukaten.“ Dies leuchtete vielen ſofort ein. Vor Ab- lauf eines Jahres hatte der Orden bereits 416 Mitglieder, darunter 1 Protector, 7 Seniores, 1 Kaſſirer, 1 Secretär, 1 Archivar. Die erſten Mitglieder waren faſt lauter Offiziere der Garniſon Weſel, daran ſchloſſen ſich Civilperſonen aus Neuwied. In kürzeſter Friſt hatte ſich der Orden über ganz Deutſchland ausgebreitet. Er beſtand aber nicht lange. Die Regierungen ſchritten ein, warnten vor dieſer „gefährlichen Societät“ und verboten dieſelbe. In Betreff von Vergeſell- ſchaftungen, die auf Geld und Geldeswerth ausgingen, waren die Regierungen immer am wachſamſten.
Ein anderer Orden, bei deſſen Ceremonien die „Harmo- nika“ eine große Rolle ſpielte und den wir deshalb den „Har- monika-Orden“ nennen wollen, hatte im Gegenſatz zur „Dukaten-Societät“ etwas ſinnbeſtrickend Theatraliſches und operirte mit dem ganzen Apparat einer romantiſchen Oper. Dieſen ſeltſamen Orden lernt man, in ſeinem Ritual (im Gegenſatz zu den Statuten) aus einer kleinen Broſchüre ken- nen, die 1787 in Berlin erſchien und aus der wir Folgendes entnehmen.
„Sie verſchafften mir, ſo ſchreibt der Held und Har- monika-Virtuoſe,*) durch Ihre Adreſſe an Herrn N. eine ſehr
*) Der betr. Brief giebt ſich das Anſehen, als ſei er aus Wien datirt und als habe die ganze Scene auf einem Landgut in der Nähe Wiens geſpielt. Wer aber je in Marquardt war, und den dortigen Park, den See, die Grotte, das Schloß und ſeine tiefen Doppelkeller kennen gelernt hat, dem wird ſichs zunächſt aufdrängen, daß hier durch- aus Marquardt gemeint ſein müſſe. Es iſt aber trotz alledem nicht der Fall, kann nicht ſein, da Marquardt erſt 1795 in die Hände Biſchofswerders kam.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0313"n="295"/>
den Fünften hingegen empfängt er wiederum einen Dukaten<lb/>
monatlich für ſich; ferner auch für den 7., 9., 11., 13. und<lb/>ſo fort für jede ungerade Zahl monatlich einen Dukaten. Wer<lb/>
alſo die Gelegenheit hat, ein Halbhundert Mitglieder zu dieſer<lb/>
Societät zu engagiren, der bekommt monatlich eine Revenue<lb/>
von 24 Dukaten.“ Dies leuchtete vielen ſofort ein. Vor Ab-<lb/>
lauf eines Jahres hatte der Orden bereits 416 Mitglieder,<lb/>
darunter 1 Protector, 7 Seniores, 1 Kaſſirer, 1 Secretär,<lb/>
1 Archivar. Die erſten Mitglieder waren faſt lauter Offiziere<lb/>
der Garniſon Weſel, daran ſchloſſen ſich Civilperſonen aus<lb/>
Neuwied. In kürzeſter Friſt hatte ſich der Orden über ganz<lb/>
Deutſchland ausgebreitet. Er beſtand aber nicht lange. Die<lb/>
Regierungen ſchritten ein, warnten vor dieſer „gefährlichen<lb/>
Societät“ und verboten dieſelbe. In Betreff von Vergeſell-<lb/>ſchaftungen, die auf <hirendition="#g">Geld</hi> und Geldeswerth ausgingen, waren<lb/>
die Regierungen immer am wachſamſten.</p><lb/><p>Ein anderer Orden, bei deſſen Ceremonien die „Harmo-<lb/>
nika“ eine große Rolle ſpielte und den wir deshalb den „Har-<lb/>
monika-Orden“ nennen wollen, hatte im Gegenſatz zur<lb/>„Dukaten-Societät“ etwas ſinnbeſtrickend Theatraliſches und<lb/>
operirte mit dem ganzen Apparat einer romantiſchen Oper.<lb/>
Dieſen ſeltſamen Orden lernt man, in ſeinem Ritual (im<lb/>
Gegenſatz zu den Statuten) aus einer kleinen Broſchüre ken-<lb/>
nen, die 1787 in Berlin erſchien und aus der wir Folgendes<lb/>
entnehmen.</p><lb/><p>„Sie verſchafften mir, ſo ſchreibt der Held und Har-<lb/>
monika-Virtuoſe,<noteplace="foot"n="*)">Der betr. Brief giebt ſich das Anſehen, als ſei er aus <hirendition="#g">Wien</hi><lb/>
datirt und als habe die ganze Scene auf einem Landgut in der Nähe<lb/>
Wiens geſpielt. Wer aber je in Marquardt war, und den dortigen<lb/>
Park, den See, die Grotte, das Schloß und ſeine tiefen Doppelkeller<lb/>
kennen gelernt hat, dem wird ſichs zunächſt aufdrängen, daß hier durch-<lb/>
aus Marquardt gemeint ſein müſſe. Es iſt aber trotz alledem <hirendition="#g">nicht</hi><lb/>
der Fall, <hirendition="#g">kann</hi> nicht ſein, da Marquardt erſt 1795 in die Hände<lb/>
Biſchofswerders kam.</note> durch Ihre Adreſſe an Herrn N. eine ſehr<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[295/0313]
den Fünften hingegen empfängt er wiederum einen Dukaten
monatlich für ſich; ferner auch für den 7., 9., 11., 13. und
ſo fort für jede ungerade Zahl monatlich einen Dukaten. Wer
alſo die Gelegenheit hat, ein Halbhundert Mitglieder zu dieſer
Societät zu engagiren, der bekommt monatlich eine Revenue
von 24 Dukaten.“ Dies leuchtete vielen ſofort ein. Vor Ab-
lauf eines Jahres hatte der Orden bereits 416 Mitglieder,
darunter 1 Protector, 7 Seniores, 1 Kaſſirer, 1 Secretär,
1 Archivar. Die erſten Mitglieder waren faſt lauter Offiziere
der Garniſon Weſel, daran ſchloſſen ſich Civilperſonen aus
Neuwied. In kürzeſter Friſt hatte ſich der Orden über ganz
Deutſchland ausgebreitet. Er beſtand aber nicht lange. Die
Regierungen ſchritten ein, warnten vor dieſer „gefährlichen
Societät“ und verboten dieſelbe. In Betreff von Vergeſell-
ſchaftungen, die auf Geld und Geldeswerth ausgingen, waren
die Regierungen immer am wachſamſten.
Ein anderer Orden, bei deſſen Ceremonien die „Harmo-
nika“ eine große Rolle ſpielte und den wir deshalb den „Har-
monika-Orden“ nennen wollen, hatte im Gegenſatz zur
„Dukaten-Societät“ etwas ſinnbeſtrickend Theatraliſches und
operirte mit dem ganzen Apparat einer romantiſchen Oper.
Dieſen ſeltſamen Orden lernt man, in ſeinem Ritual (im
Gegenſatz zu den Statuten) aus einer kleinen Broſchüre ken-
nen, die 1787 in Berlin erſchien und aus der wir Folgendes
entnehmen.
„Sie verſchafften mir, ſo ſchreibt der Held und Har-
monika-Virtuoſe, *) durch Ihre Adreſſe an Herrn N. eine ſehr
*) Der betr. Brief giebt ſich das Anſehen, als ſei er aus Wien
datirt und als habe die ganze Scene auf einem Landgut in der Nähe
Wiens geſpielt. Wer aber je in Marquardt war, und den dortigen
Park, den See, die Grotte, das Schloß und ſeine tiefen Doppelkeller
kennen gelernt hat, dem wird ſichs zunächſt aufdrängen, daß hier durch-
aus Marquardt gemeint ſein müſſe. Es iſt aber trotz alledem nicht
der Fall, kann nicht ſein, da Marquardt erſt 1795 in die Hände
Biſchofswerders kam.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der dritte Band "Ost-Havelland. Die Landschaft um Spandau, Potsdam, Brandenburg" 1873 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 295. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/313>, abgerufen am 25.06.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.