Der letzte Bischofswerder hatte seine Ruhestatt gefunden. Nur zwei Töchter verblieben. Die ältere, Pauline v. Bischofs- werder, der Liebling des Vaters, vermählte sich mit Herrn v. Damnitz, der nun, sei es durch Kauf, sei es durch Erb- schaft, auf kurze Zeit in den Besitz von Marquardt gelangte. Im Ganzen nur auf zwei Jahre. Aber diese zwei Jahre schnit- ten tief ein Herr v. Damnitz, so wird erzählt, voll Anhäng- lichkeit gegen das blau-bordirte und blau-gepaspelte Kürassier- Regiment, bei dem er Jahre hindurch gestanden hatte, benutzte eine Neuweißung der Kirche, um den Wänden, den Kirchen- stühlen, den Thür- und Kanzelfeldern einen blauen Einfas- sungsstreifen zu geben. Die oben erwähnte Tonne aber, auf der vielleicht einzig und allein die Möglichkeit einer exacten Geschichtschreibung der Epoche von 1786--97 beruhte, wurde zum Feuertode verurtheilt. Zwei Tage lang wurde mit ihrem Inhalt der Backofen geheizt. Omar war über Marquardt gekommen.
Keine Frage, daß Herr v. Damnitz, aus einer gewissen Pietät heraus, in dieser Weise handeln zu müssen glaubte; "wozu der alte Scandal, wozu die erneute Controverse!" Viele alte Familien denken ebenso: "der Gewinn ist precair, der Schaden ist sicher" -- und so verlieren sich unersetzliche Aufzeichnungen in Ruß und Rauch. Wir begreifen die Empfin- dung, aber wir beklagen sie; es ist der Triumph des Familien- sinns über den historischen Sinn. Und der letztere ist doch das Weitergehende, das Idealere.
Herr v. Damnitz blieb nur bis 1860. Herr Tholuck, ein Neffe des berühmten Hallenser Theologen, folgte. In ihm war dem devastirten Gute endlich wieder ein Wirth gegeben, eine feste und eine geschickte Hand. Die erste seit dem Tode des älteren Bischofswerder (1803). Ein Geist der Ordnung zog wieder ein. Der Park klärte sich auf, das alte Schloß gewann wieder wohnlichere Gestalt und an die Stelle verfallender oder
Marquardt ſeit 1858.
Der letzte Biſchofswerder hatte ſeine Ruheſtatt gefunden. Nur zwei Töchter verblieben. Die ältere, Pauline v. Biſchofs- werder, der Liebling des Vaters, vermählte ſich mit Herrn v. Damnitz, der nun, ſei es durch Kauf, ſei es durch Erb- ſchaft, auf kurze Zeit in den Beſitz von Marquardt gelangte. Im Ganzen nur auf zwei Jahre. Aber dieſe zwei Jahre ſchnit- ten tief ein Herr v. Damnitz, ſo wird erzählt, voll Anhäng- lichkeit gegen das blau-bordirte und blau-gepaspelte Küraſſier- Regiment, bei dem er Jahre hindurch geſtanden hatte, benutzte eine Neuweißung der Kirche, um den Wänden, den Kirchen- ſtühlen, den Thür- und Kanzelfeldern einen blauen Einfaſ- ſungsſtreifen zu geben. Die oben erwähnte Tonne aber, auf der vielleicht einzig und allein die Möglichkeit einer exacten Geſchichtſchreibung der Epoche von 1786—97 beruhte, wurde zum Feuertode verurtheilt. Zwei Tage lang wurde mit ihrem Inhalt der Backofen geheizt. Omar war über Marquardt gekommen.
Keine Frage, daß Herr v. Damnitz, aus einer gewiſſen Pietät heraus, in dieſer Weiſe handeln zu müſſen glaubte; „wozu der alte Scandal, wozu die erneute Controverſe!“ Viele alte Familien denken ebenſo: „der Gewinn iſt precair, der Schaden iſt ſicher“ — und ſo verlieren ſich unerſetzliche Aufzeichnungen in Ruß und Rauch. Wir begreifen die Empfin- dung, aber wir beklagen ſie; es iſt der Triumph des Familien- ſinns über den hiſtoriſchen Sinn. Und der letztere iſt doch das Weitergehende, das Idealere.
Herr v. Damnitz blieb nur bis 1860. Herr Tholuck, ein Neffe des berühmten Hallenſer Theologen, folgte. In ihm war dem devaſtirten Gute endlich wieder ein Wirth gegeben, eine feſte und eine geſchickte Hand. Die erſte ſeit dem Tode des älteren Biſchofswerder (1803). Ein Geiſt der Ordnung zog wieder ein. Der Park klärte ſich auf, das alte Schloß gewann wieder wohnlichere Geſtalt und an die Stelle verfallender oder
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0306"n="288"/><divn="2"><head><hirendition="#b">Marquardt ſeit 1858.</hi></head><lb/><p>Der letzte Biſchofswerder hatte ſeine Ruheſtatt gefunden.<lb/>
Nur zwei Töchter verblieben. Die ältere, Pauline v. Biſchofs-<lb/>
werder, der Liebling des Vaters, vermählte ſich mit Herrn<lb/>
v. <hirendition="#g">Damnitz</hi>, der nun, ſei es durch Kauf, ſei es durch Erb-<lb/>ſchaft, auf kurze Zeit in den Beſitz von Marquardt gelangte.<lb/>
Im Ganzen nur auf zwei Jahre. Aber dieſe zwei Jahre ſchnit-<lb/>
ten tief ein Herr v. Damnitz, ſo wird erzählt, voll Anhäng-<lb/>
lichkeit gegen das blau-bordirte und blau-gepaspelte Küraſſier-<lb/>
Regiment, bei dem er Jahre hindurch geſtanden hatte, benutzte<lb/>
eine Neuweißung der Kirche, um den Wänden, den Kirchen-<lb/>ſtühlen, den Thür- und Kanzelfeldern einen blauen Einfaſ-<lb/>ſungsſtreifen zu geben. Die oben erwähnte <hirendition="#g">Tonne</hi> aber, auf<lb/>
der vielleicht einzig und allein die Möglichkeit einer exacten<lb/>
Geſchichtſchreibung der Epoche von 1786—97 beruhte, wurde<lb/>
zum Feuertode verurtheilt. Zwei Tage lang wurde mit ihrem<lb/>
Inhalt der Backofen geheizt. Omar war über Marquardt<lb/>
gekommen.</p><lb/><p>Keine Frage, daß Herr v. Damnitz, aus einer gewiſſen<lb/>
Pietät heraus, in dieſer Weiſe handeln zu müſſen glaubte;<lb/>„wozu der alte Scandal, wozu die erneute Controverſe!“<lb/>
Viele alte Familien denken ebenſo: „der Gewinn iſt precair,<lb/>
der Schaden iſt ſicher“— und ſo verlieren ſich unerſetzliche<lb/>
Aufzeichnungen in Ruß und Rauch. Wir begreifen die Empfin-<lb/>
dung, aber wir beklagen ſie; es iſt der Triumph des Familien-<lb/>ſinns über den hiſtoriſchen Sinn. Und der letztere iſt doch das<lb/>
Weitergehende, das Idealere.</p><lb/><p>Herr v. Damnitz blieb nur bis 1860. Herr Tholuck, ein<lb/>
Neffe des berühmten Hallenſer Theologen, folgte. In ihm war<lb/>
dem devaſtirten Gute endlich wieder ein <hirendition="#g">Wirth</hi> gegeben, eine<lb/>
feſte und eine geſchickte Hand. Die <hirendition="#g">erſte</hi>ſeit dem Tode des<lb/>
älteren Biſchofswerder (1803). Ein Geiſt der Ordnung zog<lb/>
wieder ein. Der Park klärte ſich auf, das alte Schloß gewann<lb/>
wieder wohnlichere Geſtalt und an die Stelle verfallender oder<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[288/0306]
Marquardt ſeit 1858.
Der letzte Biſchofswerder hatte ſeine Ruheſtatt gefunden.
Nur zwei Töchter verblieben. Die ältere, Pauline v. Biſchofs-
werder, der Liebling des Vaters, vermählte ſich mit Herrn
v. Damnitz, der nun, ſei es durch Kauf, ſei es durch Erb-
ſchaft, auf kurze Zeit in den Beſitz von Marquardt gelangte.
Im Ganzen nur auf zwei Jahre. Aber dieſe zwei Jahre ſchnit-
ten tief ein Herr v. Damnitz, ſo wird erzählt, voll Anhäng-
lichkeit gegen das blau-bordirte und blau-gepaspelte Küraſſier-
Regiment, bei dem er Jahre hindurch geſtanden hatte, benutzte
eine Neuweißung der Kirche, um den Wänden, den Kirchen-
ſtühlen, den Thür- und Kanzelfeldern einen blauen Einfaſ-
ſungsſtreifen zu geben. Die oben erwähnte Tonne aber, auf
der vielleicht einzig und allein die Möglichkeit einer exacten
Geſchichtſchreibung der Epoche von 1786—97 beruhte, wurde
zum Feuertode verurtheilt. Zwei Tage lang wurde mit ihrem
Inhalt der Backofen geheizt. Omar war über Marquardt
gekommen.
Keine Frage, daß Herr v. Damnitz, aus einer gewiſſen
Pietät heraus, in dieſer Weiſe handeln zu müſſen glaubte;
„wozu der alte Scandal, wozu die erneute Controverſe!“
Viele alte Familien denken ebenſo: „der Gewinn iſt precair,
der Schaden iſt ſicher“ — und ſo verlieren ſich unerſetzliche
Aufzeichnungen in Ruß und Rauch. Wir begreifen die Empfin-
dung, aber wir beklagen ſie; es iſt der Triumph des Familien-
ſinns über den hiſtoriſchen Sinn. Und der letztere iſt doch das
Weitergehende, das Idealere.
Herr v. Damnitz blieb nur bis 1860. Herr Tholuck, ein
Neffe des berühmten Hallenſer Theologen, folgte. In ihm war
dem devaſtirten Gute endlich wieder ein Wirth gegeben, eine
feſte und eine geſchickte Hand. Die erſte ſeit dem Tode des
älteren Biſchofswerder (1803). Ein Geiſt der Ordnung zog
wieder ein. Der Park klärte ſich auf, das alte Schloß gewann
wieder wohnlichere Geſtalt und an die Stelle verfallender oder
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der dritte Band "Ost-Havelland. Die Landschaft um Spandau, Potsdam, Brandenburg" 1873 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 288. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/306>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.